UN-Friedensmission

1. Begriff

1.1 Allgemein

Eine UN-F. ist eine durch die Vereinten Nationen zum Zweck der Wahrung oder Wiederherstellung des Friedens autorisierte und geführte Präsenz in einem oder mehreren Staaten, die aus zivilem Personal und/oder Streitkräften besteht. Während an friedenserhaltenden Missionen (peacekeeping missions) zumindest auch militärische Kräfte beteiligt sind, beschränken sich bes. politische Missionen (special political missions) auf zivile Formen des Konfliktmanagements und bestehen daher ausschließlich aus zivilem Personal.

Obwohl UN-F.en heute zu den wichtigsten Instrumenten der Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen gehören, sind sie in der UN-Charta nicht ausdrücklich geregelt. Sie haben sich vielmehr in der Praxis als Reaktion auf den Umstand entwickelt, dass das in der UN-Charta vorgesehene System der kollektiven Sicherheit angesichts der politischen Realität des Kalten Krieges nicht funktionierte.

1.2 Klassische Friedenserhaltung

Friedenserhaltende Missionen beschränken sich nach ihrer ursprünglichen Konzeption auf die Überwachung der Einhaltung von Waffenstillstands- und Truppenabzugsvereinbarungen. In dieser klassischen Ausprägung ruhen sie auf drei Grundprinzipien, die sie grundlegend von der Friedenserzwingung (peace enforcement) nach dem VII. Kap. der UN-Charta unterscheiden:

a) Ihre Stationierung erfolgt nach Ende der bewaffneten Feindseligkeiten mit Zustimmung der Konfliktparteien,

b) sie sind auf strikte Unparteilichkeit verpflichtet und

c) sie dürfen militärische Gewalt nur zur persönlichen Selbstverteidigung anwenden.

1.3 Multidimensionale Friedenserhaltung

Mit dem Konzept der multidimensionalen Friedenserhaltung haben die Vereinten Nationen auf die strategische Herausforderung reagiert, dass die Bedrohung des Weltfriedens heute zunehmend von Bürgerkriegen ausgeht. Innerstaatliche Konflikte sind regelmäßig durch volatile Situationen geprägt, in denen es noch keine zu überwachenden Friedensvereinbarungen gibt, Friedenserhaltung nach klassischem Verständnis also noch nicht greifen kann. In ihrer multidimensionalen Variante wird Friedenserhaltung daher als Oberbegriff für das gesamte Spektrum der Konfliktbewältigung von der Friedensschaffung (peacemaking) bis zur Friedenskonsolidierung (peacebuilding) verstanden. Multidimensionale Friedenserhaltung verbindet folglich militärische und zivile Aufgaben, zu deren Erfüllung neben Streitkräften auch Polizeikomponenten und andere zivile Fachkräfte in die Mission integriert werden.

Die konkreten Aufgaben multidimensionaler UN-F.en reichen von der Vermittlung zwischen den Konfliktparteien über die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im Stationierungsstaat bis zur Errichtung einer Übergangsverwaltung. Das Mandat wird jeweils auf die Besonderheiten des Konfliktes zugeschnitten; sowohl die übertragenen Aufgaben als auch die personelle Zusammensetzung der Mission variieren demnach von Fall zu Fall.

Multidimensionale UN-F.en sind heute regelmäßig mit einem „robusten“ Mandat ausgestattet, das sie ermächtigt, zum Schutz von Zivilisten und zur Absicherung der Versorgung mit humanitärer Hilfe „alle erforderlichen Mittel“, also notfalls auch militärische Gewalt anzuwenden. Jüngere Missionen sind darüber hinaus mit „proaktiven“ Mandaten betraut, die den Einsatz militärischer Mittel auch zur Unterstützung der Regierung im Kampf gegen aufständische Gruppen vorsehen.

2. Rechtlicher Rahmen

2.1 Kompetenz der Vereinten Nationen

Obwohl UN-F.en nicht ausdrücklich in der UN-Charta vorgesehen sind, besteht heute Einigkeit darüber, dass ihre Einrichtung von den Befugnissen der Vereinten Nationen erfasst ist. Angesichts der zentralen Rolle, die dem Ziel der Friedenssicherung in der UN-Charta zukommt (vgl. Art. 1 Abs. 1 UN-Charta), lässt sich die Organisationskompetenz auf den Auslegungsgrundsatz der implied powers stützen, nach dem vermutet wird, dass eine Internationale Organisation mit denjenigen Befugnissen ausgestattet ist, die für die effektive Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben erforderlich sind. Ein alternativer Begründungsansatz hebt auf entsprechendes Organisationsgewohnheitsrecht ab.

2.2 Verteilung der Organkompetenz innerhalb der Vereinten Nationen

Kraft seiner Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens (Art. 24 Abs. 1 UN-Charta) fällt die Einsetzung und Mandatierung einer UN-F. primär in die Zuständigkeit des UN-Sicherheitsrates. Er kann dabei auf die Befugnisse zurückgreifen, die ihm die UN-Charta zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens mit friedlichen Mitteln (Kap. VI) und mit Zwangsmaßnahmen (Kap. VII) übertragen hat. Solange es sich um klassische Friedenserhaltung oder eine bes. politische Mission handelt, kommt der Generalversammlung eine subsidiäre Einsetzungskompetenz zu (vgl. Art. 11 Abs. 2; 14 UN-Charta).

Die Implementierung des Mandats obliegt dem Generalsekretär. Im Auftrag des Sicherheitsrates oder der Generalversammlung (vgl. Art. 98 S. 1 UN-Charta) trägt er die Verantwortung für die Aufstellung, das Management sowie die operationelle Führung der Mission.

Die Kosten von UN-F.en gehören zu den „Ausgaben der Organisation“ (Art. 17 Abs. 2 UN-Charta) und werden daher aus Pflichtbeiträgen der Mitgliedstaaten bestritten. Die Budgetierung sowie die Festsetzung des Schlüssels für die Kostenverteilung fallen in die ausschließliche Haushaltskompetenz der Generalversammlung.

2.3 Verhältnis zum Stationierungsstaat

Vor der Stationierung einer UN-F. wird regelmäßig die Zustimmung des Gaststaates eingeholt. Obwohl bei UN-F.en, die auf einer Ermächtigung nach dem VII. Kap. der UN-Charta beruhen, eine solche Zustimmung rechtlich entbehrlich ist, halten die Vereinten Nationen auch in diesem Falle an dieser Praxis fest. Nähere Regelungen über die wechselseitigen Rechte und Pflichten werden jeweils in Statusabkommen (Status of Forces/Mission Agreements) zwischen den Vereinten Nationen und dem Stationierungsstaat getroffen. Die Vertragsstaaten des „Übereinkommens über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal“ (1994) und seines Fakultativprotokolls (2005) müssen darüber hinaus die dort normierten Pflichten zum Schutz des Missionspersonals beachten.

2.4 Verhältnis zu den Entsendestaaten der Militär- und Polizeikomponenten

Die Militär- und Polizeikomponenten der UN-F.en setzen sich aus freiwillig bereitgestellten Kontingenten der Mitgliedstaaten zusammen. Rechtlich handelt es sich um eine Organleihe, deren genaue Modalitäten in besonderen Abkommen zwischen den Vereinten Nationen und dem jeweiligen Entsendestaat festgeschrieben werden. Kraft dieser Übereinkommen wird den Vereinten Nationen die operative Befehlsgewalt und Kontrolle über die Militär- und Polizeieinheiten übertragen, während die Straf- und Disziplinargewalt jeweils beim Mitgliedstaat verbleibt. Die Vereinten Nationen üben damit regelmäßig die effektive Kontrolle über die nationalen Truppen- und Polizeikontingente der UN-F.en aus und sind deshalb für deren Handeln völkerrechtlich verantwortlich.

2.5 Menschenrechte und Humanitäres Völkerrecht

UN-F.en müssen als Organe der Vereinten Nationen die menschenrechtlichen Bindungen (Menschenrechte) beachten, denen die Organisation gemäß Art. 1 Nr. 3; 55 lit. c) UN-Charta und nach Gewohnheitsrecht unterliegt. Zudem sind UN-F.en, wenn sie mit ihren Streitkräften als Kombattanten aktiv an einem bewaffneten Konflikt beteiligt sind, an die gewohnheitsrechtlich anerkannten Normen des humanitären Völkerrechts gebunden. Sofern sie als Nichtkombattanten zu qualifizieren sind, genießen UN-F.en in bewaffneten Konflikten den Schutz, der Zivilpersonen nach humanitärem Völkerrecht gewährt wird.