Kriegsgefangene

Der völkerrechtliche K.n-Status erfasst alle Kombattanten sowie bestimmte Gruppen von Nichtkombattanten, welche im Rahmen eines internationalen bewaffneten Konflikts in die Gewalt einer gegnerischen Streitmacht geraten. Dieses zentrale Institut des humanitären Völkerrechts wird völkervertragsrechtlich in dem „Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen“ vom 12.8.1949 (dritte Genfer Konvention [GK III]) und in dem „Zusatzprotokoll über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte“ von 1977 (ZP I) geregelt und ist völkergewohnheitsrechtlich (Gewohnheitsrecht) anerkannt. Aus dem K.n-Status ergeben sich sowohl aus dem Völkerrecht als auch aus dem innerstaatlichen deutschen Recht Rechtsfolgen, wobei sich das deutsche Recht an dem völkerrechtlichen Verständnis des Begriffs orientiert.

1. Historische Entwicklung

Als bes. prägend für das sich seit dem 19. Jh. herausbildende moderne K.n-Recht haben sich der „Lieber Code“ von 1863 (ein für die Unionstruppen im US-amerikanischen Bürgerkrieg konzipiertes internes Regelwerk), die nie in Kraft getretene Brüsseler Erklärung von 1874, die Haager Landkriegsordnung von 1907 und die Genfer Konvention von 1929 erwiesen. Bereits jenen Dokumenten lässt sich entnehmen, dass die Kriegsgefangenschaft nicht der Bestrafung dient. Vielmehr sollen die K.n lediglich von der Teilnahme an weiteren Kampfhandlungen abgehalten werden. Weiterhin geht aus ihnen hervor, dass sie der Hoheit des Gewahrsamsstaates unterstehen, welcher verpflichtet ist, die sich aus dem K.n-Status ergebenden Rechte zu achten, insb. das Recht auf eine unter allen Umständen menschliche Behandlung.

2. Der Kriegsgefangenenstatus im Völkerrecht

In der dritten Genfer Konvention wurde das K.n-Recht kodifiziert und maßgeblich weiterentwickelt. Aufgrund der Erfahrungen mit Partisanen im Zweiten Weltkrieg wurde der personelle Anwendungsbereich ausgeweitet, so dass auch irreguläre Kämpfer (Milizen, Freiwilligenkorps) unter den Voraussetzungen des Art. 4 A GK III K.n-Status erlangen können. Das ZP I von 1977 wurde vor dem Hintergrund der Dekolonialisierung vereinbart und sieht eine weitere Ausweitung des Anwendungsbereichs vor: In sachlicher Hinsicht finden gemäß Art. 1 Abs. 4 ZP I – anders als in Art. 2 GK III – die Regelungen nicht nur auf den bewaffneten Konflikt zwischen Staaten Anwendung, sondern auch auf „Konflikte, in denen Völker gegen Kolonialherrschaft und fremde Besetzung sowie gegen rassistische Regimes in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen“. Weiterhin sieht Art. 44 Abs. 3 ZP I in personeller Hinsicht niedrigere Anforderungen für die Erlangung des Status für irreguläre Kämpfer vor als Art. 4 A Abs. 2 GK III.

Die spätestens seit 1977 immer deutlicher zutage tretende Kontroverse über den personellen Anwendungsbereich der dritten Genfer Konvention insb. in sogenannten asymmetrischen Kriegen wurde nach den Terroranschlägen vom 11.9.2001 (Terrorismus) neu entfacht und dauert bis heute an. In deren Rahmen wird u. a. von Seiten der USA eine Einschränkung des K.n-Status vertreten, so z. B. für im Afghanistankrieg gefangen genommene Taliban. Abgesehen von jenen, welche eine dem Anwendungsbereich der dritten und vierten Genfer Konvention gänzlich entzogene Kategorie des unlawful enemy combatant fordern, wird eine solche Einschränkung einerseits auf eine enge Auslegung des Art. 4 A Abs. 2 GK III und andererseits auf die Anwendung der in Art. 4 A Abs. 2 GK III genannten Kriterien auch auf die in Art. 4 A Abs. 1 GK III genannten Streitkräfte gestützt.

Bestimmte Gruppen von Nichtkombattanten erhalten gemäß Art. 4 GK III ausnahmsweise ebenfalls den grundsätzlich an die Kombattanteneigenschaft geknüpften K.n-Status. Einen jenem entsprechenden Schutz genießen das Sanitäts- und Seelsorgepersonal, sowie bestimmte irreguläre Kämpfer gemäß Art. 44 Abs. 4 ZP I.

Abgesehen von der in Art. 13 GK III enthaltenen Grundregel, wonach K. „jederzeit mit Menschlichkeit behandelt werden müssen“, sieht die dritte Genfer Konvention detaillierte Regelungen für ihre Internierung vor, deren Kontrolle dem IKRK obliegt. Weiterhin regelt sie die Voraussetzungen der Freilassung, deren ungerechtfertigte Verzögerung ein Kriegsverbrechen darstellt. Bes. schwere Verletzungen der K.n-Rechte können gemäß Art. 8 des 2002 in Kraft getretenen „Römischen Statuts“ zur strafrechtlichen Belangung von Individuen wegen Kriegsverbrechen vor dem IStGH führen.

Auf den Status kann weder verzichtet noch kann dieser durch Kriegsverbrechen verwirkt werden. Im Zweifelsfall sind Personen bis zur gerichtlichen Klärung als K. zu behandeln.

Jene irregulären Kämpfer, welche die Voraussetzungen des Art. 4 A Abs. 2 GK III nicht erfüllen, können sich auf die Mindestgarantien des Art. 75 ZP I berufen. Im Recht des nicht-internationalen Konflikts existiert der K.n-Status nicht, so dass nur bestimmte Mindestgarantien des ZP II geltend gemacht werden können. Neben dem gemeinsamen Art. 3 GK können sich Personen, die nicht dem K.n-Status unterfallen, auf internationale Menschenrechte berufen, soweit diese anwendbar sind.

3. Der Kriegsgefangenenstatus im innerstaatlichen Recht

Im deutschen Verfassungsrecht steht die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz „für die Fürsorge ehemaliger Kriegsgefangener“ dem Bund gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 13 Alt. 2 GG zu, welchem u. a. das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz und das Heimkehrergesetz zuzuordnen sind. Strafrechtliche Relevanz erhält der Status durch § 8 VStGB, wonach bestimmte Handlungen gegen K. als Kriegsverbrechen vor deutschen Gerichten angeklagt werden können.