Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ): Unterschied zwischen den Versionen

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Mit J.&nbsp;Haider an der Spitze präsentierte sich die FPÖ als rechtspopulistische Protestpartei, die Fehlentwicklungen des Parteienstaates, Privilegien politischer Eliten ([[Elite]]), parteipolitische Postenbesetzung und politische Korruptionsskandale ins Visier nahm und sich gezielt an parteienverdrossene Wählerschichten wandte. Standen zunächst klassische Protestthemen im Vordergrund der FPÖ-Agitation, wurde das Repertoire Anfang der 1990er um das Thema Immigration und Ausländer ({{ #staatslexikon_articlemissing: Migration | Migration }}) erweitert, was 1993 in einem von der FPÖ initiierten Ausländervolksbegehren kulminierte. In den Folgejahren instrumentalisierte J.&nbsp;Haider auch die verbreitete Skepsis gegenüber der [[Europäische Union (EU)|EU)]] und positionierte die FPÖ als Österreich-Partei, die primär die Sorgen und Ängste der von [[Globalisierung]] und Konkurrenzdruck verunsicherten Bevölkerung vertrete. Skandalträchtige Aussagen über die NS-Zeit, latent antisemitische Zwischenrufe einzelner FPÖ-Mandatsträger ([[Antisemitismus]]) und punktuelle Nähe zu rechtsextremen Netzwerken ([[Extremismus]]) umschatteten und polarisierten das Erscheinungsbild der FPÖ im In- und Ausland ohne ihre elektorale Mobilisierungsfähigkeit nachhaltig zu schwächen.
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Mit J.&nbsp;Haider an der Spitze präsentierte sich die FPÖ als rechtspopulistische Protestpartei, die Fehlentwicklungen des Parteienstaates, Privilegien politischer Eliten ([[Elite]]), parteipolitische Postenbesetzung und politische Korruptionsskandale ins Visier nahm und sich gezielt an parteienverdrossene Wählerschichten wandte. Standen zunächst klassische Protestthemen im Vordergrund der FPÖ-Agitation, wurde das Repertoire Anfang der 1990er um das Thema Immigration und Ausländer ([[Migration]]) erweitert, was 1993 in einem von der FPÖ initiierten Ausländervolksbegehren kulminierte. In den Folgejahren instrumentalisierte J.&nbsp;Haider auch die verbreitete Skepsis gegenüber der [[Europäische Union (EU)|EU)]] und positionierte die FPÖ als Österreich-Partei, die primär die Sorgen und Ängste der von [[Globalisierung]] und Konkurrenzdruck verunsicherten Bevölkerung vertrete. Skandalträchtige Aussagen über die NS-Zeit, latent antisemitische Zwischenrufe einzelner FPÖ-Mandatsträger ([[Antisemitismus]]) und punktuelle Nähe zu rechtsextremen Netzwerken ([[Extremismus]]) umschatteten und polarisierten das Erscheinungsbild der FPÖ im In- und Ausland ohne ihre elektorale Mobilisierungsfähigkeit nachhaltig zu schwächen.
 
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Version vom 4. Januar 2021, 11:08 Uhr

Die FPÖ ist eine rechtspopulistische Partei, die sich als Vertreterin des „Dritten Lagers“ – einem politischen Milieu, das sich aus den historischen Strömungen antiklerikal und antisozialistisch sowie liberal und deutschnational ableitet – nationalliberalen Ideen und Werthaltungen verpflichtet fühlt. Vorläufer der FPÖ war der 1949 als Sammelbecken ehemaliger NS-Mitläufer bzw. mit den beiden Großparteien Unzufriedenen gegründete VdU, der 1955 nach internen Konflikten zwischen Vertretern tendenziell liberaler bzw. nationaler Strömungen aufgelöst und von der nun gegründeten FPÖ absorbiert wurde.

1. Entwicklungs- und Profilierungsphasen

Das programmatische Profil der 1955 gegründeten FPÖ war im ersten Jahrzehnt ihrer Existenz schwach und vorrangig auf deutschnationale Positionen fokussiert. Sie bewegte sich isoliert am Rand des Parteienspektrums. Ab Mitte der 1960er Jahre wurde unter Bundesparteiobmann Friedrich Peter versucht, die „Ghettopartei“ FPÖ aus ihrer politischen Isolation herauszuführen. In dieser Phase der inhaltlich-strategischen Neuprofilierung entwickelten sich Gesprächskontakte zu Vertretern der beiden Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP, in denen Möglichkeiten der politischen Zusammenarbeit informell sondiert wurden.

Nach dem Verlust der absoluten Mandatsmehrheit auf Bundesebene benötigte die SPÖ einen Koalitionspartner und ging 1983 eine kleine Koalition mit der FPÖ ein. Als Juniorpartner der dominanten SPÖ waren die inhaltlichen Profilierungsmöglichkeiten der FPÖ begrenzt. Dazu kamen personelle Schwächen, eine Verschlechterung der wahlpolitischen Position und immer schärfere innerparteiliche Konflikte zwischen Vertretern liberaler und nationalkonservativer Strömungen.

Diese eskalierten im Herbst 1986 beim Innsbrucker Parteitag der FPÖ, der mit der Abwahl Norbert Stegers als Parteiobmann und der Wahl des charismatisch auftretenden Jörg Haider zum neuen FPÖ-Parteiobmann endete.

2. Die FPÖ unter Jörg Haider

Mit J. Haider an der Spitze präsentierte sich die FPÖ als rechtspopulistische Protestpartei, die Fehlentwicklungen des Parteienstaates, Privilegien politischer Eliten (Elite), parteipolitische Postenbesetzung und politische Korruptionsskandale ins Visier nahm und sich gezielt an parteienverdrossene Wählerschichten wandte. Standen zunächst klassische Protestthemen im Vordergrund der FPÖ-Agitation, wurde das Repertoire Anfang der 1990er um das Thema Immigration und Ausländer (Migration) erweitert, was 1993 in einem von der FPÖ initiierten Ausländervolksbegehren kulminierte. In den Folgejahren instrumentalisierte J. Haider auch die verbreitete Skepsis gegenüber der EU) und positionierte die FPÖ als Österreich-Partei, die primär die Sorgen und Ängste der von Globalisierung und Konkurrenzdruck verunsicherten Bevölkerung vertrete. Skandalträchtige Aussagen über die NS-Zeit, latent antisemitische Zwischenrufe einzelner FPÖ-Mandatsträger (Antisemitismus) und punktuelle Nähe zu rechtsextremen Netzwerken (Extremismus) umschatteten und polarisierten das Erscheinungsbild der FPÖ im In- und Ausland ohne ihre elektorale Mobilisierungsfähigkeit nachhaltig zu schwächen.

Bei der Nationalratswahl 1999 verwies die FPÖ mit einem Stimmenanteil von 26,9 % die &pfv;ÖVP knapp auf den dritten Platz. J. Haider bot daraufhin dem Parteiobmann der ÖVP die Position des Bundeskanzlers in einer von ÖVP und FPÖ gebildeten Koalitionsregierung an, die im Februar 2000 vereidigt wurde.

Die Übernahme von Regierungsverantwortung konfrontierte die FPÖ mit einer Reihe personeller, inhaltlicher und strategischer Probleme, die wiederum zu innerparteilichen Konflikten führten. Im Jahr 2002 eskalierten diese bei einer Parteiversammlung. Die Konsequenz waren vorgezogene Neuwahlen, die der FPÖ mit einem Verlust von zwei Dritteln ihrer Wählerschaft die schwerste Wahlniederlage ihrer Geschichte einbrachten.

Obwohl substanziell geschwächt, setzte die FPÖ die Regierungszusammenarbeit mit der ÖVP fort. Als Juniorpartner einer gestärkten ÖVP mangelte es der FPÖ an inhaltlichen Profilierungsmöglichkeiten, während sich im Hintergrund zunehmender innerparteilicher Widerstand gegen die Regierungsbeteiligung formierte, der von den nationalliberalen Flügeln der Partei artikuliert wurde. 2005 kam es zum Bruch. J. Haider gründete das BZÖ, das mit den verbliebenen regierungsloyalen Mandataren die Koalitionsregierung bis zur Nationalratswahl 2006 fortsetzte, während sich der nationalliberale Kern der FPÖ um den neuen FPÖ-Obmann Heinz Christian Strache sammelte.

Unter der Führung H. C. Straches bestimmen wieder stärker Vertreter nationalliberaler Strömungen das Erscheinungsbild der FPÖ. Neben populistischen Appellen an parteienverdrossene, mit der regierenden Großen Koalition unzufriedene Wählerschichten setzt die FPÖ vorrangig auf emotional mobilisierende Themen wie Immigration, Asylmissbrauch und Umgang mit Flüchtlingen, ergänzt durch Ansprache islamkritischer Ressentiments und der verbreiteten Unzufriedenheit mit der Politik der EU. Die Nationalratswahl 2008 brachte der FPÖ mit einem Stimmenanteil von 17,5 % erhebliche Stimmenzuwächse auf Kosten von &pfv;SPÖ und ÖVP. Trotz Konkurrenz des BZÖ und einer neugegründeten populistisch agierenden Formation (Team Stronach) erzielte die FPÖ bei der Nationalratswahl 2013 20,5 %.

3. Die Wählerschaft der FPÖ

Die FPÖ erhielt bei der Nationalratswahl 2013 rund eine Mio. Stimmen. Nur 40 000 Wähler und Wählerinnen sind auch eingetragene Mitglieder der FPÖ. Zur Wählermobilisierung stützt sich die FPÖ neben ihren Parteistrukturen auf ein Netzwerk nahestehender Verbände, Vorfeldorganisationen, Traditionsvereine, Sängerschaften und schlagende, national-freiheitliche Burschenschaften (Studentenverbindungen), die das traditionelle Kernmilieu des „Dritten Lagers“ in Österreich repräsentieren. Nur ein Drittel der FPÖ-Wählerschaft sind parteiloyale Kern- und Stammwähler. Zwei Drittel der FPÖ-Wähler sind hingegen tendenziell wechselbereite Wähler, die von der FPÖ jeweils gezielt angesprochen und mobilisiert werden müssen. Die FPÖ erreicht bei Wahlen überdurchschnittliche Stimmenanteile bei Abwanderern von der &pfv;SPÖ, Arbeitern, insb. bei jüngeren Facharbeitern, bei Männern, bei Angehörigen der unteren Bildungsniveaus, bei der jüngeren Wählergeneration sowie unter der Leserschaft der in Österreich bes. einflussreichen Boulevard- und Gratispresse (Presse). Neben der wachsenden Unzufriedenheit mit der Politik und dem Erscheinungsbild der Großen Koalition spielen soziale Abstiegs- und Verdrängungsängste, alltagskulturelle Irritationen durch migrationsbedingte Veränderungen traditioneller Umwelten, Xenophobie, subjektive Ohnmachtsgefühle, EU-Skepsis, Ängste vor einem Identitätsverlust wie generalisierte Protesthaltungen eine bedeutsame Rolle, die von der FPÖ gezielt angesprochen und verstärkt werden.

Im &pfv;Europäischen Parlament hat sich die FPÖ 2015 einer neu gegründeten Fraktion angeschlossen, die sich aus EU-Gegnern unter der Führung des französischen FN von Parteichefin Marine Le Pen gebildet hat. Ihr gehören neben der FPÖ die italienische Lega Nord, die belgische Nationalpartei Vlaams Belang und die Anti-Islam-Bewegung PVV des Niederländers Geert Wilders an. Der Beitritt zu dieser Fraktion ist auch ein Indikator für die programmatische Selbstpositionierung der FPÖ in der europäischen Parteienlandschaft.