Ökonomie
Der Begriff Ö. stammt vom griechischen Wort oikonomia, das zur Beschreibung administrativer Tätigkeiten im Haushalt (oikos) verwendet wurde. Dabei steht oikonomia, also die Führung des Familienoberhauptes (oikonomos) im privaten Umfeld, im Kontrast zu chrematismos, den geschäftlichen Verpflichtungen. Der oikonomos als zentraler Akteur des oikos definiert sich durch seine Funktion als Herrschender über den Haushalt. Demnach umfasst oikonomia sowohl eine deskriptive als auch eine normative Dimension. Einerseits werden Handlungsmuster im Haushalt (Haushalt, privater) beschrieben, andererseits werden Handlungsergebnisse anhand der Zielsetzung des oikonomos evaluiert. Auf diesen Dimensionen beruhen die Begriffe Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaften.
Wirtschaft lässt sich in einem weiteren und in einem engeren Sinne verstehen. Die sogenannte substantielle, weitere Definition der Ö. umfasst zunächst alle Handlungen, die zur Befriedigung von Bedürfnissen beitragen. Der Optimierungsgrundsatz ist nicht Teil von Wirtschaften im weiteren Sinne. Die sogenannte formale, engere Definition der Ö. versteht Wirtschaften als Entscheidungen mit dem Ziel der optimalen Allokation von zur Verfügung stehenden Ressourcen.
In den Wirtschaftswissenschaften kann grundsätzlich zwischen klassischer und neoklassischer Ökonomik unterschieden werden. Die Forschung der Teilbereiche basiert jeweils auf einer substantiellen bzw. formalen Definition von Ö. Die Ökonomen der Klassik, wie Adam Smith, Jean-Baptiste Say oder David Ricardo, beschäftigen sich mit der Entstehung und Verteilung von Wohlstand. Dabei liegen der Analyse die beobachteten Handlungen der relevanten Akteure zugrunde, also Wirtschaften im weiteren Sinne. Die klassische Wirtschaftswissenschaft wird auch als Politische Ö. oder klassische Nationalökonomie bezeichnet.
Vertreter der Neoklassik, wie Antoine Augustin Cournot, Hermann Heinrich Gossen oder Johann Heinrich von Thünen, hingegen konzentrieren ihre Forschung auf die ökonomische Methode. Ihre Marginalanalyse basiert auf der Annahme, dass Marktgleichgewichte existieren. Die Neoklassik befasst sich mit dem Entscheidungskalkül relevanter Akteure vor dem Hintergrund der Optimierung, also mit Wirtschaften im engeren Sinne. Als Teilbereich der Neoklassik gilt die Wohlfahrtsökonomik. Die Anwendung der marginalen Analyse auf andere Lebensbereiche, wie bspw. in der Neuen Politischen Ökonomie auf den politischen Prozess, wird, meist abwertend, als „neoklassischer Imperialismus“ bezeichnet.
Literatur
F. Söllner/A. Stulpe/G. S. Schaal: Politische und ökonomische Theorie- und Ideengeschichte, in: K. Mause/C. Müller/K. Schubert (Hg.): Politik und Wirtschaft, 2018, 21–88 • R. F. Crespo: Philosophy of the Economy, 2013 • K. Singer: Oikonomia. An Inquiry into Beginnings of Economic Thought and Language, in: Kyklos 11/1 (1958), 29–57.
Empfohlene Zitierweise
V. Löffler, C. Müller: Ökonomie, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/%C3%96konomie (abgerufen: 03.12.2024)