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Aktuelle Version vom 14. November 2022, 05:59 Uhr
Der R. ist der örtliche Zuständigkeitsbereich einer staatlichen Mittelbehörde in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen (NRW), die von einem Regierungspräsidenten geleitet wird. Sie ist als weisungsabhängige „Bündelungsbehörde der Mittelinstanz“ (Schrapper 1994) monokratisch organisiert und wird als „Regierungspräsidium“ (Baden-Württemberg: Freiburg, Karlsruhe, Stuttgart, Tübingen; Hessen: Darmstadt, Gießen, Kassel), „Bezirksregierung“ (NRW: Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln, Münster) oder schlicht „Regierung“ (Bayern: Ober- und Niederbayern, Ober-, Mittel- und Unterfranken, Oberpfalz, Schwaben) bezeichnet.
1. Geschichte und Reformdiskussion
In der frühen Bundesrepublik betrachtete Werner Weber das Regierungspräsidium als „das letzte Asyl staatlicher Verwaltung im eigentlichen Sinne des Wortes“ und als „einzige noch behauptete Domäne des staatlichen Berufsbeamtentums“ (Weber 1967: 20). Diese Aussagen reflektieren die präkonstitutionelle, preußische Tradition der R.e, die ihren Ursprung in den Reformen nach der Niederlage gegen Napoleon Bonaparte zu Beginn des 19. Jh. findet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dieses Modell von den Flächenländern der Bundesrepublik mit Ausnahme von Schleswig-Holstein und dem Saarland übernommen. Dort finden sich die Regierungspräsidien zwischen den gubernativ geprägten Landesministerien und den kommunalen Selbstverwaltungsbehörden (Selbstverwaltung) wieder. In dieser Situation sind die R.e seit Jahrzehnten Gegenstand einer Reformdiskussion in Wissenschaft und Praxis, die auf die Reduzierung der Anzahl der R.e oder die vollständige Abschaffung der staatlichen Mittelinstanz abzielt. Nach der Deutschen Einheit haben nur Sachsen und Sachsen-Anhalt das Modell der R.e übernommen. Seit 2000 wurden die R.e nicht nur in diesen beiden Ländern wieder aufgelöst, sondern auch in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen. Aus Sicht ihrer Befürworter gewährleisten die R.e die „notwendige Koordination der Verwaltungsentscheidung des Landes in der Fläche“ und die „Ergänzung zum Ressortprinzip der Ministerialinstanz“ (Janssen 2010: 5). Ihre Gegner sehen in den Regierungspräsidien v. a. angeblich überflüssige Bürokratie und unnötige Doppelstrukturen. Bei dieser Diskussion wird zu selten im Hinblick auf die unterschiedliche Größe der Länder und R.e sowie den daraus resultierenden unterschiedlichen Notwendigkeiten differenziert: So ist zu berücksichtigen, dass zum Beispiel der R. Düsseldorf eine höhere Einwohnerzahl hat als elf der 16 Bundesländer.
2. Rechtliche Einordnung
Die Regierungspräsidien bzw. Bezirksregierungen sind die „allgemeine Vertretung der Landesregierung im Bezirk“ (§ 8 Abs. 1 Landesorganisationsgesetz NRW). Ihre Zuständigkeiten können – i. S. d. Bündelungsfunktion – die Bereiche aller Landesministerien umfassen und entweder einzeln durch Gesetz bzw. Rechtsverordnung zugewiesen werden (§ 13 Landesverwaltungsgesetz Baden-Württemberg) oder als grundsätzliche Auffangzuständigkeit (§ 8 Abs. 3 Landesorganisationsgesetz NRW) ausgestaltet sein. Sie reichen von der öffentlichen Sicherheit über Wirtschaft, Schule und Gesundheitswesen bis zum Umweltschutz. Neben erstinstanzlichen Aufgaben ist eine wichtige Funktion der Mittelbehörden die Aufsicht über die unteren staatlichen Verwaltungsbehörden sowie die Kommunalaufsicht (Verwaltung).
Die Regierungspräsidien bzw. Bezirksregierungen sind monokratisch organisiert und unterliegen selbst der Fach- und Dienstaufsicht der obersten Landesbehörden. Dabei liegt die Dienstaufsicht i. d. R. beim Innenministerium, während die Fachaufsicht durch das jeweils zuständige Landesressort erfolgt. Die R.e verfügen damit nicht über ein eigenes Selbstverwaltungsrecht i. S. v. Art. 28 GG.
In Bayern sind die R.e flächenmäßig identisch mit den Bezirken i. S. v. Art. 21 ff. BayVerf. Anders als die Bayerischen R.e sind die Bayerischen Bezirke eigenständige juristische Personen mit Selbstverwaltungsrecht, das v. a. durch den direkt gewählten Bezirkstag ausgeübt wird. Der Regierungspräsident ist demgegenüber eine staatliche Behörde, also kein Organ des Bezirks. Die Verwaltung des Bezirks erfolgt im Verwaltungsverbund von Bezirk und Regierung (Art. 35 BayVerf).
Die Regierungspräsidenten werden von der Landesregierung – i. d. R. durch den Ministerpräsidenten – ernannt (in Bayern im Benehmen mit dem Bezirkstag). Sie sind – außer in Bayern – politische Beamte und können daher jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 LBG BW; § 57 Nr. 2 HBG; § 37 Abs. 1 Nr. 4 LBG NRW). Dieses personale Element verstärkt die demokratische Legitimation der Regierungspräsidenten und gliedert die präkonstitutionellen R.e damit in den demokratischen Verfassungsstaat ein.
Literatur
M.-E. Geis: Vierter Teil. Der Bezirk, in: ders.: Kommunalrecht, 42016, §§ 19 f. • A. Janssen: Die Auflösung der staatlichen Organisationsstruktur durch die politischen Parteien, in: DV 43/1 (2010), 1–43 • J. Bogumil: Verwaltungsstrukturreformen in den Bundesländern. Abschaffung oder Reorganisation der Bezirksregierungen, in: ZG 22/3 (2007), 246–257 • H. Wißmann: Staatliche Mittel- und Sonderbehörden – eine Altlast der Verwaltungslandschaft?, in: DÖV 57/5 (2004), 197–204 • L. Schrapper: Bezirksregierungen in Deutschland. Die Bündelungsbehörde der Mittelinstanz im Vergleich, in: DÖV 47/4 (1994), 157–162 • W. Weber: Staats- und Selbstverwaltung in der Gegenwart, 21967.
Empfohlene Zitierweise
M. Roßbach: Regierungsbezirk, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Regierungsbezirk (abgerufen: 23.11.2024)