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Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:06 Uhr
Mit zurzeit knapp unter 16 000 ist die A. zwar nicht die zahlenmäßig bedeutendste Rechtsform für Gesellschaften in Deutschland (zum Vergleich: es gibt ca. 1,1 Mio. GmbHs), wohl aber die wirtschaftlich wichtigste: denn v. a. Großunternehmen haben diese Rechtsform gewählt. So war im Jahr 2015 knapp die Hälfte (49) der 100 größten deutschen Unternehmen in der Rechtsform der A. (und Europäischen A., der SE) organisiert.
1. Grundlagen
Bei der A. handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft. Zu dieser Gruppe gehören neben der A. und der GmbH noch die KGaA und die der A. auf europäischer Ebene entsprechende SE. Die Kapitalgesellschaften bilden den Gegensatz zu den Personengesellschaften oder – so die Bezeichnung des Gesetzes (vor § 105 HGB) – den Handelsgesellschaften: OHG (§§ 105 ff. HGB) und KG (§§ 161 ff. HGB), denen die persönliche Haftung eines oder mehrerer Gesellschafter (Komplementäre) gemein ist. Es besteht jedoch die Möglichkeit, eine sogenannte typenvermischte Gesellschaft zu bilden, bei der persönlich haftender Gesellschafter keine natürliche Person, sondern eine A. ist (AG & Co. KG, entsprechend der GmbH & Co. KG).
Das Charakteristikum einer A. liegt zum einen wie bei jeder Kapitalgesellschaft in der Verpflichtung, ein bestimmtes Eigenkapital aufzubringen und es nur in bestimmter Weise zu verwenden. Dieses Kapital wird bei der A. als Grundkapital (§ 1 Abs. 2 AktG) bezeichnet, das mindestens 50 000 Euro betragen muss (§ 7 AktG). Zum anderen, und im Gegensatz zur GmbH, kann die Satzung jedoch von den gesetzlichen Vorschriften nur abweichen, wenn es ausdrücklich zugelassen ist (§ 23 Abs. 5 AktG). Mit Blick auf die Organisationsstruktur fällt auf, dass nur für die A. ein Aufsichtsrat vorgeschrieben ist; bei der Europäischen A. ist ein Aufsichtsrat demgegenüber nur zu bilden, wenn die Gesellschaft sich in der Satzung für das dualistische System entschieden hat. Auch die Kapitalanforderungen sind im GmbH-Recht geringer, und zwar sowohl was die absolute Summe des Mindestnennkapitals, als auch was die Reichweite der Ausschüttungssperre angeht; noch geringer sind sie bei der vor einigen Jahren eingeführten Unternehmergesellschaft. Das Gesetz hat die A. zudem als eine (börsennotierte) Publikumsgesellschaft konzipiert, in der den Gesellschaftern nur die Funktion des Geld gebenden Anlagegesellschafters zugewiesen ist; die Gesellschafter (Aktionäre) können somit über Fragen der Geschäftsführung im Rahmen der Hauptversammlung nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt (§ 119 Abs. 2 AktG).
Nur A.s (einschließlich der KGaA und der SE) können sich das volle Spektrum des öffentlichen Kapitalmarkts erschließen (Kapitalmarktrecht), da nur Aktien zum Börsenhandel zugelassen werden (§§ 30 ff. BörsG: Zulassung nur von Wertpapieren); die Übertragbarkeit von GmbH-Anteilen ist demgegenüber durch die Beurkundungserfordernis des § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG sogar bewusst erschwert.
Schließlich bildet die Kapitalgesellschaft, v. a. aber die A., den Ansatzpunkt der unternehmerischen Mitbestimmung. Nur bei ihr wird es wegen der fehlenden persönlichen Verantwortung eines Gesellschafters für vertretbar gehalten, in die Entscheidungsfindung im Aufsichtsrat ab 500 Arbeitnehmern in verschiedenem Umfang auch Vertreter der Arbeitnehmer einzubeziehen.
2. Geschichte
Das erste AktG auf deutschem Boden trat bereits 1843 in Preußen in Kraft. Ihm folgte – lange vor der Vereinheitlichung des allgemeinen Zivilrechts – als erste gesamtdeutsche Kodifikation des Handelsrechts das ADHGB von 1861. Durch die 1. Aktienrechtsnovelle von 1870 wurde die Bildung von A.en von der Konzessionspflicht befreit; an deren Stelle trat die Notwendigkeit der Einhaltung einer Reihe registergerichtlich nachzuprüfender Voraussetzungen („System der Normativbestimmungen“).
Mit der Einführung eines aus dem HGB herausgelösten AktG.es 1937 wurde der Grundstein zu den heute geltenden Regelungen geschaffen, die im Wesentlichen auf die Aktienrechtsreform von 1965 zurückgehen. Im Übrigen beeinflusst europäisches Recht v. a. in Gestalt von EU-Richtlinien das Kapitalgesellschaftsrecht. Zahlreiche Bestimmungen des nationalen Gesellschaftsrechts und v. a. des Aktienrechts gehen (heute) auf entsprechende europäische Vorgaben zurück.
3. Gründung und Organisation
Wie auch bei anderen Gesellschaften bedarf es zur Gründung einer A. einer notariell festgestellten Satzung (§ 23 Abs. 1 AktG); die A. selbst entsteht jedoch erst mit Eintragung in das Handelsregister (§ 41 Abs. 1 AktG). Im Mittelpunkt des Gründungsaktes steht dabei die Verpflichtung der Gesellschafter (Aktionäre), die übernommene Einlageverpflichtung zu erfüllen. Die Summe der Nennbeträge der einzelnen Nennbetragsaktien bzw. die Summe der rechnerisch (da nicht offen ausgewiesenen) auf die einzelnen Stückaktien entfallenden Teilbeträge des Grundkapitals entspricht dabei dem Grundkapital der A. von mindestens 50 000 Euro (§ 1 Abs. 2, § 7 AktG).
Hinsichtlich der Organisation – oder besser: hinsichtlich ihres zwingenden Umfangs – sind bei der A. wegen § 23 Abs. 5 AktG anders als bei den Personengesellschaften und bei der GmbH in der Satzung („Satzungsstrenge“) kaum Abweichungen von der sehr ausführlichen gesetzlichen Lösung erlaubt. Somit sind die Aufgaben von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung grundsätzlich vorgegeben. Lediglich bei der SE besteht die Möglichkeit, in der Satzung zu wählen zwischen dem (klassischen deutschen) „dualistischen System“ einer Trennung von Aufsichts- und Leitungsorgan (Aufsichtsrat und Vorstand) und dem (v. a. anglo-amerikanischen) „monistischen System“ eines einheitlichen Verwaltungsorgans (Art. 38 b SE-VO).
Wie bei allen Kapitalgesellschaften wird unterschieden zwischen dem Organ, in dem die Willensbildung der Gesellschafter mit klar zugewiesenen Kompetenzen vollzogen wird (Hauptversammlung) und dem Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan (Vorstand bei der A. bzw. Verwaltungsrat bei der SE; einheitlich auch als Geschäftsleiter bezeichnet).
Auch wenn die Hauptversammlung das Organ ist, in dem die Aktionäre ihre Rechte in erster Linie ausüben sollen (§ 118 Abs. 1 AktG), so ist sie nach dem Konzept des Gesetzes doch nicht das „oberste Organ“ der A. Schon die systematische Stellung der Vorschriften über die Hauptversammlung im Gesetz – hinter den Regelungen über Vorstand und Aufsichtsrat – zeigt, dass das Gesetz mit der A. nur sehr begrenzt die Vorstellung einer Aktionärsdemokratie verbindet.
Die „Führungsrolle“ in der A. ist vielmehr – zurückgehend auf Vorstellungen des AktG 1937 – dem Vorstand zugewiesen. Dieser leitet die Gesellschaft „unter eigener Verantwortung“ (§§ 76 Abs. 1, 119 Abs. 2 AktG bzw. Art. 39 Abs. 1 Satz 1 SE-VO). Das bedeutet, dass er bei der Leitung keine Weisungen anderer Gesellschaftsorgane oder Dritter beachten muss oder zu ihrer Beachtung verpflichtet werden kann. Die Bestellung von Vorstandsmitgliedern bei der A. erfolgt dabei durch den Aufsichtsrat (§ 84 Abs. 1 Satz 1 AktG).
Während nach allgemeinem Aktienrecht allein die Aktionäre über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats entscheiden (§ 96 Abs. 1 a. AktG), sind nach den verschiedenen Mitbestimmungsgesetzen (Mitbestimmung) auch Vertreter der Arbeitnehmer (einschließlich der leitenden Angestellten) und z. T. auch andere Personen in den Aufsichtsrat zu wählen (§ 96 Abs. 1 AktG). Insoweit ist die Wahl seitens der Aktionäre (der „Anteilseigner“) ausgeschlossen (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG).
Literatur
H. Hirte: Kapitalgesellschaftsrecht, 82016 • H. Hirte/P. O. Mülbert/M. Roth (Hg.): Großkommentar zum Aktiengesetz, 15 Bde., ab 2015 • K. Langenbucher: Aktien- und Kapitalmarktrecht, 32015 • U. Hüffer: Aktiengesetz, 112014 • Th. Raiser/R. Veil: Recht der Kapitalgesellschaften, 52010.
Empfohlene Zitierweise
H. Hirte: Aktiengesellschaft, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Aktiengesellschaft (abgerufen: 24.11.2024)