Doping
1. Begriff
D. bezeichnet eine Steigerung der Leistungsfähigkeit, die innerhalb des Wettkampfsports (Sport) auf unfaire oder illegale Weise erzielt wird und die inzwischen auch im Freizeit- und Breitensport sowie im Fitnessbereich zunehmend an Bedeutung gewinnt. Mit Hilfe von D. sollen die physischen und psychischen Grenzen der natürlichen Ausstattung des Menschen ausgelotet, verschoben und überwunden werden, um damit das Ziel der Selbstoptimierung zu erreichen. Innerhalb des Wettkampfsports impliziert D. stets eine betrügerische Absicht, insofern die Konkurrenten über die eingesetzten Mittel und Methoden der Leistungssteigerung getäuscht und Wettbewerbsvorteile angestrebt werden.
Den Einsatz von leistungssteigernden Mitteln und Methoden gibt es seit der Durchführung von sportlichen Wettkämpfen. Das Wort „dope“ entstammt der Sprache der Ureinwohner des südöstlichen Afrikas und bezeichnet dort ein alkoholisches Getränk, das bei Kampf- und Kulthandlungen als Aufputschmittel verwendet wurde. Bereits bei den Wettkämpfen der Antike setzte man Kräuter, Säfte und Fleisch (z. B. Stierhoden) ein, um die Kraft- und Ausdauerfähigkeiten der Athleten zu verbessern. Im 19. Jh. wird der Begriff „Doping“ (to dope, englisch) im Sinne von „kräftigen“ bzw. „mit verbotenen Mitteln aufputschen“ im englischen Pferdesport verwendet und von dort auf die bereits im Rad- und Boxsport benutzten stimulierenden Substanzen übertragen.
Mit der Wiederbegründung der Olympischen Spiele 1896 wurde ein bis in die Gegenwart andauernder Prozess eingeleitet, der nicht nur Pierre de Coubertins citius, altius, fortius (schneller, höher, stärker) zum Leitbild des Sports erhebt, sondern der auch die Suche nach immer neuen D.-Möglichkeiten zur Leistungssteigerung fördert.
Im national und international organisierten Sport hat sich nicht zuletzt aus pragmatischen Gründen die D.-Definition der WADA durchgesetzt. In Artikel 1 des WADCwird D. als Verstoß gegen die Anti-Doping-Bestimmungen definiert, womit Definition und Verbot gleichsam zu einer Einheit verschmelzen. Als D. gelten demnach u. a. das Vorhandensein eines verbotenen Stoffs in der Probe eines Athleten, die Anwendung einer verbotenen Methode, die Umgehung der Probennahme und der Besitz, das Inverkehrbringen oder die Verabreichung eines verbotenen Stoffes bzw. einer verbotenen Methode.
2. Anti-Doping-Bemühungen
Die WADA wurde 1999 gegründet und verfolgt das Ziel, das Grundrecht der Athleten auf Teilnahme an dopingfreiem Sport zu schützen und deren Gesundheit, Fairness und Gleichbehandlung weltweit zu fördern. Die WADA koordiniert und harmonisiert die Anti-Doping Programme, die weltweit die Dopingverstöße im Leistungssport aufdecken oder verhindern sollen. Als zentraler Baustein der internationalen Dopingbekämpfung wurde der WADC 2003 durch die Weltkonferenz gegen Doping im Sport beschlossen und trat mit Beginn der olympischen Spiele von Athen 2004 erstmalig in Kraft. Das im WADC formulierte Ziel eines dopingfreien Sports kann nur erreicht werden, wenn sich die Sportverbände an das transnationale Regelwerk binden, ihre eigenen Regelwerke anpassen und diese konsequent vor Ort umsetzen. In Deutschland werden die Entwicklung eines D.-Kontrollsystems und die Koordinierung von D.-Kontrollen von der NADA übernommen. Ihre Aufgabe besteht v. a. in der Kontrolle von Athleten, die anhand angemeldeter oder überraschender Tests bei Wettkämpfen, am Trainingsort oder auch zu Hause überprüft und auf den Gebrauch von nicht erlaubten Substanzen und Methoden untersucht werden.
Mit dem AntiDopG werden in Deutschland seit 2015 der unerlaubte Umgang mit D.-Mitteln, die unerlaubte Anwendung von D.-Methoden und das Selbstdoping von Leistungssportlern unter Strafe gestellt. Die Absicht des Gesetzes ist es, „die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler zu schützen, die Fairness und Chancengleichheit (Chancengerechtigkeit) bei Sportwettbewerben zu sichern und damit zur Erhaltung der Integrität des Sports beizutragen.“ (§ 1 AntiDopG) Da sich das sport- und das strafrechtliche Vorgehen auf eine WADA-Verbotsliste beziehen, in der alle zum gegenwärtigen Zeitpunkt verbotenen Mittel und Methoden aufgeführt sind, werden Athleten, Trainer und Mediziner immer wieder nach Neuerungen zur Leistungssteigerung suchen, die rechtlich noch nicht erfasst sind. Der permanente Wettlauf zwischen Entwicklung und Kontrolle führt zur Verunsicherung der beteiligten Akteure, da stets damit gerechnet werden muss, dass sich Konkurrenten durch den Zugang zu innovativen, noch nicht verbotenen leistungssteigernden Mittel und Methoden Vorteile im Wettkampf verschaffen.
3. Begründung des Dopingverbots
Die wichtigsten Begründungen für das Dopingverbot im Wettkampfsport sind die gefährdete Gesundheit der Athleten, die zu schützenden Prinzipien der Fairness und der Chancengleichheit (Chancengerechtigkeit) und die Wahrung der Natürlichkeit von sportlichen Leistungen:
Der Medikamenteneinsatz zur Leistungssteigerung stellt für die Athleten ein unkalkulierbares Gesundheitsrisiko dar, das u. a. zur Medikamentenabhängigkeit, zu Störungen hormoneller Regelkreise, zu Schädigungen von Organen und auch zu Todesfällen führen kann. Das Dopingverbot soll daher die Athleten vor körperlichen Beeinträchtigungen oder erheblichen Gesundheitsschäden schützen.
Fairness und Chancengleichheit sind strukturelle Merkmale des Sports, die v. a. in der Achtung der selbst gesetzten Wettkampfregeln zum Ausdruck kommen. Diese Regeln charakterisieren die jeweilige Sportart, ordnen den Ablauf des Wettkampfs, vermitteln ein Wissen über den Weg zum Sieg und machen nicht zuletzt das Sportgeschehen für alle Beteiligten transparent und nachvollziehbar. Darüber hinaus ist eine individuelle Haltung der Fairness erforderlich, die auch unter erschwerten Bedingungen auf die Einhaltung der Regeln drängt und eigene Vorteile bzw. Nachteile der Gegner nicht unangemessen ausnutzt. Im internationalen Wettkampfsport können Fairness und Chancengleichheit nur durch wirksame Kontroll- und Sanktionsmechanismen im Kampf gegen D. erreicht werden.
Die Faszination des Sports gründet in den Leistungen, die Menschen auf der Basis ihrer natürlichen Möglichkeiten vollbringen und die durch künstliche Manipulationen des D.s in Frage gestellt werden. Medizinisch optimierte Ernährungspläne und moderne Trainingstechniken bzw. -methoden zeigen jedoch, dass die Natur der Sportler zum Kulturprodukt und die Grenzen zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit fließend geworden sind. Der Mensch ist auch im Sport „von Natur aus“ ein Kulturwesen, weshalb die Differenzierung zwischen „natürlich“ und „künstlich“ für die Begründung des Dopingverbots nicht hinreichend ist.
4. Gesellschaftliche Kontexte
D. ist nicht allein ein Problem individuellen Fehlverhaltens einzelner Athleten, Trainer, Ärzte oder Sportfunktionäre, sondern auch eine Folge der sozialen Bedingungen moderner Gesellschaften (Gesellschaft). Zuschauer, Medien, Wirtschaft und Politik stehen in einem engen Beziehungsgeflecht mit dem Leistungssport und stellen diesem vielfältige Ressourcen zur Verfügung. Soziale Aufmerksamkeit, öffentliche Kommunikation, Werbe- und Fördergelder und die Nähe zur Macht sind nicht nur Voraussetzungen des Leistungssports, sondern sie erzeugen zugleich Leistungserwartungen, denen sich die Athleten nur noch schwer entziehen können. In einer solchen „dopingerzeugenden Akteurskonstellation“ (Bette 2014: 149) kann der Griff zu leistungssteigernden Mitteln und Methoden für die Athleten zu einer Handlungsalternative werden, um sich den Anforderungen des Leistungssports und des gesellschaftlichen Umfeldes anzupassen. Für die Bekämpfung des Dopings und die Entwicklung entsprechender Strategien sind demnach neben der individuellen Verantwortung der einzelnen Athleten auch die gesellschaftlichen Kontexte des Leistungssports zu beachten.
Gleichwohl ist D.-verhalten nicht nur ein Problem des Sports, sondern generell ein Phänomen moderner Gesellschaften, die sich in weiten Bereichen an dem Paradigma der Leistungssteigerung orientieren. Unter dem Begriff human enhancement werden in diesem Zusammenhang medizinische und biotechnologische Maßnahmen diskutiert, welche die Fähigkeiten und die Gestalt des Menschen verbessern sollen.
Literatur
World Anti-Doping Agency: Welt-Anti-Doping-Code, 2015 • K.-H. Bette: Sportsoziologische Aufklärung, 2014 • C. Asmuth/C. Binkelmann (Hg.): Entgrenzung des Machbaren? Doping zwischen Recht und Moral, 2012 • C. Pawlenka: Ethik, Natur und Doping, 2010 • B. Schöne-Seifert/D. Talbot (Hg.): Enhancement, 2009 • R. Albrecht: Doping und Wettbewerb, 2008 • K.-H. Bette/U. Schimank: Die Dopingfalle, 2006 • C. Pawlenka (Hg.): Sportethik. Regeln – Fairneß – Doping, 2004.
Empfohlene Zitierweise
W. Veith: Doping, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Doping (abgerufen: 21.11.2024)