Gewaltmonopol: Unterschied zwischen den Versionen

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Zur Verrechtlichung des G.s gehören ferner die der staatlichen Zwangsgewalt gezogenen Voraussetzungen und Grenzen, die sich aus innerstaatlichem und Völkerrecht ergeben. Hierunter fällt in Deutschland etwa das Verbot der [[Todesstrafe]] und der [[Folter]], einschließlich der sogenannten Rettungsfolter, da sie mit der [[Menschenwürde]] nicht vereinbar sind; das Verbot ist darum selbst im (inneren oder äußeren) Notstand unaufgebbar. Schließlich genügt das G. rechtsstaatlichen Anforderungen nur, wenn seine rechtliche Ausgestaltung sowie seine Anwendung gerichtlich, je nach völkerrechtlicher Verpflichtung auch von internationalen Instanzen, z.&nbsp;B. dem [[Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)|EGMR]], kontrollierbar sind.
 
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[[Category:Rechtswissenschaft]]

Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:08 Uhr

1. Begriff und Entwicklung

Unter G. wird nach Max Weber die alleinige rechtliche Befugnis des Staates zu physischer Gewaltausübung in seinem Herrschaftsbereich verstanden. Seiner Herrschaftsgewalt unterworfene Personen sind daher grundsätzlich von erlaubter Gewaltausübung ausgeschlossen. Das G. formuliert einen normativen Anspruch. Sein Zweck ist, den inneren Frieden zu wahren. Hierin wird zu Recht eine der wichtigsten Aufgaben des Staates gesehen. Legitimiert werden kann das G. allerdings nicht mehr mit dem Gedanken der Machterhaltung oder gar –steigerung des Staates als solchem, der bei der historischen Formierung des G.s (Beseitigung des privaten Fehderechts) eine maßgebliche Rolle spielte. Weder legitimiert der Staat das G. noch das G. den Staat. Die Legitimierung des G. erfolgt vielmehr durch die im und vom demokratischen Staat zu konstituierende Ordnung der Freiheit, die eine gleiche Freiheit der Individuen sein, ihre gleiche Teilhabe (Partizipation) an Diskussion und Entscheidung der öffentlichen Angelegenheiten garantieren muss. Dies kann – abgesehen von den dies im Einzelnen ermöglichenden Gesetzen – nur durch den Ausschluss privater Gewalt gesichert werden. Anderes könnte nur in der Utopie einer konfliktfreien Gesellschaft gelten.

Allerdings ist, da es nicht nur freiheitlich-demokratische Staaten gibt, zu fragen, ob das G. allein aus einer staatsinternen Perspektive zu betrachten ist. Angesichts der Erwartungen, die das Völkerrecht an alle Staaten richtet, wäre dies eine legitimatorische Engführung.

2. Völkerrechtliche Fundierung

Die Staaten sind nicht nur die primären Subjekte des Völkerrechts, sie sind auch die wichtigsten Akteure, um die Respektierung seiner Regeln zu gewährleisten. Das Völkerrecht setzt auf ihr G., um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit gefährdende Ausbrüche privater Gewalt zu verhindern. „Failed States“ gehören insoweit zu den größten Gefahrenquellen. Dies gilt auch in Bezug auf Menschenrechte. Ohne G. kann ein Staat seiner Garanten- und Schutzpflicht für die ihn verpflichtenden Menschenrechte, bes. für das Recht auf Sicherheit (z. B. Art. 5 EMRK), nicht nachkommen.

3. Innerstaatliche Fundierung

Für einen demokratischen Rechtsstaat ist diese äußere Legitimation indes nicht genügend. Die interne Grundlegung des G.s erfolgt durch das für alle Grundrechtsausübungen geltende Gebot der Friedlichkeit, das sich aus der Pflicht des Staates ergibt, die gleiche Freiheit aller zu ermöglichen. Art. 8 GG, der allein die friedliche Versammlung schützt, ist nur eine spezielle Ausprägung dieses Gedankens. Die sich hieraus ergebende Notwendigkeit für den Staat, Maßnahmen zum Schutz des inneren Friedens (innere Sicherheit) einerseits und der Freiheit seiner Bürger andererseits abzuwägen, stellt das G. unter das Gebot der Verrechtlichung, wie sie etwa in den gesetzlich geregelten Grundrechtseingriffen des Polizeirechts oder der Gesetze zur Ausübung unmittelbaren Zwangs zum Ausdruck kommt. Die Schutzpflicht des Staates kompensiert das dem Einzelnen auferlegte Verbot der Selbstdurchsetzung seiner Rechte und zeigt sich bes. darin, dass ihm der Staat den Zugang zu seinen Gerichten öffnet und die Durchsetzung der gerichtlichen Entscheidungen notfalls im Rahmen seines G.s garantiert.

Zur Verrechtlichung des G.s gehören ferner die der staatlichen Zwangsgewalt gezogenen Voraussetzungen und Grenzen, die sich aus innerstaatlichem und Völkerrecht ergeben. Hierunter fällt in Deutschland etwa das Verbot der Todesstrafe und der Folter, einschließlich der sogenannten Rettungsfolter, da sie mit der Menschenwürde nicht vereinbar sind; das Verbot ist darum selbst im (inneren oder äußeren) Notstand unaufgebbar. Schließlich genügt das G. rechtsstaatlichen Anforderungen nur, wenn seine rechtliche Ausgestaltung sowie seine Anwendung gerichtlich, je nach völkerrechtlicher Verpflichtung auch von internationalen Instanzen, z. B. dem EGMR, kontrollierbar sind.

4. Ausnahmen von der Friedenspflicht Privater

Die dem G. korrespondierende Friedenspflicht Privater reicht nur so weit, wie der Staat nach Maßgabe seiner Rechtsordnung in der Lage oder willens ist, die Friedensordnung aufrechtzuerhalten und seiner Schutzverpflichtung nachzukommen, also etwa durch seine Sicherheitskräfte die Individuen vor Gewalteinwirkung anderer zu schützen oder seine Gerichte zur Durchsetzung der Rechte seiner Einwohner zu öffnen. Andernfalls wird durch den staatlichen Schutzausfall das Friedlichkeitsgebot der Privaten außer Kraft gesetzt und der Einzelne zu Selbsthilfe, Notwehr oder Nothilfe berechtigt (z. B. §§ 227–231 BGB); anderes wäre mit einer Ordnung der Freiheit nicht vereinbar. Auch insofern bedarf es aber verhältnismäßiger Regelung. Als Ausnahme vom G. kann auch das individuelle Widerstandsrecht (Art. 20 Abs. 4 GG) betrachtet werden, das gegen jeden besteht, der die freiheitliche Ordnung zu beseitigen unternimmt, falls andere Abhilfe nicht möglich ist. Es steht somit im Dienst dieser Ordnung und damit auch des Anspruchs des Staates, Inhaber des G.s zu sein.

5. Gefährdungen des Gewaltmonopols

Die Zunahme von Gewaltdelikten, gerade politisch motivierter Gewalt, indiziert eine sich ändernde gesellschaftliche Einstellung zur Gewalt als Aktionsform, berührt aber als solche nicht den staatlichen Anspruch auf das G. Jedoch können Zurückweichen und Untätigkeit des Staates gegenüber solchen Erscheinungen ihrerseits zu mehr Gewaltanwendung einschließenden privaten Aktionen führen, private Gewalt ihren Ausnahmecharakter verlieren lassen und damit die Glaubwürdigkeit des staatlichen Anspruchs untergraben. Das Outsourcing von Gewalteinsatz zulassenden Sicherheitsaufgaben, v. a. wenn es um private Militärfirmen geht, wie sie sich in einzelnen Staaten finden, ist hier bes. relevant. Hingegen wird das G. durch die politische Einordnung Deutschlands in die internationale Gemeinschaft (UNO), NATO oder die EU nicht in Frage gestellt, da es zu den nicht übertragbaren Hoheitsrechten gehört (BVerfGE 123, 267, 358).

6. Fazit

Das G. ist zum Schutz von Frieden und Freiheit unverzichtbar. Sein Sinn wird weder durch soziologische Theorien nicht gewaltabhängiger Rechtsdurchsetzung in Frage gestellt, weil auch sie Zwangsdurchsetzung nicht völlig ausschließen können, noch durch die Deutung von Macht als eines galertartigen, netzwerkhaften, jeder institutionell geleiteten Rechtsförmigkeit entbehrenden multifunktionalen Phänomens, weil dies der faktischen Erscheinung des Staates nicht entspr. Zuletzt bleibt die Erkenntnis, dass es Fälle gibt, in denen nur mit Gewalt auf Gewalt reagiert werden kann. Dann aber sind Frieden und Freiheit durch das staatliche G. immer noch am besten geschützt.