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Aktuelle Version vom 14. November 2022, 05:53 Uhr
Als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007–2009 (Finanzmarktkrise, Eurokrise) wurde in Europa eine B. eingeführt. Sie soll die Aufsicht über die Banken in den teilnehmenden Staaten vereinheitlichen und verbessern, die Finanzstabilität im Euro-Raum erhöhen und die enge Verknüpfung der Verschuldung von Finanzsektor und Staaten (Staat, Staatsverschuldung, Staatsschuldenkrise) durch einheitliche Verfahren zur Abwicklung von Banken lockern. Die Europäische B. umfasst eine einheitliche Bankenaufsicht (Single Supervisory Mechanism, SSM), einen einheitlichen Restrukturierungs- und Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) sowie ein gemeinsames System der Einlagensicherung (Deposit Guarantee Scheme, DGS). An der B. nehmen alle Euro-Länder teil. Den sonstigen EU-Ländern steht es offen, freiwillig beizutreten.
Der SSM, der seit Ende 2014 existiert, überträgt der EZB die Rolle der zentralen Aufsichtsbehörde von Finanzinstituten der teilnehmenden Länder. Vor dem Start mussten sich alle betroffenen Banken einer umfassenden Prüfung (Comprehensive Assessment) unterziehen. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass vor Beginn des SSM die Risiken und Altlasten der Banken bekannt sind. Die Altlasten sind unter nationaler Verantwortung zu bereinigen. Die EZB beaufsichtigt direkt die größten (systemrelevanten) Banken, während die nationalen Aufseher die Aufsicht über die übrigen Banken ausüben. Bei letzteren hat die EZB nur eine Überwachungs-und Koordinationsfunktion. Sie kann allerdings die direkte Aufsicht übernehmen, wenn sie dies zur Sicherstellung einheitlicher Aufsichtsstandards als nötig erachtet. Kriterien für die Feststellung der Systemrelevanz sind: über 30 Mrd. Euro Bilanzsumme, über 20 % des BIP des Mitgliedsstaates oder mindestens die drittgrößte Bank des Landes. Dazu gehören ca. 120 Banken, die 4/5 der gesamten Bankbilanzsumme der SSM-Länder ausmachen. Unter die direkte Aufsicht der EZB fallen zudem diejenigen Institute, für die eine direkte öffentliche finanzielle Unterstützung durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus beantragt oder entgegengenommen wurde.
Die Hauptaufgabe der EZB und der nationalen Aufseher, welche in einem integrierten System zusammen arbeiten, ist es, sicherzustellen, dass die Bankenvorschriften eingehalten und mögliche Schwierigkeiten frühestmöglich erkannt und behandelt werden. Der SSM wird von einem Aufsichtsgremium geleitet. Nach EU-Primärrecht ist allerdings der EZB-Rat oberstes Entscheidungsgremium der EZB, sodass das Aufsichtsgremium keine eigenen beschlussfassenden Befugnisse hat. Es legt dem EZB-Rat seine Entscheidungsentwürfe für Aufsichtsmaßnahmen lediglich vor, die als angenommen gelten, wenn der EZB-Rat dem Entwurf nicht widerspricht. Durch diese letztinstanzliche Entscheidung des EZB-Rats können sich Konflikte mit dem geldpolitischen Mandat ergeben. Eine Schlichtungsstelle soll mögliche Meinungsverschiedenheiten zwischen EZB-Rat, Aufsichtsgremium und nationalen Aufsichtsbehörden beilegen.
Der SRM, der voll umfänglich seit Anfang 2016 besteht, ist das Element der B., das für die Sanierung und Abwicklung von Finanzinstituten zuständig ist. Er findet auf dieselben Banken Anwendung, die vom SSM erfasst sind. In Fällen, in denen trotz verstärkter Aufsicht eine Bank in eine ernsthafte Schieflage gerät, erlaubt der SRM eine geordnete Abwicklung unter minimaler Belastung der Steuerzahler und der Realwirtschaft. Zuallererst sollen die Eigentümer und Gläubiger der Bank herangezogen werden (bail-in). Dadurch soll dem Prinzip der Haftung für eigene Verluste Geltung verschafft werden. Der SRM ist eine zwingende und notwendige Ergänzung des SSM.
Der SRM umfasst ein Abwicklungsgremium (Single Resolution Board) und einen europäischen Abwicklungsfonds. Entschließt sich das Gremium, ein Institut abzuwickeln, können die Europäische Kommission und der Rat der EU (Europäischer Rat) das Konzept binnen 24 Stunden ablehnen. Ansonsten wird die Abwicklung eingeleitet. Der SRM wird durch einen Einheitlichen Abwicklungsfonds für Banken (Single Bank Resolution Fund) auf nationaler Ebene ergänzt, der die für eine Abwicklung benötigten finanziellen Mittel über Beiträge des Bankensektors bereitstellen soll, wenn Eigentümer- und Gläubigermittel nicht ausreichen. Öffentliche Mittel sollen erst eingesetzt werden, wenn die Mittel des Fonds nicht ausreichen. Die Beitragsberechnung ist so auszugestalten, dass der Zielwert von 1 % der gesetzlich geschützten Einlagen im jeweiligen Mitgliedstaat bis Anfang 2024 erreicht ist. Stand Ende 2015 wären das etwa 60 Mrd. Euro. Für Deutschland würde das bis dahin bei einer geschätzten Höhe von ca. 2 Billionen Euro an geschützten Einlagen ein jährliches Beitragsvolumen von 2 Mrd. Euro bedeuten. Alternativ besteht auch die Möglichkeit, dass die Beiträge direkt in den Staatshaushalt eingehen. Der Mitgliedstaat ist dann verpflichtet, seiner Abwicklungsbehörde im Bedarfsfall auf deren Ersuchen einen entsprechenden Betrag unverzüglich zur Verfügung zu stellen. Diese Regelung ist als problematisch einzustufen, da die Gefahr besteht, dass die Mittel für abwicklungsfremde Zwecke verwendet werden und im Bedarfsfall nicht (ausreichend) zur Verfügung stehen. Im Zeitablauf erfolgt sukzessive ein Rückgang der nationalen und eine Ausweitung der europäischen Haftung.
Der SRM sieht sich einer juristischen und einer ökonomischen Herausforderung gegenüber. Erstere besteht darin, dass die derzeitigen europäischen Verträge eine B. nicht vorsehen. Die Rechtsgrundlagen für eine europäische Abwicklungsbehörde mit umfassenden Entscheidungsbefugnissen müssen also erst noch geschaffen werden. Die ökonomische Herausforderung beinhaltet, dass einer vergemeinschafteten Bankenabwicklung Politikbereiche gegenüberstehen, die unter nationaler Kontrolle stehen (z. B. die Finanz- und Steuerpolitik; Finanzpolitik) und gravierende Auswirkungen auf das Bankensystem haben können. Durch die bisher noch vorherrschende Privilegierung von Staatsanleihen bei der Bankenregulierung (z. B. fehlende Großkreditgrenzen, keine risikogemäße Eigenkapitalunterlegung) werden die Folgen von Staatsinsolvenzen auf Banken zudem nicht abgemildert.
Das DGS, die dritte Säule der B., würde alle Einlagen bis zu 100 000 Euro pro Kunde bei Banken im Euro-Währungsgebiet (EWWU) absichern. Dies ist in Deutschland bereits heute der Fall. Fortan würden das nationale und das europäische Einlagensicherungssystem einspringen. Nach Vollendung des DGS (geplant ab 2024), würde die Sicherung von Einlagen vollständig auf europäischer Ebene erfolgen. Es soll Einlagen in der gesamten Eurozone gleichermaßen sichern, unabhängig davon, wo die Bank ihren Sitz hat. Die Schaffung einer gemeinsamen Einlagensicherung ist bis auf weiteres vertagt. Stattdessen wird zunächst an der Harmonisierung der nationalen Einlagensicherungssysteme auf dem oben genannten Niveau gearbeitet.
Literatur
Deutsche Bundesbank: Die neuen europäischen Regeln zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten, in: Deutsche Bundesbank (Hg.): Monatsbericht Juni 2014, 31–57 • Deutsche Bundesbank: Fortschritte auf dem Weg zur europäischen Bankenunion, in: Deutsche Bundesbank (Hg.): Geschäftsbericht 2013, 23–41.
Empfohlene Zitierweise
F. Seitz: Bankenunion, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Bankenunion (abgerufen: 23.11.2024)