Warschauer Pakt: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 14. November 2022, 06:01 Uhr
Als W. P. (offiziell: „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“) wird umgangssprachlich der am 14.5.1955 in der polnischen Hauptstadt von acht ostmitteleuropäischen Staaten (Albanien, Bulgarien, DDR, Polen, Rumänien, Tschechoslowakei, Ungarn und UdSSR), vereinbarte und mit drei Mitgliedern im Beobachterstatus (China, Nordkorea, Nordvietnam) geschlossene multilaterale Vertrag zur Sicherung des sowjetischen Machtbereichs bezeichnet. Am 4.5.1955 trat er mit der Hinterlegung der Ratifikationsurkunden (Art. 10) offiziell in Kraft. Gemäß Art. 11 verlängerte er sich 1975 automatisch um weitere zehn Jahre. Die am 26.4.1985 vereinbarte Verlängerung um weitere zwanzig Jahre überlebten die militärischen Strukturen des W. P.s nur bis zum 31.3.1991. Die politischen Strukturen wurden am 1.7.1991 beseitigt, knapp ein halbes Jahr bevor sich die UdSSR im Dezember selbst auflöste und damit auch der Kalte Krieg endete.
Der W. P. war wie die NATO eine Folge des eskalierenden Kalten Krieges. Er entstand aus sowjetischer Initiative und knüpfte an bereits bestehende bilaterale Beistandsverträge an, die von vielen der Signatarmächte zwischen 1943 und 1949 auf zwanzig Jahre abgeschlossen worden waren. Offiziell jedoch verstand er sich als Antwort auf die bereits am 4.4.1949 gegründete NATO, die Unterzeichnung der „Pariser Verträge“, mit der das westalliierte Besatzungsstatut auf westdeutschem Gebiet endete (23.10.1954), und den Beitritt der BRD zum westlichen Bündnis am 6.5.1955. Schon die „Konferenz in Moskau“ (29.11.–2.12.1954) kündigte in der „Moskauer Deklaration“ die Gründung des Militärbündnisses an. Grundsätzlich aber hatten bereits die Erste Berlin-Krise 1948–49 und der Korea-Krieg 1950–53 den Willen, militärisch mehr zu kooperieren, gestärkt. Wie man aus Nikita Sergejewitsch Chruschtschows Äußerungen weiß, hoffte die sowjetische Führung nicht zuletzt die eigene Truppenstärke und damit auch die Militärausgaben reduzieren zu können. Mit der Gründung des W. P.s war 1955 die Phase der Blockbildung im Kalten Krieg abgeschlossen.
In den W. P. wurde am 28.1.1956 auch die zehn Tage zuvor gegründete NVA der DDR eingebunden. Bilaterale Verträge ergänzten das Bündnissystem, so etwa der bereits 1955 geschlossene Beistandspakt mit Finnland. Zwischen 1964 und 1972 folgten zwanzig weitere bilaterale Bündnisse, die anders als der W. P., aber ebenso auf zwanzig Jahre einen automatischen Beistand bei einem bewaffneten Angriff vorsahen. In politisch kritischen Mitgliedsstaaten wurden zudem Truppenstationierungsverträge geschlossen (Polen 1956; DDR 1957; Rumänien 1957, erloschen 1958; Ungarn 1957; Tschechoslowakei 1968).
In der Ausgestaltung des Bündnisses orientierten sich die Vertragspartner bei aller Gegnerschaft partiell an der NATO, indem sie sich im Falle eines Angriffs auf einen oder mehrere Teilnehmerstaaten der gegenseitigen militärischen Hilfeleistung (Art. 4) versicherten. In der militärischen und der politischen Struktur aber unterschied sich der W. P. in wesentlichen Teilen von ihr, wenngleich auch diese faktisch von der Hegemonialmacht dominiert blieb und sich als politisches Bündnis verstand. Während in der NATO auch Bündnispartner zu Oberbefehlshabern aufsteigen durften, stand an der militärischen Spitze des W. P.s, dem Vereinigten Oberkommando, bis zu seiner Auflösung 1991 ununterbrochen ein sowjetischer General, der gleichzeitig erster Stellvertreter des sowjetischen Verteidigungsministers war. Erster Amtsinhaber wurde Iwan Stepanowitsch Konjew. Auch den Stab des Vereinigten Oberkommandos (ab 1972 in Moskau) führte ein sowjetischer General. Nach der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968 wurde ein zusätzliches Komitee der Verteidigungsminister geschaffen, das mehr Mitsprache der Vertragsstaaten ermöglichen sollte. Ihm war ein Militärrat zugeordnet, der Vorschläge erarbeitete, aber operativ im Kriegsfall (Krieg) keine Bedeutung hatte.
Dem Vereinigten Oberkommando unterstanden neben den sowjetischen Streitkräften im Ausland, einschließlich der Baltischen Flotte, die gesamte Luftverteidigung des W. P.s, die gesamte NVA, einschließlich der DDR-Volksmarine, die polnische Marine sowie weitere Truppen der Vertragsstaaten. Es war verantwortlich für die gesamte Führung, die operative Planung, die Ausbildung und Ausrüstung sowie für die multinationalen Manöver.
Den nicht-militärischen Teil des W. P.s bildete der „Politische Beratende Ausschuss“ mit Sitz in Moskau, der formal über der militärischen Kommandostruktur stand. Er setzte sich aus den Vertretern der Teilnehmerstaaten zusammen, den Generalsekretären der kommunistischen Parteien, Regierungschefs und Außenministern. In der Realität lag die Entscheidungsgewalt ebenfalls allein bei den sowjetischen Stellen. Wichtige Beschlüsse, so etwa der Einmarsch der sowjetischen Armee in Ungarn 1956, der eindeutig gegen den Art. 8 des Vertragstextes verstieß (Befolgung der Grundsätze der gegenseitigen Achtung der Unabhängigkeit und Souveränität der Teilnehmerstaaten und der Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten), fielen ohne Beratung im gemeinsamen Ausschuss.
Ein Eintritt in das Bündnis war möglich. Die Mongolei ersuchte darum 1963, was jedoch wegen des chinesisch-sowjetischen Streits unterblieb. Eine Kündigung war nach Art. 11 frühestens im Jahr 1974 (Wirkung: 1975) möglich. Daher bildete der Austritt Ungarns im November 1956 in der Tat einen Vertragsbruch, der hart geahndet wurde. Als Albanien, dessen Mitgliedschaft seit 1962 ruhte, 1968 wegen des Einmarschs des W. P.s in die ČSSR im gleichen Jahr auch offiziell aus dem Bündnis austrat, folgten aber schon keine militärischen Sanktionen mehr, ebensowenig wie beim Ausscheiden der DDR 1990. Das 1988 offiziell verkündete Ende der „Breschnew-Doktrin“, Freiheitsbestrebungen in den Mitgliedsstaaten, fehlende Reformideen und nicht zuletzt der Verlust des gemeinsamen Feindbildes sorgten 1991 für das amtliche Ende des Bündnisses.
Literatur
V. Mastny/M. Byrne (Hg.): A Cardboard Castle? An Inside History of the Warsaw Pact 1955–1991, 2005 • F. Umbach: Das rote Bündnis. Entwicklung und Zerfall des Warschauer Paktes 1955 bis 1991, 2005 • N. Fodor: The Warsaw Treaty Organization. A Political and Organizational Analysis, 1990.
Empfohlene Zitierweise
B. Stöver: Warschauer Pakt, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Warschauer_Pakt (abgerufen: 23.11.2024)