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− | B. ist ein Kunstbegriff, der aus der Kurzform von <I>biological diversity</I> entwickelt wurde. Er wurde in den 1980er Jahren von namhaften Biologen bewusst aus politisch-strategischen Erwägungen geprägt, um auf den weltweiten Artenschwund, die massive Zerstörung und Umwandlung von Lebensräumen – wie das großflächige Abholzen der Regenwälder – sowie den rapiden Verlust an genetischer Vielfalt bei Nutzpflanzen und -tieren aufmerksam zu machen. Ein erster Meilenstein war zunächst das <I>National Forum on BioDiversity</I>, das 1986 in den USA von den renommierten <I>Smithsonian Institute</I> und der <I>National Academy of Science</I> finanziert wurde. Weitere Verbreitung fanden die Ergebnisse dieses Forums wie auch der Begriff in dem 1988 von Edward Osborne Wilson publizierten Buch „Biodiversity“. Dass man mit dem Begriff und der damit einsetzenden Bewusstseinsbildung einen Stein ins Rollen gebracht hatte, zeigte sich darin, das bereits 1990 auf UN-Ebene formelle Verhandlungen über eine CBD begannen, die 1992 auf der UNCED in Rio de Janeiro verabschiedet wurde. Das urspr. aus der Biologie kommende Konzept wurde dabei in einen breiteren Kontext der Nachhaltigkeitsdebatte ( | + | B. ist ein Kunstbegriff, der aus der Kurzform von <I>biological diversity</I> entwickelt wurde. Er wurde in den 1980er Jahren von namhaften Biologen bewusst aus politisch-strategischen Erwägungen geprägt, um auf den weltweiten Artenschwund, die massive Zerstörung und Umwandlung von Lebensräumen – wie das großflächige Abholzen der Regenwälder – sowie den rapiden Verlust an genetischer Vielfalt bei Nutzpflanzen und -tieren aufmerksam zu machen. Ein erster Meilenstein war zunächst das <I>National Forum on BioDiversity</I>, das 1986 in den USA von den renommierten <I>Smithsonian Institute</I> und der <I>National Academy of Science</I> finanziert wurde. Weitere Verbreitung fanden die Ergebnisse dieses Forums wie auch der Begriff in dem 1988 von Edward Osborne Wilson publizierten Buch „Biodiversity“. Dass man mit dem Begriff und der damit einsetzenden Bewusstseinsbildung einen Stein ins Rollen gebracht hatte, zeigte sich darin, das bereits 1990 auf UN-Ebene formelle Verhandlungen über eine CBD begannen, die 1992 auf der UNCED in Rio de Janeiro verabschiedet wurde. Das urspr. aus der Biologie kommende Konzept wurde dabei in einen breiteren Kontext der Nachhaltigkeitsdebatte ([[Nachhaltigkeit]]) gestellt. Denn die CBD bestimmt neben der Erhaltung der biologischen Vielfalt auch deren nachhaltige Nutzung sowie die gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich aus der wirtschaftlichen Nutzung der genetischen Ressourcen ergeben als drei gleichrangige und miteinander verknüpfte Ziele. Damit geht die Konvention weit über „klassische“ Naturschutzansätze hinaus und gehört aufgrund ihrer Zielsetzung und ihres Geltungsbereichs zu den umfassendsten globalen Übereinkommen im Bereich der Naturschutz- und [[Entwicklungspolitik]]. |
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Version vom 15. August 2021, 11:41 Uhr
1. Definition
Der Begriff B. oder biologische Vielfalt steht als Sammelbegriff für die Vielfalt des Lebens auf der Erde und beinhaltet die Variabilität aller lebenden Organismen und der Komplexe, zu denen sie gehören. B. umfasst dabei drei Ebenen: die Vielfalt der Ökosysteme (dazu gehören Lebensgemeinschaften, Lebensräume und Landschaften), die Artenvielfalt und die genetische Vielfalt innerhalb der Arten. Darüber hinaus wird als vierte Ebene des Öfteren noch die funktionale B. unterschieden, d. h. die Vielfalt der Prozesse, die durch die Interaktionen der Mitglieder einer Gemeinschaft bestimmt sind (wie etwa Konkurrenz, Räuber-Beute-Beziehungen oder Symbiosen).
2. Von der Entstehung des Begriffs zur Konvention über die biologische Vielfalt
B. ist ein Kunstbegriff, der aus der Kurzform von biological diversity entwickelt wurde. Er wurde in den 1980er Jahren von namhaften Biologen bewusst aus politisch-strategischen Erwägungen geprägt, um auf den weltweiten Artenschwund, die massive Zerstörung und Umwandlung von Lebensräumen – wie das großflächige Abholzen der Regenwälder – sowie den rapiden Verlust an genetischer Vielfalt bei Nutzpflanzen und -tieren aufmerksam zu machen. Ein erster Meilenstein war zunächst das National Forum on BioDiversity, das 1986 in den USA von den renommierten Smithsonian Institute und der National Academy of Science finanziert wurde. Weitere Verbreitung fanden die Ergebnisse dieses Forums wie auch der Begriff in dem 1988 von Edward Osborne Wilson publizierten Buch „Biodiversity“. Dass man mit dem Begriff und der damit einsetzenden Bewusstseinsbildung einen Stein ins Rollen gebracht hatte, zeigte sich darin, das bereits 1990 auf UN-Ebene formelle Verhandlungen über eine CBD begannen, die 1992 auf der UNCED in Rio de Janeiro verabschiedet wurde. Das urspr. aus der Biologie kommende Konzept wurde dabei in einen breiteren Kontext der Nachhaltigkeitsdebatte (Nachhaltigkeit) gestellt. Denn die CBD bestimmt neben der Erhaltung der biologischen Vielfalt auch deren nachhaltige Nutzung sowie die gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich aus der wirtschaftlichen Nutzung der genetischen Ressourcen ergeben als drei gleichrangige und miteinander verknüpfte Ziele. Damit geht die Konvention weit über „klassische“ Naturschutzansätze hinaus und gehört aufgrund ihrer Zielsetzung und ihres Geltungsbereichs zu den umfassendsten globalen Übereinkommen im Bereich der Naturschutz- und Entwicklungspolitik.
Dies spiegelt sich auch im sog.en „ökosystemaren Ansatz“ der CBD wider, bei dem es um sehr viel mehr geht als um eine reine Ökosystemperspektive im naturwissenschaftlichen Sinne. Bei diesem Ansatz, der im Mai 2000 auf der fünften Vertragsstaatenkonferenz in Nairobi verabschiedet wurde, handelt es sich um eine Reihe von Managementprinzipien und Handlungsanweisungen, die unter Einbeziehung kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Gesichtspunkte auf zusammenhängende Ökosysteme und deren nachhaltige Nutzung und Entwicklung Bezug nehmen. Aktuell sind weltweit 195 Staaten, darunter auch Deutschland, sowie die EU der CBD beigetreten. Die Konvention stellt heute den zentralen völkerrechtlichen Pakt zur Erhaltung der biologischen Vielfalt dar.
3. Biodiversität als politischer und gesellschaftlicher Mainstreamingbegriff
Um diesen weit gefassten Anspruch umzusetzen, erweist sich B. als ein Konzept, das in zahlreiche gesellschaftliche und politische Bereiche wie etwa der Land- und Forstwirtschaft bzw. der verschiedenen Landnutzungen, der Siedlungs- und Verkehrsentwicklung oder der Entwicklungspolitik hinein strahlt. Dies spiegelt sich auch in der im November 2007 von der deutschen Bundesregierung verabschiedeten nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt wieder. Mit ihr wird eine Vorgabe aus der B.s-Konvention erfüllt, die alle Vertragsstaaten zur Aufstellung von derartigen B.s-Strategien als nationalen Umsetzungskonzepten verpflichtet. Die nationale Strategie umfasst 330 Ziele und über 430 einzelne Maßnahmen und ist dabei erklärtermaßen querschnittsorientiert angelegt, indem verschiedene gesellschaftliche Akteure und Politikbereiche angesprochen werden.
Aus wissenschaftlicher Perspektive ist festzuhalten, dass dem Begriff „B.“ keine wissenschaftliche Theorie oder ein in sich konsistentes Konzept zugrunde liegen. Sondern er wurde bewusst geformt, um das Anliegen des Erhalts der Vielfalt des Lebens plastisch zu machen und in der öffentlichen Diskussion zu befördern. In der Sprache der Wissenschaftstheorie bildet er dabei ein boundary object, ein Grenzobjekt, das in der Naturschutzdiskussion (Naturschutz) eine wichtige vermittelnde Position zwischen Naturschützern und -nützern, Anthropozentrikern und Biozentrikern einnimmt und letztlich zwischen Mensch bzw. Gesellschaft, Natur und Kultur vermittelt.
4. Ethische Aspekte
Die meisten Debatten über den Schutz der B. sind, oft unbewusst, von ethischen Aspekten mit durchdrungen. Denn der Begriff B. wird oft normativ gebraucht bzw. beinhaltet im täglichen Sprachgebrauch auch normative Aspekte. Da Vielfalt (in verschiedenen Lebensbereichen) positiv konnotiert ist, verbindet sich B. im Sprachgebrauch oft direkt mit dem Imperativ, dass diese Vielfalt zu erhalten sei. Der Schutz der B. wird häufig als wertvolles Handlungsziel vorausgesetzt, kann aber unter philosophisch-ethischen Gesichtspunkten hinterfragt werden.
Gegenstand ethischer Debatten um B. (Bioethik) ist insb. die Frage, welcher Wert (bzw. Eigenwert) der Natur beigemessen werden kann und wie menschliches Verhalten zur nicht-menschlichen Natur begründet werden kann. So erkennt die Präambel der Konvention über die biologische Vielfalt prinzipiell einen intrinsischen Wert der biologischen Vielfalt an, einen Wert also „an sich“, unabhängig von menschlichen Nutzungsinteressen. Allerdings benennt und würdigt die Konvention auch die unterschiedlichen Werte, die B. für den Menschen hat (etwa genetische, soziale, ökonomische, wissenschaftliche, erzieherische und kulturelle Werte). Sie benennt es (gleichfalls in der Präambel) als Anliegen „die biologische Vielfalt zum Nutzen heutiger und künftiger Generationen zu bewahren und nachhaltig zu nutzen“, dem ethischen Prinzip der Verantwortung folgend was zugl. eine anthropozentrische Position beinhaltet.
Die moralische Debatte im Feld der B. bezieht sich v. a. auf den Gegenstand des Schutzanspruchs. Insoweit setzt der Schutz der B. den Erhalt alter Lebensformen in ihrer gesamten Vielfalt voraus und ist damit vom Grundsatz her statisch angelegt. Daran knüpfen sich Fragen, in welchem Verhältnis dieser statische Ansatz zur der Natur eigenen Dynamik und Veränderung steht wie auch Kritik, dass der B.s-Ansatz diese dynamischen Aspekte wie auch die physischen Komponenten der Natur vernachlässige.
Daneben steht B. auch unter starken Bezügen zur Gerechtigkeitsdebatte (Gerechtigkeit): Durch den geforderten gerechten Ausgleich von Vorteilen, die durch den Handel mit genetischen Ressourcen erzielt werden sollen, wurde das Thema der Verteilungsgerechtigkeit in der internationalen Debatte stark befördert. Das völkerrechtliche Instrument, um den Zugang zu genetischen Ressourcen und den ausgewogenen Ausgleich der daraus erzielten Vorteile zu gewährleisten, stellt das im Oktober 2010 verabschiedete, 2014 in Kraft getretene und von den Vertragsstaaten national umzusetzende „Nagoya-Protokoll“ dar.
Literatur
B. Jessel: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt und sein Einfluss auf die Naturschutzpolitik, in: GAIA 21/1 (2012), 22–27 • W. Haber: Biological Diversity – a concept going astray?, in: GAIA 17/S1 (2008), 91–96 • Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt, 2007 • R. Piechocki u. a.: Vilmer Thesen zur Biodiversität, in: Natur und Landschaft 78/1 (2003), 30–32 • U. Eser: Die Grenze zwischen Wissenschaft und Gesellschaft neu definieren, in: Deutsche Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie (Hg.): Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie, Bd. 7, 2001, 135–152 • D. Takacs: The Idea of Biodiversity, 1996 • E. O. Wilson: Biodiversity, 1988.
Empfohlene Zitierweise
B. Jessel: Biodiversität, Version 22.10.2019, 17:30 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Biodiversit%C3%A4t (abgerufen: 24.11.2024)