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Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:10 Uhr
1. Ökonomische und rechtliche Charakterisierung von Leasing
Unter L. wird die vertraglich geregelte, zeitlich befristete Nutzungsüberlassung von beweglichen oder standortgebundenen Wirtschaftsgütern gegen Entgelt verstanden. L. ist stets mit einer Aufspaltung der Eigentumsrechte (property rights) verbunden. Während der L.-Nehmer das Recht hat, den L.-Gegenstand zu nutzen und die durch die Nutzung entstehenden Vorteile zu behalten, verbleibt das Recht zur Veränderung und zur Veräußerung des Objektes beim L.-Geber als juristischem Eigentümer.
Gesetzlich ist L. in Deutschland als eigenständige Vertragsart nicht geregelt, sondern wird als atypischer Mietvertrag klassifiziert. Wesentliche Unterschiede zu einem typischen Mietvertrag bestehen darin, dass der L.-Nehmer die Sach- und Preisgefahr trägt, dass es dem L.-Nehmer obliegt, das Objekt zu warten und zu versichern und dass der L.-Geber die Gewährleistungsansprüche an den L.-Nehmer abtritt.
L.-Verträge können aus zwei unterschiedlichen Motiven abgeschlossen werden. Zum einen kann L. eine Alternative zum Kreditkauf sein. In diesem Fall spricht man von einem Finanzierungs-L. Typisch ist, dass die unkündbare Grundmietzeit den überwiegenden Teil der Nutzungsdauer des Objekts ausmacht und dass die L.-Raten, die während der Grundmietzeit zu zahlen sind, das L.-Objekt weitgehend amortisieren. Der L.-Nehmer trägt somit ganz überwiegend das Investitionsrisiko. Zum anderen kann L. auch dazu dienen, vorübergehende Kapazitätsengpässe auszugleichen. In diesem Fall spricht man von Operate L. Operate L.-Verträge haben typischerweise eine kurze oder gar keine unkündbare Grundmietzeit.
2. Bedeutung des Leasings und Leasingmärkte
L. wird in Deutschland seit Anfang der 1960er Jahre genutzt. Aus bescheidenen Anfängen hat sich L. zu einem bedeutenden Finanzierungsinstrument entwickelt, das v. a. von kleinen und mittelständischen Unternehmen genutzt wird. Nach Angaben des „Bundesverbandes Deutscher Leasing-Unternehmen“ betrug das Neugeschäftsvolumen 2016 56,8 Mrd. Euro, der Löwenanteil davon entfiel auf das Mobilien-L. Deutschland ist nach dem Vereinigten Königreich der größte L.-Markt in Europa. Inzwischen hat in Deutschland der Anteil von L. an der Investitionsfinanzierung den Anteil der Kreditfinanzierung überholt.
L.-Anbieter kann man hinsichtlich des Eigentümerhintergrundes drei Gruppen zuordnen: Zahlreiche Hersteller haben L.-Gesellschaften als Tochterunternehmen gegründet, um damit den Absatz ihrer Produkte zu fördern. Daneben gibt es bankennahe L.-Gesellschaften. Hier besteht das Motiv darin, L. als Finanzierungsalternative zum Kredit anbieten zu können, wobei die L.-Gesellschaft die verbundene Bank zur eigenen Refinanzierung nutzen kann. Die dritte Gruppe bilden die unabhängigen L.-Gesellschaften, die weder einen Bankenhintergrund haben, noch mit einem Hersteller verbunden sind. Der Marktanteil der herstellernahen L.-Gesellschaften betrug 2016 58 %, der Anteil der bankennahen L.-Gesellschaften lag bei 32 % und die restlichen 10 % entfielen auf die zahlenmäßig größte Gruppe der unabhängigen L.-Gesellschaften.
Für das L. eignen sich v. a. solche Wirtschaftsgüter, die wertbeständig und marktgängig sind, weil sie auch von Dritten nutzbar sind. Knapp drei Viertel des L.-Marktes entfällt auf das Fahrzeug-L. (PKW und Nutzfahrzeuge), weiterhin bedeutsam ist das L. von Produktionsmaschinen sowie Büromaschinen und IT-Ausstattung. Auf diese Objektgruppen entfallen 11 % bzw. 7 % des L.-Marktes.
3. Bilanzierung von Leasingverhältnissen
Als ein wichtiges Motiv für L. wird häufig genannt, dass L.-Verhältnisse bei entsprechender Vertragsgestaltung bilanzunwirksam sind, d. h. anders als beim Kreditkauf wird weder ein Wirtschaftsgut aktiviert noch eine Verbindlichkeit passiviert. Dies lässt wichtige Bilanzkennzahlen wie z. B. den Verschuldungsgrad oder die Gesamtkapitalrentabilität günstiger erscheinen, verbessert die Bonitätsbeurteilung und erleichtert damit die Kreditaufnahmemöglichkeiten.
In Deutschland richtet sich die Bilanzierung von L.-Verhältnissen nach den die steuerliche Zurechnung regelnden Erlassen des Bundesfinanzministeriums. Demnach ist bei Finanzierungsleasingverträgen das Wirtschaftsgut immer dann beim L.-Geber und nicht beim L.-Nehmer zu bilanzieren, wenn die Vertragslaufzeit zwischen 40 % und 90 % der steuerlichen Abschreibungsdauer liegt und sichergestellt ist, dass der L.-Geber zumindest noch in einem gewissen Umfang an den Chancen oder Risiken, die mit dem L.-Objekt verbunden sind, partizipiert. Lediglich dann, wenn davon auszugehen ist, dass der L.-Geber von der Einwirkung auf das L.-Objekt dauerhaft ausgeschlossen bleibt oder aber die Chancen und Risiken, die mit der Beschaffung des Wirtschaftsgutes verbunden sind, nahezu vollständig auf den L.-Nehmer überwälzt werden, wird der L.-Nehmer als wirtschaftlicher Eigentümer angesehen und muss das L.-Objekt bilanzieren. Bei knapp 90 % der L.-Verträge, die nach deutschem Handelsrecht bilanziert werden, wird das L.-Objekt beim L.-Geber aktiviert.
Die IFRS setzen zwar etwas strengere Anforderungen an die Zurechnung des L.-Objekts zum L.-Geber, dennoch ist auch hier zu beobachten, dass L.-Objekte in der Mehrzahl der Fälle nicht beim L.-Nehmer bilanziert werden. Der IASB sah hierin einen gravierenden Mangel des L.-Standards IAS 17 und hat einen neuen Standard zur L.-Bilanzierung (IFRS 16) entwickelt. Der neue Standard sieht vor, dass grundsätzlich alle L.-Verhältnisse beim L.-Nehmer bilanziert werden. Aktiviert wird allerdings nicht das L.-Objekt, sondern das Nutzungsrecht am L.-Objekt. Dieses Nutzungsrecht wird zunächst mit dem Barwert der zu zahlenden L.-Raten angesetzt und dann über die Laufzeit des Vertrags linear abgeschrieben. Auf der Passivseite der Bilanz wird der Barwert der L.-Zahlungen als Verbindlichkeit angesetzt und über die Laufzeit planmäßig aufgelöst. Ausnahmen von der Bilanzierungspflicht wird es künftig nur noch für kurzlaufende L.-Verhältnisse (bis zu einem Jahr) sowie für geringwertige Wirtschaftsgüter (bis ca. 5 000 US-Dollar) geben.
Inwieweit die Bilanzunwirksamkeit von L. ein Motiv ist, L. der Kreditfinanzierung vorzuziehen, ist umstritten. Es gibt einige empirische Belege dafür, dass L.-Verträge mit Einführung der Bilanzierungsstandards in anderer Weise gestaltet wurden, um den Off-Balance-Sheet-Charakter zu erhalten. Es gibt allerdings keine empirischen Belege dafür, dass sich Bilanzleser systematisch täuschen lassen. So werden z. B. externe Ratings durch die Art der Bilanzierung nicht beeinflusst.
4. Leasing und Steuern
L. wird häufig im Zusammenhang mit der Nutzung von Steuervorteilen genannt. Die L.-Rate mindert als Betriebsausgabe die Bemessungsgrundlage der vom L.-Nehmer zu entrichtenden Gewinnsteuer, dafür entfallen im Vergleich zur Kreditfinanzierung Zinsen und Abschreibungen auf das Objekt als abzugsfähige Ausgaben. Statt dessen schreibt der L.-Geber das Objekt ab. Da der Gesamtaufwand aus Zinsen und Abschreibung zu Beginn des L.-Verhältnisses höher ist als die L.-Rate, können durch L. Steuerersparnisse vom L.-Nehmer auf den L.-Geber verlagert werden. Dies ist dann vorteilhaft, wenn der effektive Steuersatz des L.-Nehmers geringer ist als der des L.-Gebers. Bei Anwendung des deutschen Steuerrechts ist noch zu beachten, dass Fremdkapitalzinsen zu einem Viertel dem Gewerbeertrag zugerechnet werden und der Gewerbesteuer unterliegen. Bei L. werden 20 % der L.-Raten pauschal als Zinsanteil zu einem Viertel dem Gewerbeertrag zugerechnet. Insgesamt sind die Möglichkeiten, durch L. Steuerersparnisse zu erzielen, sehr begrenzt.
5. Leasing und Unvollkommenheiten auf Güter- und Finanzmärkten
Durch L. können Unvollkommenheiten auf den Gütermärkten reduziert werden, indem die Beschaffungsvorteile des L.-Gebers und dessen höhere Kompetenz in der Verwertung gebrauchter Wirtschaftsgüter genutzt werden. Darüber hinaus ermöglicht es L., die Folgen von Informationsasymmetrien zu überwinden. So kann man zeigen, dass durch L. die Qualitätsunsicherheit für gebrauchte Fahrzeuge (Lemons Problem) verringert werden kann. Das Finanzierungsbeziehungen typischerweise inhärente Moral Hazard Problem (Moralisches Risiko) kann durch L. gemildert werden. Der L.-Geber kann als rechtlicher Eigentümer das L.-Objekt kurzfristig in Besitz nehmen und verwerten, wenn der L.-Nehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Der L.-Nehmer wird daher auch in schwierigen Situationen die L.-Raten noch solange zahlen, wie er die Chance sieht, sein Unternehmen fortzuführen. Die bessere rechtliche Stellung des L.-Gebers im Vergleich zum Kreditgeber wiederum ermöglich das Zustandekommen von L.-Verhältnissen in Situationen, in denen eine Kreditfinanzierung wegen zu hoher Risiken ausscheidet. L. erweitert somit den Finanzierungsspielraum von Unternehmen. Dies konnte auch empirisch nachgewiesen werden.
6. Künftige Entwicklung des Leasings
Zu erwarten ist, dass L. auch in der Zukunft eine wichtige Rolle im Finanzierungsmix der Unternehmen spielen wird. An Bedeutung gewinnen wird die Anreicherung der reinen Finanzierungsfunktion um weitere Servicekomponenten rund um das L.-Objekt. L. verwandelt sich somit von einem reinen Finanzierungsinstrument zu einem Produkt, bei dem der L.-Geber eine komplette Problemlösung anbietet.
Literatur
H. Fittler/M. Mudersbach (Hg.): Leasing-Hdb., 2012 • T. Chemmanur/Y. Jiao/A. Yan: A theory of contractual provisions in leasing, in: Journal of Financial Intermediation 19/1 (2010), 116–142 • A. L. Eisfeldt/A. A. Rampini: Leasing, Ability to Repossess, and Debt Capacity, in: Rev. Financ. Stud. 22/4 (2009), 1621–1657 • A. Yan: Leasing and Debt Financing: Substitutes or Complements?, in: JFQA 41/3 (2006), 709–731 • J. P. Johnson/M. Waldman: Leasing, lemons and buybacks, in: RAND JE 34/2 (2003), 247–265 • I. Hendel/A. Lizzeri: The Role of Leasing under Adverse Selection, in: JPE 110/1 (2002), 113–143 • S. A. Sharpe/H. H. Nguyen: Capital market imperfections and the incentive to lease, in: JFE 39/2–3 (1995), 271–294 • T. J. Finucane: Some empirical evidence on the use of financial leases, in: JFR 11/4 (1988), 321–333 • C. W. Smith/L. M. Wakeman: Determinants of Corporate Leasing Policy, in: JF 40/3 (1985), 895–908 • J. Ang/P. Petersen: The Leasing Puzzle, in: JF 39/4 (1984), 1055–1065 • S. C. Myers/D. A. Dill/A. J. Bautista: Valuation of Financial Lease Contracts, in: JF 31/3 (1976), 799–819 • Bundesministerum der Finanzen: Teilamortisations-Erlaß, 1975 • L. D. Schall: The Lease-Or-Buy and Asset Acquisition Decisions, in: JF 29/4 (1974), 1203–1214 • Bundesministerium der Finanzen: Mobilien-Leasing-Erlaß, 1971.
Empfohlene Zitierweise
T. Hartmann-Wendels: Leasing, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Leasing (abgerufen: 23.11.2024)