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− | Theoretische Innovationen, die sich v. a. auch der Analyse des F.s und seiner Beziehung zur Gesellschaft widmeten, kamen vom Rande bzw. von außerhalb der Disziplin. Der Einfluss der Ideen von Louis Althusser und Jacques Lacan nach 1968 führte in Großbritannien zur Herausbildung der <I>Screen</I>-Theorie. Ihre Vertreter versuchten den Nachweis zu führen, dass Mainstream-F.e das Publikum im Kontext der herrschenden sozialen | + | Theoretische Innovationen, die sich v. a. auch der Analyse des F.s und seiner Beziehung zur Gesellschaft widmeten, kamen vom Rande bzw. von außerhalb der Disziplin. Der Einfluss der Ideen von Louis Althusser und Jacques Lacan nach 1968 führte in Großbritannien zur Herausbildung der <I>Screen</I>-Theorie. Ihre Vertreter versuchten den Nachweis zu führen, dass Mainstream-F.e das Publikum im Kontext der herrschenden sozialen [[Ordnung]] positionieren würden. Ergänzend zeigte Laura Mulvey 1975 in einer einflussreichen Studie innerhalb der feministischen Diskussion ([[Feminismus]]), dass das klassische Hollywoodkino durch einen männlichen Blick geprägt sei. |
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− | In seiner soziologischen Analyse des Horrorgenres, die auch an die interpretative Soziologie anschloss, ging Andrew Tudor 1989 davon aus, dass ein F.-Genre eine soziale Konstruktion ([[Konstruktivismus]]) ist, die in den F.en und Vorstellungen des Publikums verankert ist. Auch er war der Auffassung, dass erst im Akt der Rezeption ein F. als ein kulturelles Objekt mit einer je | + | In seiner soziologischen Analyse des Horrorgenres, die auch an die interpretative Soziologie anschloss, ging Andrew Tudor 1989 davon aus, dass ein F.-Genre eine soziale Konstruktion ([[Konstruktivismus]]) ist, die in den F.en und Vorstellungen des Publikums verankert ist. Auch er war der Auffassung, dass erst im Akt der Rezeption ein F. als ein kulturelles Objekt mit einer je besonderen Bedeutung konstituiert wird. Deshalb wollte er das Genre aus Sicht der Rezipienten betrachten. Er kam zu dem Ergebnis, dass zwischen <I>secure horror</I> und <I>paranoid horror</I> unterschieden werden kann. Die <I>secure-horror</I>-F.e waren Teil einer festgefügten, scheinbar stabilen sozialen und kulturellen Ordnung. In der Welt des <I>paranoid-horror</I>-F.s dagegen werden die Werte und Institutionen dieser Ordnung in Frage gestellt und subvertiert. Diese F.e machen Sinn in einer Welt, die einem permanenten kulturellen und [[Sozialer Wandel|sozialen Wandel]] unterworfen ist, wie es auch für die Gegenwart der Fall ist. |
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− | In „Images of Postmodern Society“ (1991) problematisierte Norman Denzin traditionelle Formen der Gesellschaftsanalyse, indem er sie zum einen zur postmodernen Sozialtheorie, zum anderen zu kinematischen Repräsentationen des Selbst in Hollywood-F.en der 1980er Jahre in Beziehung setzte. So interpretierte er z. B. „Blue Velvet“ (1986) als einen typisch postmodernen F., der nicht nur an verschiedene Genres anknüpft, sondern auch die postmoderne Sensibilität idealtypisch zum Ausdruck bringt. Ausgehend von einer Analyse äußerst unterschiedlicher Lesarten, die er in Rezensionen zum F. identifizierte, zeigte er, dass der F. ein widersprüchlicher postmoderner Text ist. Er ist sowohl Pastiche als auch Parodie, durch Nostalgie geprägt, verwischt die Grenzen zwischen Gegenwart und Vergangenheit und bricht durch seine Darstellung von [[Gewalt]] und sadomasochistischer Sexualität | + | In „Images of Postmodern Society“ (1991) problematisierte Norman Denzin traditionelle Formen der Gesellschaftsanalyse, indem er sie zum einen zur postmodernen Sozialtheorie, zum anderen zu kinematischen Repräsentationen des Selbst in Hollywood-F.en der 1980er Jahre in Beziehung setzte. So interpretierte er z. B. „Blue Velvet“ (1986) als einen typisch postmodernen F., der nicht nur an verschiedene Genres anknüpft, sondern auch die postmoderne Sensibilität idealtypisch zum Ausdruck bringt. Ausgehend von einer Analyse äußerst unterschiedlicher Lesarten, die er in Rezensionen zum F. identifizierte, zeigte er, dass der F. ein widersprüchlicher postmoderner Text ist. Er ist sowohl Pastiche als auch Parodie, durch Nostalgie geprägt, verwischt die Grenzen zwischen Gegenwart und Vergangenheit und bricht durch seine Darstellung von [[Gewalt]] und sadomasochistischer Sexualität [[Tabu|Tabus]], die auf die Faszination für das Undarstellbare in der [[Postmoderne]] verweisen. In „The Cinematic Society“ (1995) analysierte er im Anschluss an Michel Foucault die Entstehung und die Konturen der Kinogesellschaft der Gegenwart, in der durch die Ubiquität medialer Repräsentationen der Blick des Voyeurs überall zu finden und somit seine Mentalität bestimmend ist. |
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− | Nach dem Zweiten Weltkrieg lag die deutsche F.-Industrie darnieder. Sie konnte nie wieder an die Blüte der Vorkriegszeit anschließen und entwickelte in der BRD mit wenigen Ausnahmen Unterhaltungsangebote, v. a. Heimat- und Sex-F.e. In Italien begann die Epoche des „Neorealismus“ noch unter Benito Mussolinis Herrschaft und entfaltete sich nach Kriegsende. Regisseure wie Roberto Rossellini, Luchino Visconti und Vittorio de Sica versuchten einen Neuanfang. In den USA entwickelte sich die Stilrichtung des „Film Noir“. In den folgenden Jahren machte das Fernsehen dem Kino in den USA dermaßen Konkurrenz, dass es zu einer Krise und grundlegenden Veränderungen in der F.-Landschaft kam. Internationale Beachtung erfuhr in den 1950er Jahren der japanische F. v. a. durch den Regisseur Akira Kurosawa. Etwa zur gleichen Zeit berühmt wurde auch der schwedische Regisseur Ingmar Bergman, der 1997 in Cannes posthum als „Bester Regisseur aller Zeiten“ ausgezeichnet wurde. Als eine der schillerndsten Figuren der F.-Geschichte darf außerdem der Engländer Alfred Hitchcock gelten. Anfang der 1960er Jahre entwickelte sich in Frankreich die berühmte Stilrichtung der „Nouvelle Vague“. Junge F.e-Macher wie François Truffaut und Jean-Luc Godard brachen mit den Konventionen des zeitgenössischen Unterhaltungskinos. Unter dem Motto „Papas Kino ist tot“ wandten sich auch in Deutschland junge Regisseure von der älteren Generation ab. Unter Einbeziehung von Gegenwartsproblemen prägte die | + | Nach dem Zweiten Weltkrieg lag die deutsche F.-Industrie darnieder. Sie konnte nie wieder an die Blüte der Vorkriegszeit anschließen und entwickelte in der BRD mit wenigen Ausnahmen Unterhaltungsangebote, v. a. Heimat- und Sex-F.e. In Italien begann die Epoche des „Neorealismus“ noch unter Benito Mussolinis Herrschaft und entfaltete sich nach Kriegsende. Regisseure wie Roberto Rossellini, Luchino Visconti und Vittorio de Sica versuchten einen Neuanfang. In den USA entwickelte sich die Stilrichtung des „Film Noir“. In den folgenden Jahren machte das Fernsehen dem Kino in den USA dermaßen Konkurrenz, dass es zu einer Krise und grundlegenden Veränderungen in der F.-Landschaft kam. Internationale Beachtung erfuhr in den 1950er Jahren der japanische F. v. a. durch den Regisseur Akira Kurosawa. Etwa zur gleichen Zeit berühmt wurde auch der schwedische Regisseur Ingmar Bergman, der 1997 in Cannes posthum als „Bester Regisseur aller Zeiten“ ausgezeichnet wurde. Als eine der schillerndsten Figuren der F.-Geschichte darf außerdem der Engländer Alfred Hitchcock gelten. Anfang der 1960er Jahre entwickelte sich in Frankreich die berühmte Stilrichtung der „Nouvelle Vague“. Junge F.e-Macher wie François Truffaut und Jean-Luc Godard brachen mit den Konventionen des zeitgenössischen Unterhaltungskinos. Unter dem Motto „Papas Kino ist tot“ wandten sich auch in Deutschland junge Regisseure von der älteren Generation ab. Unter Einbeziehung von Gegenwartsproblemen prägte die sogenannte Oberhausener Gruppe den „Jungen Deutschen Film“ und bewirkte eine Trendwende, die den deutschen Arthouse-F. bis heute beeinflusst. Prägende Regisseure waren u. a. Volker Schlöndorff, Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog und Wim Wenders. In den USA wagten die Regisseure der New-Hollywood-Bewegung nach französischem Vorbild eine Abkehr von etablierten Normen. Bes. Erwähnung verdient der Science-Fiction-F. „2001: Odyssee im Weltraum“ (1968) von Stanley Kubrick, der mit seinen Spezialeffekten Maßstäbe setzte und eine neue Generation von Regisseuren inspirierte. In den 1970er Jahren feierten v. a. sogenannte Blockbuster wie „Der weiße Hai“ (Steven Spielberg, 1975) und „Star Wars. Krieg der Sterne“ (George Lucas, 1977) enorme Erfolge und waren in Bezug auf Herstellung und Vermarktung zukunftsweisend für Hollywood. Eine Revolution bedeutete 1995 der von Disney veröffentlichte und komplett durch Computer-Animation hergestellte F. „Toy Story“ (John Lasseter). Internationale Beachtung fanden in den 1990er Jahren die Regisseure des dänischen F.e-Macher-Kollektivs „Dogma 95“, die durch den Verzicht auf filmtechnische Effekte eine neuartige Ästhetik des realistischen Erzählens erreichen wollten. |
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− | Die institutionelle F.-Förderung besitzt | + | Die institutionelle F.-Förderung besitzt besonderen Stellenwert, da die deutsche F.-Landschaft stark von ihr abhängig ist. Bundes- und Länderförderungen machen oft bis zu 50 % der Gesamtfinanzierung eines deutschen Kino-F.s aus. Aufgrund des Doppelcharakters des F.s als Kulturgut und Ware, wird die Förderung durch Bund und Länder sowohl als Kultur-, als auch als Wirtschaftsförderung angeboten. Die Länder wollen v. a. die filmwirtschaftlichen Strukturen in ihrer Region stärken. Der Förderetat besteht nicht nur aus öffentlichen Geldern. Z. B. finanziert sich die FFA ausschließlich durch Abgaben aus der F.- und Fernsehwirtschaft. Fördermittel werden sowohl als Zuschüsse als auch als bedingt rückzahlbare Darlehen bewilligt. Neben den Förderprogrammen stellen auch viele TV-Sender in Deutschland nicht nur finanzielle Mittel für die Herstellung eigener TV-Produktionen, sondern auch für Koproduktionen von Kino-F.en bereit. |
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− | Für die deutsche F.-Landschaft wichtig ist die 1950 gegründete „Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e. V.“ (SPIO). Als Dachverband mehrerer Berufsverbände der deutschen Medienwirtschaft repräsentiert die SPIO die Interessen von über 1 100 Mitgliedsfirmen im öffentlichen und politischen Raum. Eine Tochtergesellschaft der SPIO ist die „Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH“ (FSK). Auf Grundlage des JuSchG prüft sie die Altersfreigabe von F.en sowie anderen Medien und erteilt | + | Für die deutsche F.-Landschaft wichtig ist die 1950 gegründete „Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e. V.“ (SPIO). Als Dachverband mehrerer Berufsverbände der deutschen Medienwirtschaft repräsentiert die SPIO die Interessen von über 1 100 Mitgliedsfirmen im öffentlichen und politischen Raum. Eine Tochtergesellschaft der SPIO ist die „Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH“ (FSK). Auf Grundlage des JuSchG prüft sie die Altersfreigabe von F.en sowie anderen Medien und erteilt entsprechende „FSK-Kennzeichnungen“. |
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− | B. Reitz: Film, II. Filmgeschichte und wirtschaftliche Bedeutung, Version | + | B. Reitz: Film, II. Filmgeschichte und wirtschaftliche Bedeutung, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Film}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}}) |
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Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:07 Uhr
I. Soziologische Perspektiven
Abschnitt drucken1. Der Film als gesellschaftliches Phänomen
Schon früh hatte der F., eine Erfindung des 19. Jh., eine Affinität zur Soziologie. Beide beschäftigen sich mit gesellschaftlichen Phänomenen, stellen sie dar und analysieren sie. Von Anfang an fasziniert der F. durch seine große Ähnlichkeit mit den sozialen Wirklichkeiten, die wahrgenommen und erfahren werden. In seiner Fähigkeit zur Visualisierung sozialer Wirklichkeiten übertrifft er jedes andere Medium. Der anorganische Blick der Kamera tritt an die Stelle der Augen eines Subjekts. Er verführt uns dazu, die Welt ohne soziale Hemmungen zu erkunden und zu durchforsten.
Allerdings stellt ein F. die Wirklichkeit nicht dar, wie sie ist, sondern wie sie erscheint. Es kann ihm aber gelingen, die wachsende Abstraktheit und Intransparenz gesellschaftlicher Verhältnisse, an deren Aufklärung die Soziologie theoretisch und empirisch arbeitet, ästhetisch zu versinnlichen und darstellbar zu machen. F. und Soziologie reagieren also beide auf die immer größer werdende Spaltung von Erfahrung und Struktur, die mit der Entwicklung und Differenzierung der modernen Gesellschaft einhergeht. Die soziologische Theorie bemüht sich, die Komplexität gesellschaftlicher Verhältnisse zu durchdringen und zu analysieren, der F. versucht mit ästhetischen Mitteln die Abstraktheit sozialer Prozesse und ihrer Auswirkungen durch punktuelle Konkretisierungen aufzuhellen. Während das abstrakte Wissen der Soziologie aber erst mit der Erfahrung der Subjekte vermittelt werden muss, um in der alltäglichen Praxis wirksam sein zu können, schließt der F. unmittelbar sinnlich an diese Erfahrung an und wirkt auf sie ein. Beiden Errungenschaften der Moderne geht es also mit unterschiedlichen Mitteln darum, das Unsichtbare im Sichtbaren aufzuzeigen.
2. Die Erforschung der gesellschaftlichen Bedeutung und „Wirkung“ von Filmen in der ersten Hälfte des 20. Jh.
Bereits 1914 veröffentlichte Emilie Altenloh ihre Dissertation „Zur Soziologie des Kino. Die Kino-Unternehmung und die sozialen Schichten ihrer Besucher“. Basierend auf Statistiken der F.-Theater und der Auswertung von 2 400 Fragebogen zeichnet sie ein differenziertes Bild der sozialen Zusammensetzung des Publikums. Sie zeigt z. B. auf, welche Genres die unterschiedlichen Fraktionen des Publikums, das sie nach Alter, sozialer Klasse und Gender differenziert, präferieren und wie der Kinobesuch im Kontext anderer kultureller Aktivitäten situiert ist. In der zunehmend rationalisierten und bürokratisierten modernen Gesellschaft erlaubt der Kinobesuch „ein Ausruhen in etwas Zwecklosem, in einer auf kein Ziel gerichteten Beschäftigung“ (Altenloh 2012: 95). „Das Kino ist eben in erster Linie für die modernen Menschen da, die sich treiben lassen und unbewusst nach den Gesetzen leben, die die Gegenwart vorschreibt“ (Altenloh 2012: 94). Ihre Studie veranschaulicht eindringlich, dass die Erfahrung des Kinos in die Erfahrung der Modernität eingebunden ist.
Im US-amerikanischen Kontext beschäftigte man sich seit den 1920er Jahren mit den (negativen) Wirkungen von F.en, die als eine bedeutende kulturelle Kraft betrachtet wurden. In den einflussreichen empirisch ausgerichteten Payne Fund-Studies, die 1928 gestartet wurden und deren Ergebnisse in einem Dutzend Bücher bis 1937 publiziert wurden, verwendeten Soziologen und Sozialpsychologen v. a. quantitative Methoden, um die Wirkungen von F.en bei einem sozial kategorisierten Publikum „messen“ zu können. Eine Ausnahme waren in diesem Zusammenhang die in der Tradition der Chicago School stehenden Studien von Herbert Blumer, die ethnographische und autobiographische Zugänge berücksichtigten, aber auch der Wirkung von kriminellem und antisozialem Verhalten in F.en nachspürten. Insgesamt gesehen, bewirkten die Payne Fund-Studies eine Engführung der soziologischen Untersuchungen zum F. In der anschließenden soziologischen Massenkommunikationsforschung interessierten die messbaren Effekte von F.en. Der ästhetische Gehalt von F.en, ihre imaginative Kraft, soziale Verhältnisse zu versinnbildlichen, wurde nicht zum Thema.
Auch wenn in den 1940er und 1950er Jahren die Wirkungsforschung und die Soziometrie in der Disziplin im Zentrum standen, gab es vereinzelt soziologische Studien, die andere Wege einschlugen. Z. B. untersuchte Jacob Peter Mayer 1945 mittels einer Befragung der Leser eines F.-Magazins, welchen Einfluss F.e auf Träume und persönliche Entscheidungen haben können. In „Hollywood. The Dream Factory“ (1950) versuchte die Anthropologin Hortense Powdermaker, die Produzenten von Träumen und Mythen in Hollywood wie einen „Stamm“ zu betrachten, was mit vielen Schwierigkeiten verbunden war, da eine Kooperation mit ihr von den Studios i. d. R. abgelehnt wurde. Dennoch konnte sie aufschlussreich die Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse in der F.-Industrie analysieren.
3. Filmtexte und gesellschaftliche Kontexte. Von den 1960er Jahren zur Gegenwart
Theoretische Innovationen, die sich v. a. auch der Analyse des F.s und seiner Beziehung zur Gesellschaft widmeten, kamen vom Rande bzw. von außerhalb der Disziplin. Der Einfluss der Ideen von Louis Althusser und Jacques Lacan nach 1968 führte in Großbritannien zur Herausbildung der Screen-Theorie. Ihre Vertreter versuchten den Nachweis zu führen, dass Mainstream-F.e das Publikum im Kontext der herrschenden sozialen Ordnung positionieren würden. Ergänzend zeigte Laura Mulvey 1975 in einer einflussreichen Studie innerhalb der feministischen Diskussion (Feminismus), dass das klassische Hollywoodkino durch einen männlichen Blick geprägt sei.
Eine davon abgesetzte Position entwickelten die Cultural Studies, die in den 1960er Jahren in Birmingham entstanden. Als ein transdisziplinäres Projekt nahmen auch sie eine Fülle von Einflüssen auf. Dabei spielte die verstehende bzw. interpretative Soziologie eine wichtige Rolle, in deren Zentrum die deutende und verstehende Erschließung der Welt durch den Handelnden steht. Vor diesem Hintergrund kritisierten sie die deterministische Auffassung der Screen-Theorie, dass filmische Texte die Macht hätten, Zuschauer derart zu positionieren und affektiv zu manipulieren, dass sie ihnen vorgäben, wie ein F. zu interpretieren wäre und wie sie sich in die dominante ideologische Ordnung einzuschreiben hätten. Stattdessen wurde die agency (Handlungsmächtigkeit) der Zuschauer hervorgehoben, die sich v. a. in abweichenden, oppositionellen und widerständigen Lesarten kundtut. Die Vorstellung, dass es nur eine vom Text determinierte Interpretation geben könnte, wurde vehement in Frage gestellt.
Unter dem Einfluss des Poststrukturalismus betonte John Fiske 1987 die polysemen Merkmale medialer Texte, die sie für vielfältige Lesarten und Gebrauchsweisen öffnen. Die Rezeption und Aneignung von F.en wurde zu einer kontextuell verankerten gesellschaftlichen Praxis, in der die Texte keine vorgegebene feststehende Bedeutung hatten, sondern erst auf der Basis sozialer Erfahrung produziert wurden. In der Lesart von J. Fiske waren populäre F.e nicht ein aufgezwungenes Produkt der Kulturindustrie, die ihr Publikum im Rahmen der dominanten Ideologie positionierten, sondern ihre Bedeutung und ihr Vergnügen wurden von den Konsumenten in einem aktiven und schöpferischen Prozess geschaffen, der in Opposition zur dominanten Kultur stand.
In seiner soziologischen Analyse des Horrorgenres, die auch an die interpretative Soziologie anschloss, ging Andrew Tudor 1989 davon aus, dass ein F.-Genre eine soziale Konstruktion (Konstruktivismus) ist, die in den F.en und Vorstellungen des Publikums verankert ist. Auch er war der Auffassung, dass erst im Akt der Rezeption ein F. als ein kulturelles Objekt mit einer je besonderen Bedeutung konstituiert wird. Deshalb wollte er das Genre aus Sicht der Rezipienten betrachten. Er kam zu dem Ergebnis, dass zwischen secure horror und paranoid horror unterschieden werden kann. Die secure-horror-F.e waren Teil einer festgefügten, scheinbar stabilen sozialen und kulturellen Ordnung. In der Welt des paranoid-horror-F.s dagegen werden die Werte und Institutionen dieser Ordnung in Frage gestellt und subvertiert. Diese F.e machen Sinn in einer Welt, die einem permanenten kulturellen und sozialen Wandel unterworfen ist, wie es auch für die Gegenwart der Fall ist.
In „Images of Postmodern Society“ (1991) problematisierte Norman Denzin traditionelle Formen der Gesellschaftsanalyse, indem er sie zum einen zur postmodernen Sozialtheorie, zum anderen zu kinematischen Repräsentationen des Selbst in Hollywood-F.en der 1980er Jahre in Beziehung setzte. So interpretierte er z. B. „Blue Velvet“ (1986) als einen typisch postmodernen F., der nicht nur an verschiedene Genres anknüpft, sondern auch die postmoderne Sensibilität idealtypisch zum Ausdruck bringt. Ausgehend von einer Analyse äußerst unterschiedlicher Lesarten, die er in Rezensionen zum F. identifizierte, zeigte er, dass der F. ein widersprüchlicher postmoderner Text ist. Er ist sowohl Pastiche als auch Parodie, durch Nostalgie geprägt, verwischt die Grenzen zwischen Gegenwart und Vergangenheit und bricht durch seine Darstellung von Gewalt und sadomasochistischer Sexualität Tabus, die auf die Faszination für das Undarstellbare in der Postmoderne verweisen. In „The Cinematic Society“ (1995) analysierte er im Anschluss an Michel Foucault die Entstehung und die Konturen der Kinogesellschaft der Gegenwart, in der durch die Ubiquität medialer Repräsentationen der Blick des Voyeurs überall zu finden und somit seine Mentalität bestimmend ist.
Zusammen mit Michael Ryan untersuchte Douglas Kellner 1988 die Politik und Ideologie des Hollywood-F.s der 1970er und 1980er Jahre. Sie arbeiteten heraus, dass dieser ein sehr wichtiges Feld kultureller Repräsentation war, auf dem die politischen Kämpfe der damaligen Zeit ausgetragen wurden. Filmische Repräsentationen bestimmten die individuelle Weltsicht und die soziale Konstruktion der Wirklichkeit. In „Cinema Wars“ (2010) setzt D. Kellner methodisch und inhaltlich dieses Vorhaben fort und erforscht die Politik des Hollywood-F.s in der Bush/Cheney-Ära. Sein Bestreben ist es, die F.e einer diagnostischen Untersuchung und Kritik zu unterziehen. Die F.-Analyse soll dazu dienen, die Konflikte, Ereignisse, Ängste, Hoffnungen und Wünsche einer Epoche zu identifizieren. D. Kellner knüpft hier an Siegfried Kracauers Studie „Von Caligari zu Hitler“ (1979; englische Originalausgabe „From Caligari to Hitler“, 1947) an, der schon früh die allegorische Dimension von F.en und ihre historisch-politische Bedeutung bestimmte. F.e kommentieren und erhellen die Probleme und Auseinandersetzungen ihrer Zeit. Mehr als jedes andere Medium könne der F., so S. Kracauer, Auskunft über „psychologische Dispositionen, […] vorherrschende Haltungen und weit verbreitete innere Tendenzen“ (Kracauer 1979: 12) geben.
Seit ca. zehn Jahren wird auch in Deutschland und Österreich dem Verhältnis von F. und Gesellschaft verstärkt Interesse entgegengebracht. Das erwachte Interesse an der F.-Soziologie hängt sicherlich auch mit der durch die Digitalisierung leichteren Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von F.en zusammen. F.-Kompetenz und F.-Bildung sind nun leichter erwerbbar. Sie sind eine notwendige Voraussetzung für Untersuchungen, die F.e als Allegorien ihrer Gesellschaft analysieren möchten.
Literatur
E. Altenloh: Zur Soziologie des Kino, 2012 • C. Heinze/S. Moebius/D. Reicher (Hg.): Perspektiven der Filmsoziologie, 2012 • D. Kellner: Cinema Wars. Hollywood Film and Politics in the Bush-Cheney Era, 2010 • M. Schroer (Hg.): Gesellschaft im Film, 2009 • M. Mai/R. Winter (Hg.): Das Kino der Gesellschaft – die Gesellschaft des Kinos, 2006 • R. Winter: Die Kunst des Eigensinns. Cultural Studies als Kritik der Macht, 2001 • N. K. Denzin: The Cinematic Society, 1995 • R. Winter: Filmsoziologie. Eine Einführung in das Verhältnis von Film, Kultur und Gesellschaft, 1992 • N. K. Denzin: Images of Postmodern Society, 1991 • M. Ryan/D. Kellner: Camera Politica. The Politics and Ideology of Contemporary Hollywood Film, 1988 • J. Fiske: Television Culture, 1987 • F. Jameson: Postmoderne. Zur Logik der Kultur im Spätkapitalismus. in: A. Huyssen/K. R. Scherpe (Hg.): Postmoderne. Zeichen eines kulturellen Wandels, 1986, 45–102 • C. MacCabe: Theorie und Film. Prinzipien von Realismus und Vergnügen, in: J. Paech u. a. (Hg.): Screen-Theory. Zehn Jahre Filmtheorie in England von 1971 bis 1981, 1985, 211–230 • S. Kracauer: Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films, 1979 • H. Powdermaker: Hollywood. The Dream Factory, 1950 • J. P. Mayer: Sociology of Film, 1946 • H. Blumer/H. P. M. Hauser: Movies, Delinquency and Crime, 1935 • H. Blumer: Movies and Conduct, 1933.
Empfohlene Zitierweise
R. Winter: Film, I. Soziologische Perspektiven, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Film (abgerufen: 23.11.2024)
II. Filmgeschichte und wirtschaftliche Bedeutung
Abschnitt druckenBis vor kurzem waren Kino und F. noch Synonyme. Das Kino ist in erster Linie der Raum der filmischen Präsentation. F. hingegen umfasst sowohl den Kino-F., aber auch F.-Produktionen, die für Plattformanbieter hergestellt werden. Dazwischen gibt es unzählige filmische Erzählformen, die den klassischen Fernseh-F., die filmisch erzählte Serie oder ganz neue filmische Narrationen – z. B. für das Web – einschließen. Wenn im Folgenden F. als Kino-F. und die deutsche F.-Wirtschaft als Kino-F.-Wirtschaft dargestellt wird, ist zu berücksichtigen, dass zudem hohe Millionenbeträge zur Herstellung von F.-Produktionen für TV bzw. den digitalen Markt aufgewendet werden.
1. Filmgeschichte
Die meisten filmhistorischen Veröffentlichungen datieren den Beginn der F.- bzw. Kinogeschichte auf das Jahr 1895, als die Gebrüder Auguste und Louis Lumière in Paris und die Gebrüder Max und Emil Skladanowsky in Berlin mit unterschiedlichen Projektionsverfahren erstmals F.e vor einem zahlenden Publikum zeigten: damals eine Jahrmarktattraktion. Frühe F.e waren i. d. R. wenige Sekunden lang, stumm und zeigten oft auf dokumentarische Weise Alltagssituationen.
Für die Entwicklung des neuen Mediums bedeutsam war v. a. der Franzose Georges Méliès, der den F. erstmals experimentell nutzte, um „Illusionen“ und „Zaubertricks“ durch die Montage von F.-Bildern zu kreieren. Erst um das Jahr 1910 wurde F. in Frankreich und Deutschland als Kunstform verstanden und wandte sich an ein intellektuelles Publikum. In den USA wurden in den 1910er und 1920er Jahren vermehrt große Kinos für ein Massenpublikum sowie prunkvolle „F.-Paläste“ gebaut, in denen Stumm-F.e musikalisch von Live-Orchestern begleitet wurden. Etwa zu dieser Zeit entstand auch der weltberühmte Produktionsstandort Hollywood in Los Angeles. An dessen Gründung maßgeblich beteiligt war u. a. auch ein Deutscher, Carl Laemmle.
In Europa markierte der Erste Weltkrieg einen Einschnitt in der F.-Geschichte. Während die F.-Industrie in Frankreich und Italien durch das Kriegsgeschehen extrem geschwächt worden war, kam es in Deutschland zur expansiven Neugründung von F.-Firmen und einer Blütezeit des Kinos. Viele durch die Kunstrichtung des Expressionismus inspirierten deutschen Stumm-F.e dieser Zeit zeigten eine Vorliebe für surreale Sujets. Das berühmteste Beispiel hierfür ist Robert Wienes „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1920). Etwas später schrieb Fritz Lang mit seinem Monumental-F. „Metropolis“ (1927) Geschichte. Internationale Aufmerksamkeit erregte auch der sowjetische Revolutions-F., in dessen Kontext zahlreiche propagandistische, an die Avantgarde angelehnte F.e als Gegenbewegung zum Hollywoodkino gedreht wurden, so z. B. Sergei Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ (1925). Im dokumentarischen Bereich setzte v. a. die von John Grierson gegründete britische Dokumentar-F.-Bewegung Maßstäbe. Zur gleichen Zeit erfreute sich das Genre der Slapstick-Komödien in den USA und international großer Beliebtheit beim Publikum. 1927 endete mit dem ersten Ton-F. „The Jazz Singer“ (Alan Crosland) die Epoche des Stumm-F.s.
Innerhalb von nur fünf Jahren setzte sich der Ton-F. komplett durch. Mit dessen Einzug in die Kinos bildeten sich auch einige neue, publikumsaffine Genres heraus, wie z. B. der Western, der Gangster-F., der Horror-F. oder das Musical. Des Weiteren begann die Firma Walt Disney mit der Produktion handgezeichneter Animations-F.e.
Die Machtübernahme Adolf Hitlers 1933 bedeutete in Deutschland eine Verstaatlichung der F.-Industrie. Über 500 F.-Schaffende flohen, davon viele nach Hollywood. Die deutsche Kinolandschaft wurde zu Kriegszeiten neben sogenannten Ablenkungs-F.en v. a. durch propagandistische Pseudo-Dokumentationen und antisemitische F.-Erzählungen (Antisemitismus) geprägt. Gleichzeitig konnte sich Frankreich einmal mehr als Wiege des künstlerisch wertvollen F.s in Europa hervortun. Regisseure wie Jean Renoir, René Clair und Marcel Carné festigten mit F.en wie „Kinder des Olymp“ (1945) die Stellung Frankreichs als eines der wichtigsten F.-Länder der Welt. Als geschichtlich bes. bedeutend gilt Orson Welles’ „Citizen Kane“ (1941). Bei seinem Debüt nutzte O. Welles erstmals Schärfentiefenverlagerung als inszenatorisches Mittel und brach mit den erzählerischen Konventionen des Hollywoodkinos.
Nach dem Zweiten Weltkrieg lag die deutsche F.-Industrie darnieder. Sie konnte nie wieder an die Blüte der Vorkriegszeit anschließen und entwickelte in der BRD mit wenigen Ausnahmen Unterhaltungsangebote, v. a. Heimat- und Sex-F.e. In Italien begann die Epoche des „Neorealismus“ noch unter Benito Mussolinis Herrschaft und entfaltete sich nach Kriegsende. Regisseure wie Roberto Rossellini, Luchino Visconti und Vittorio de Sica versuchten einen Neuanfang. In den USA entwickelte sich die Stilrichtung des „Film Noir“. In den folgenden Jahren machte das Fernsehen dem Kino in den USA dermaßen Konkurrenz, dass es zu einer Krise und grundlegenden Veränderungen in der F.-Landschaft kam. Internationale Beachtung erfuhr in den 1950er Jahren der japanische F. v. a. durch den Regisseur Akira Kurosawa. Etwa zur gleichen Zeit berühmt wurde auch der schwedische Regisseur Ingmar Bergman, der 1997 in Cannes posthum als „Bester Regisseur aller Zeiten“ ausgezeichnet wurde. Als eine der schillerndsten Figuren der F.-Geschichte darf außerdem der Engländer Alfred Hitchcock gelten. Anfang der 1960er Jahre entwickelte sich in Frankreich die berühmte Stilrichtung der „Nouvelle Vague“. Junge F.e-Macher wie François Truffaut und Jean-Luc Godard brachen mit den Konventionen des zeitgenössischen Unterhaltungskinos. Unter dem Motto „Papas Kino ist tot“ wandten sich auch in Deutschland junge Regisseure von der älteren Generation ab. Unter Einbeziehung von Gegenwartsproblemen prägte die sogenannte Oberhausener Gruppe den „Jungen Deutschen Film“ und bewirkte eine Trendwende, die den deutschen Arthouse-F. bis heute beeinflusst. Prägende Regisseure waren u. a. Volker Schlöndorff, Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog und Wim Wenders. In den USA wagten die Regisseure der New-Hollywood-Bewegung nach französischem Vorbild eine Abkehr von etablierten Normen. Bes. Erwähnung verdient der Science-Fiction-F. „2001: Odyssee im Weltraum“ (1968) von Stanley Kubrick, der mit seinen Spezialeffekten Maßstäbe setzte und eine neue Generation von Regisseuren inspirierte. In den 1970er Jahren feierten v. a. sogenannte Blockbuster wie „Der weiße Hai“ (Steven Spielberg, 1975) und „Star Wars. Krieg der Sterne“ (George Lucas, 1977) enorme Erfolge und waren in Bezug auf Herstellung und Vermarktung zukunftsweisend für Hollywood. Eine Revolution bedeutete 1995 der von Disney veröffentlichte und komplett durch Computer-Animation hergestellte F. „Toy Story“ (John Lasseter). Internationale Beachtung fanden in den 1990er Jahren die Regisseure des dänischen F.e-Macher-Kollektivs „Dogma 95“, die durch den Verzicht auf filmtechnische Effekte eine neuartige Ästhetik des realistischen Erzählens erreichen wollten.
Für die westliche F.-Geschichtsschreibung spielen das indische und asiatische Kino nur eine untergeordnete Rolle. Beide Märkte gewinnen aber immer mehr an internationaler Relevanz.
Heutzutage wird die wirtschaftlich erfolgreiche Kinolandschaft in Deutschland, Frankreich und Italien neben amerikanischen „Blockbustern“ v. a. von heimisch-regionalen Komödien beherrscht. Obwohl sich deutscher F. aufgrund der Sprachbarriere im Ausland oft schwer tut, konnten vermehrt Arthouse-F.e wie „Victoria“ (Sebastian Schipper, 2015) oder „Toni Erdmann“ (Maren Ade, 2016) ein internationales Publikum begeistern. Mit einem Oscar als „bester fremdsprachiger Film“ ausgezeichnet wurden F.e der deutschen Regisseure V. Schlöndorff, Caroline Link und Florian Henckel von Donnersmarck. Ende der 2000er Jahre begann Hollywood verstärkt mit der Produktion von 3D-F.en. Der 3D-F. „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ (James Cameron, 2009) brach alle Rekorde. 3D-F.e bleiben trotzdem die Ausnahme.
2. Filmfinanzierung
In Deutschland werden F.e maßgeblich durch Verträge mit Fernsehsendern und Verleihern sowie durch Förderprogramme finanziert, da F. als meritorisches Gut gilt und entspr. vom Staat subventioniert wird.
Die institutionelle F.-Förderung besitzt besonderen Stellenwert, da die deutsche F.-Landschaft stark von ihr abhängig ist. Bundes- und Länderförderungen machen oft bis zu 50 % der Gesamtfinanzierung eines deutschen Kino-F.s aus. Aufgrund des Doppelcharakters des F.s als Kulturgut und Ware, wird die Förderung durch Bund und Länder sowohl als Kultur-, als auch als Wirtschaftsförderung angeboten. Die Länder wollen v. a. die filmwirtschaftlichen Strukturen in ihrer Region stärken. Der Förderetat besteht nicht nur aus öffentlichen Geldern. Z. B. finanziert sich die FFA ausschließlich durch Abgaben aus der F.- und Fernsehwirtschaft. Fördermittel werden sowohl als Zuschüsse als auch als bedingt rückzahlbare Darlehen bewilligt. Neben den Förderprogrammen stellen auch viele TV-Sender in Deutschland nicht nur finanzielle Mittel für die Herstellung eigener TV-Produktionen, sondern auch für Koproduktionen von Kino-F.en bereit.
3. Die Filmwirtschaft
3.1 Filmherstellung
Die F.-Herstellung erfordert das Zusammenspiel zahlreicher künstlerischer, handwerklicher und ausführender Tätigkeiten. Jede Produktion setzt daher einen organisatorischen Apparat voraus. Der Herstellungsprozess lässt sich neben der Drehbucharbeit in Vorproduktion, Dreh und Postproduktion unterteilen. Jede Produktion unterscheidet sich in künstlerischen und produktionstechnischen Kriterien und stellt immer einen jeweils neuen Herstellungsprozess dar. F. ist daher ein individuelles Gut.
Für die Herstellung im Allgemeinen bezeichnend ist das Spannungsverhältnis zwischen dem künstlerischen und dem kommerziellen Anspruch. Da an einer großen Produktion in Deutschland oft um die 100 Menschen beteiligt und spezialisierte Technologien teuer sind, liegen die Herstellungskosten i. d. R. im unteren bis mittleren einstelligen Mio-Bereich. Nur die erfolgreichsten F.e können überhaupt Gewinn erwirtschaften. Daher sind große Projekte mit sehr hohem Kostenfaktor in Europa nur durch internationale Koproduktionen möglich.
3.2 Der Film als Produkt
Der Wert des Produktes F. liegt im urheberrechtlich geschützten immateriellen Recht (Immaterialgüterrecht) des Produzenten am Werk. Dieses stellt eine Bündelung der Urheber- und Leistungsschutzrechte aller Beteiligten dar und ermöglicht dem Produzenten im weiteren Verlauf den Handel mit den Rechten am Werk. Der Produzent schließt i. d. R. mit einem F.-Verleih einen Vertrag über die Distribution ab. Der Verleih kümmert sich anschließend um Vermarktung und Verbreitung. Weltvertriebe bringen F.e gegen eine Provision auch in anderen Verwertungsländern auf den Markt. Von den durch den Verkauf der Kinotickets erwirtschafteten Einnahmen behält der Kinobetreiber etwa 50–60 % ein. Vom Restbetrag erhält der Verleih eine Provision von etwa 35–55 %. Des Weiteren übernimmt der Verleih oder Weltvertrieb auch den Vertrieb auf dem Home-Entertainment-Markt.
3.3 Der deutsche Filmmarkt
2016 wurden in Deutschland 121 Mio. Kinobesucher gezählt. Der Umsatz der Kinobranche betrug 1,23 Mrd. Euro. Es bestanden 1 169 Kinounternehmen mit 1 654 Spielstätten und 4 739 Leinwänden. Bei steigender Tendenz betrug der durchschnittliche Preis für eine Kinokarte 8,45 Euro. Da rund die Hälfte der Kinos nur über eine Leinwand verfügt, ist die Kinowirtschaft hierzulande überwiegend mittelständisch geprägt. In den Kinos starteten 610 F.e, davon 244 deutsche Produktionen, 140 aus EU-Ländern, 152 US-amerikanische und 74 F.e aus anderen Teilen der Welt. Von den deutschen F.en waren 161 Spiel- und 83 Dokumentar-F.e. Der Marktanteil der deutschen F.e betrug 22,7 %, der der US-amerikanischen 64,5 %. Die Anzahl der Kinobesuche in Deutschland ist seit 2001 leicht rückgängig. Dafür steigt der Marktanteil heimischer F.-Produktionen insgesamt.
4. Filmpolitik
Für die deutsche F.-Landschaft wichtig ist die 1950 gegründete „Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e. V.“ (SPIO). Als Dachverband mehrerer Berufsverbände der deutschen Medienwirtschaft repräsentiert die SPIO die Interessen von über 1 100 Mitgliedsfirmen im öffentlichen und politischen Raum. Eine Tochtergesellschaft der SPIO ist die „Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH“ (FSK). Auf Grundlage des JuSchG prüft sie die Altersfreigabe von F.en sowie anderen Medien und erteilt entsprechende „FSK-Kennzeichnungen“.
5. Filmakademie – Festivals – Preise
Die „Deutsche Filmkademie e. V.“ wurde 2003 in Berlin gegründet. Sie soll den F.-Schaffenden ein Diskussionsforum bieten und das Ansehen des deutschen F.s fördern. Die Mitglieder wählen seit 2005 die Preisträger des deutschen F.-Preises LOLA. Daneben gibt es zahlreiche F.-Festivals und diverse dotierte und undotierte Preise.
6. Entwicklungstendenzen
In seiner 100jährigen Geschichte hat sich der F. von einer Jahrmarktattraktion zum Kulturgut entwickelt, das zum elementaren Ausdrucksmedium von Künstlern auf der ganzen Welt geworden ist. In Zukunft wird sich die F.-Branche national und international weiter verändern. Moderne Finanzierungsmöglichkeiten wie Crowd-Funding und alternative Verwertungswege z. B. über Streaming-Plattformen und die digitale Entwicklung eröffnen F.-Machern weltweit neue Möglichkeiten zu Weiterentwicklung und Innovation.
Literatur
M. Krützen: Klassik, Moderne, Nachmoderne. Eine Filmgeschichte, 2015 • N. Borstnar/E. Pabst/H. J. Wulff: Einführung in die Film- und Fernsehgeschichte, 2008 • K. Thompson/D. Bordwell: Film History. An Introduction, 22003 • G. Eckert: Geschichte des Films, in: G. Barthel (Hg.): Moderne Bibliothek des Wissens, 1968, 664–667.
Empfohlene Zitierweise
B. Reitz: Film, II. Filmgeschichte und wirtschaftliche Bedeutung, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Film (abgerufen: 23.11.2024)