Deutsche Bundesbank
Seit Anfang 1999, dem Beginn der 3. Stufe der EWWU, ist die D.B. als Zentralbank Deutschlands mit verantwortlich für die Geldpolitik des Eurosystems. Der Präsident der B. hat dabei im geldpolitischen Entscheidungsgremium, dem Rat der Europäischen Zentralbank (EZB), zusammen mit den Präsidenten der Zentralbanken der anderen Länder des Euro-Währungsgebietes und den Mitgliedern des Direktoriums der EZB, abgesehen vom turnusmäßigen gelegentlichen Aussetzen des Stimmrechts, eine Stimme. Jedes Jahr fällt der EZB-Rat mehrere hundert Entscheidungen. Davon beziehen sich allerdings nur etwa neun Beschlüsse unmittelbar auf die Geld- und Zinspolitik, die restlichen betreffen v. a. operative Bereiche der Zentralbanken und das Zusammenspiel im System. Die B. setzt die Geldpolitik in Deutschland operativ um, ist an der Bankenaufsicht beteiligt, arbeitet für ein stabiles Finanz- und Währungssystem, sorgt für einen reibungslosen bargeldlosen Zahlungsverkehr, verwaltet die deutschen Währungsreserven und bringt Bargeld in Umlauf. Darüber hinaus betreibt sie ökonomische Forschung, erstellt Statistiken (z. B. die Bankenstatistik), berät die Regierung in währungspolitischen Fragen und übernimmt als „Hausbank“ des Staates für die öffentlichen Haushalte die Kontoführung und Abwicklung bei deren Geld- und Wertpapierverkehr. Sie vertritt die deutschen Interessen in zahlreichen internationalen Gremien, darunter bspw. im IWF und im Europäischen Ausschuss für Systemrisiken.
Vertreten wird die B. von ihrem Vorstand. Seine sechs Mitglieder werden jeweils zur Hälfte von der Bundesregierung und vom Bundesrat vorgeschlagen und vom Bundespräsidenten für acht Jahre ernannt. Von Weisungen der Bundesregierung ist die B. unabhängig. Ihr Status ist somit vergleichbar mit dem des BVerfG.
Bei Diskussion und Entscheidungsfindung in den Sitzungen des EZB-Rats stützen sich die Mitglieder auf die Expertise ihrer jeweiligen Zentralbank. Zugleich erarbeiten ausgewiesene Experten aller nationalen Zentralbanken und der EZB im Monetary Policy Committee – einem Ausschuss des Eurosystems – gemeinsam Prognosen, Einschätzungen und Studien. Diese zieht der EZB-Rat mit als Entscheidungs- und Positionierungshilfe heran. D. h., die Fachleute im Eurosystem kooperieren und konkurrieren zugleich um die besten Ideen und Analysen zugunsten einer möglichst effizienten Zentralbankpolitik. Was der EZB-Rat geldpolitisch beschließt, setzt die B. dann in Deutschland um.
Überdies erläutert die B. der deutschen Öffentlichkeit die Geldpolitik des Eurosystems. Diese Kommunikation ist doppelt bedeutsam: Indem die B. über ihr Tun Rechenschaft ablegt, errichtet sie für ihre gesetzliche Unabhängigkeit einen zusätzlichen demokratischen Stützpfeiler. Zudem soll damit das Stabilitätsbewusstsein in der Bevölkerung gefördert werden.
Neben dem geldpolitischen Kerngeschäftsfeld gibt es noch vier weitere: Stabilität des Finanz- und Währungssystems, Bankenaufsicht, unbarer Zahlungsverkehr und Bargeld.
Auf dem Kerngeschäftsfeld Finanz- und Währungssystem arbeitet die B. daran mit, nationalen und internationalen Finanzkrisen vorzubeugen. Bei Schocks, Ungleichgewichten oder Vertrauenskrisen auf den Finanzmärkten (Finanzmarktkrise) kann der Liquiditätsbedarf im Bankensektor abrupt und stark steigen, wie dies während der Finanzmarktturbulenzen 2007/08 zu beobachten war. Die resultierenden Liquiditätsengpässe können dann unter Umständen zu einer Solvenzkrise führen und letztlich auch das Finanzsystem als Ganzes gefährden, sofern systemrelevante Marktteilnehmer betroffen sind. Als letztendlicher Quelle für Liquidität, d. h. Zentralbankgeld, kann der Zentralbank eine wichtige Rolle bei der Überwindung von Finanzkrisen zukommen („lender of last resort“). Sofern sie allerdings im Krisenfall Liquiditätshilfen gewährt, die über die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Geldmarktes (Geld- und Kapitalmarkt) und des Zahlungsverkehrs hinausgehen, droht sie leicht in einen Zielkonflikt zu geraten. Die Zentralbank kann dann die Erwartung wecken, dass sie vorschnell und stets zur Unterstützung einzelner Finanzakteure oder des gesamten Finanzsektors bereit sein könnte. Dies würde die Marktdisziplin schwächen (Moral-Hazard-Problem) und dazu führen, dass die Marktteilnehmer Risiken nicht mehr angemessen bepreisen und berücksichtigen.
Durch ihre Mitarbeit in der Bankenaufsicht erfüllt die B. eine Aufgabe, die der Sicherung einer finanziell soliden Kreditwirtschaft und so letztlich ebenfalls der Finanzsystemstabilität dient. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit der dem Bundesfinanzministerium unterstellten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist die B. für die laufende Überprüfung der Kreditinstitute in Deutschland zuständig, wobei v. a. deren Solvenz, Liquidität und Risikosteuerungssysteme auf dem Prüfstand stehen. Diese laufende Aufsicht umfasst u. a. Aufsichtsgespräche, die laufende Auswertung von Meldungen und Prüfungsberichten und bankgeschäftliche Prüfungen. Inzwischen wird diese Aufsicht im Rahmen der Europäischen Bankenunion auch währungsunionsweit koordiniert. Dabei ist die EZB zuständig für systemrelevante Institute, während die restlichen Banken prinzipiell in nationaler Verantwortung beaufsichtigt werden.
Schwerwiegende Auswirkungen auf Banken und Unternehmen können Störungen im unbaren Zahlungsverkehr haben. Deshalb hat die B. gemäß gesetzlichem Auftrag für die reibungslose Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland und mit dem Ausland zu sorgen. Eilbedürftige Individualzahlungen zwischen den Banken benötigen genauso wie die Abwicklung der geldpolitischen Operationen schnelle und sichere Zahlungssysteme. Dafür existiert in der EU TARGET2. Dieses System basiert auf einer einheitlichen technischen Plattform und gewährleistet den raschen Austausch von Zentralbankliquidität zwischen den nationalen Geldmärkten. Es bietet allen Teilnehmern bei nationalen wie grenzüberschreitenden Zahlungen harmonisierte Leistungen zu einheitlichen Preisen. Die Hauptrefinanzierungsgeschäfte des Eurosystems sind zwingend über TARGET2 abzuwickeln. Mit SEPA gelten inzwischen auch einheitliche Standards für bargeldlose Euro-Zahlungen im Rahmen des Massenzahlungsverkehrs in Europa. Mit SEPA wird nicht mehr zwischen nationalen und grenzüberschreitenden Euro-Zahlungen unterschieden, auch nicht bei den Gebühren. Die B. fungiert dabei als Bindeglied zwischen dem deutschen Kreditgewerbe und dem Eurosystem. Auch passte sie ihre eigenen Zahlungssysteme an die Erfordernisse von SEPA an.
Um das Vertrauen in den Euro zu erhalten, ist es auch wichtig, dass Bargeld stets ausreichend und auf hohem Qualitätsniveau zur Verfügung steht. Hierzu muss Falschgeld ebenso ausgesondert werden wie jene Münzen und Banknoten, die beschädigt oder abgenutzt sind. Obwohl sich die B. im Zeitablauf aus dem Bargeldkreislauf zurückgezogen hat, ist sie daran und speziell an der Banknotenbearbeitung immer noch angemessen beteiligt. Der Anteil der B. an der gesamten Bargeldemission des Eurosystems beträgt gut 50 %, ist also etwa doppelt so hoch wie ihr Kapitalanteil, der sich nach Bevölkerungsgröße und BIP bemisst.
Diese Kerngeschäftsfelder der B. werden ergänzt durch die Verwaltung der Währungsreserven sowie Aufgaben in der Statistik, die teilweise ebenfalls eng mit den anderen Zentralbanken des Eurosystems abgestimmt werden. Einige andere Bereiche sind dagegen eher unabhängig von der Zusammenarbeit im Rahmen des Eurosystems zu sehen. Das gilt etwa für die Rolle der B. als Hausbank des Staates, bei der sie an der Emission von Bundeswertpapieren mitwirkt und als Beraterin der Bundesregierung in wirtschafts- und währungspolitischen Fragen fungiert.
Literatur
E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz: Europäische Geldpolitik, 52008, S. 75–80.
Empfohlene Zitierweise
F. Seitz: Deutsche Bundesbank, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Deutsche_Bundesbank (abgerufen: 21.11.2024)