Kirchenstrafen

  1. I. Katholisch
  2. II. Evangelisch

I. Katholisch

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Die K. sind Sanktionen. Damit werden straffällig gewordene Christgläubige zurechtgewiesen. Kirchliches Buß- und Strafwesen sind historisch eng verbunden, bis zur Trennung im Hohen Mittelalter. Begründet wird die kirchliche Strafgewalt mit Mt 18,15–18, wo Vollmacht und Anweisung zum Vorgehen gegen den sündigen Bruder gegeben werden (correptio fraterna). Der CIC/1983 hebt das angeborene und eigene Recht der Kirche hervor, straffällig gewordene Gläubige durch Strafmittel zurechtzuweisen (can. 1311; Kirche als societas perfecta). Die theologische Legitimierung des Kirchenrechts betrifft auch die kirchliche Strafgewalt in den durch die Funktion des Kirchenrechts aufgestellten Grenzen. Das Kirchenrecht sollte aufgrund seiner diakonisch pastoralen Funktion dem Gläubigen helfen, in der Gemeinschaft des Volkes Gottes seinen Weg zum Heil in eigener Verantwortung und in freier Entscheidung zu gehen. Das kirchliche Strafrecht ist im CIC/1983 gekürzt worden; trotzdem ermöglicht es can. 1399, neue Tatbestände aufzustellen. Inzwischen hat sich ein umfangreiches partikulares und universalkirchliches Recht des Schutzes vor sexuellem Missbrauch entwickelt. Hier wird bes. deutlich, dass eine Straftat kirchliche und staatliche Unrechtsfolgen nach sich ziehen kann.

Straftatbestände: gegen die Religion, die Einheit der Kirche, gegen kirchliche Autoritäten und die Freiheit der Kirche, Amtsanmaßung, Amtspflichtverletzung, Fälschungsdelikt, Straftaten gegen bes. Verpflichtungen wie Verletzung des Zölibats, gegen Leben und Freiheit des Menschen, im Besonderen Abtreibung und sexueller Missbrauch. Richard Puza hat die Formulierung eines strafrechtlichen Tatbestandes „Leugnung des Holocaust“ im CIC vorgeschlagen.

Regelung der kirchlichen Strafbestimmungen: persönliche Voraussetzungen der Strafbarkeit wie Strafmündigkeit oder Schuldfähigkeit; die Strafzumessung einschließlich möglicher Strafausschließungsgründe oder Straferlass; die Strafverhängung (Strafverfahren). Es gibt Besserungs-, Beuge- und Sühnestrafen, Strafsicherungsmittel und Bußen. Beugestrafen sind die Exkommunikation, das Interdikt und die Suspension. Die Exkommunikation verbietet jeglichen kirchlichen Dienst, ohne Ausschluss aus der Kirche. Das Interdikt bewirkt eine Bestrafung der Gläubigen. Die Suspension (Dienstenthebung) ist weitgehend nur auf Kleriker anwendbar. Ziel der Sühnestrafen ist die Vergeltung einer Straftat. Strafsicherungsmittel sind die Verwarnung (monitio) und der Verweis (correptio). Bußen (poenitentiae), die im forum externum auferlegt werden (Auflagen), können auch den Strafsicherungsmitteln hinzugefügt werden. Es gibt Spruchstrafen (poenae ferendae sententiae) und Tatstrafen (poenae latae sententiae). Die Spruchstrafe wird vom zuständigen Oberen durch Strafurteil oder Strafverfügung verhängt. Die Tatstrafe tritt mit Begehung der Tat von selbst ein. Vor dem steht die Pflicht des Ordinarius dafür zu sorgen, dass der Gerichts- oder Verwaltungsweg nur dann beschritten wird, wenn weder durch mitbrüderliche Ermahnung, Verweis oder einen anderen Weg des pastoralen Bemühens ein Ärgernis hinreichend behoben werden kann (can. 1341). Persönliche Voraussetzung zum Eintritt einer Strafe ist die Verwirklichung eines strafbaren Tatbestandes und das Vorliegen einer strafrechtlich relevanten Schuld. Nur derjenige wird bestraft, der in einer schwer anrechenbaren Weise mit Vorsatz (dolus) oder aus Fahrlässigkeit (culpa) durch einen äußeren Akt ein Strafgesetz oder Strafgebot verletzt. Es gibt Strafausschließungsgründe, Strafmilderungsgründe und Strafverschärfungsgründe. Der Versuch ist strafbar. Strafklagen verjähren in drei Jahren, außer es handelt sich um Straftaten, deren Beurteilung der Glaubenskongregation vorbehalten sind, oder um Straftaten, die nicht vom allgemeinen Recht mit Strafe bedroht sind und für die das teilkirchliche Recht eine andere Verjährungsfrist festgesetzt hat. Sexueller Missbrauch verjährt nicht. Es gibt auch kirchliche Disziplinarmaßnahmen ohne Strafcharakter (wie die Amtsenthebung).

II. Evangelisch

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Für das römisch-katholische System der K. gibt es im evangelischen Kirchenrecht keine Entsprechung. Für die kirchlichen Amtsträger gelten das Disziplinarrecht und bes. Lehrverfahren. Für die Kirchenmitglieder gibt es das Verfahren der Kirchenzucht. Mit ihr werden Abweichungen von kirchlichen Normen sanktioniert. Ziele der Kirchenzucht sind die Reinhaltung der Kirche, die Besserung des Delinquenten und der Schutz der anderen vor dessen schlechtem Einfluss. Bes. Bedeutung hat sie in der reformierten Tradition, in der die Kirche nicht nur als Ort der Verkündigung, sondern auch als Heiligungsanstalt angesehen wird. Im 16. und 17. Jh. stand die Kirchenzucht in engem Zusammenhang mit staatlicher Sozialdisziplinierung. Mit dem zunehmenden Auseinandertreten staatlicher und kirchlicher Ordnung beginnend im 17., zunehmend im 18. Jh. wurde dieser Zusammenhang gelöst. Die Kirchenzucht verlor zunehmend an Bedeutung. Ansätze zur Wiederbelebung der Kirchenzucht gab es im Zusammenhang der Erweckungsbewegung im 19. Jh. und während der NS-Diktatur in der Bekennenden Kirche.

Heute wird die Kirchenzucht in Kirchenverfassungen, Kirchengemeinde- und Lebensordnungen geregelt. Sie ist für Fälle einer erkennbaren Evangeliums- und Kirchenfeindlichkeit vorgesehen. Das gängige Mittel ist der Entzug der Zulassung zum Abendmahl. Damit geht i. d. R. auch das Recht verloren, kirchliche Ämter wahrzunehmen. Zuständig sind i. d. R. die Pfarrer und Kirchenvorstände. Zuweilen ist die Beteiligung kirchenleitender Organe vorgesehen. Allerdings wird Kirchenzucht nach allgemeinem Eindruck kaum noch geübt, die Verwehrung des Abendmahls wird aus praktischen und theologischen Gründen kritisiert, und die einschlägigen Vorschriften fristen ein Schattendasein oder werden mittlerweile aufgehoben. Die Ziele der Kirchenzucht sind nicht durch K., sondern v. a. mit den Mitteln der Verkündigung und der Seelsorge zu verfolgen.