Bayerische Volkspartei (BVP): Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 15. August 2021, 11:40 Uhr
1. Gründung
Die 1869 gegründete Bayerische Patriotenpartei schloss sich 1887 als „Bayerisches Zentrum“ der Deutschen Zentrumspartei an. Innerparteiliche Flügelkämpfe, Opposition zur kriegsbedingt zunehmend zentralistischen Politik des Reichstagszentrums, Matthias Erzbergers Friedensresolution von 1917 und die mit der grundsätzlich befürworteten Parlamentarisierung einhergehende Aufwertung der Stellung des Reiches gegenüber den Ländern führten in der bayerischen Landtagsfraktion zu Bestrebungen, sich vom Zentrum zu trennen.
Kurz nach der Revolution gründeten am 12.11.1918 die Vertreter des agrarischen Flügels der Partei, Sebastian Schlittenbauer und Georg Heim, auf einer Versammlung des Christlichen Bauernvereins in Regensburg die B. V. Von Seiten der Arbeitervertreter gab es zunächst Widerstand. Um eine Spaltung der katholischen Wähler in Stadt und Land zu verhindern, schloss sich die alte Parteiführung am 15.11.1918 an.
2. Programm und Organisation
Die B. V. verstand sich als antisozialistische, überkonfessionelle christliche Weltanschauungspartei. Jedoch gehörten sowohl Politiker als auch Wähler fast ausschließlich dem katholischen Milieu (Katholizismus) an.
Das Programm vom 15.11.1918 forderte neben der Einführung der direkten Volksabstimmung (Plebiszit) und dem Frauenwahlrecht (Frauenbewegungen) den Zusammenschluss der deutschen Staaten auf föderativer Grundlage (Föderalismus). Durch die stark zentralistische Weimarer Reichsverfassung wurde diesen Forderungen die Basis entzogen, die Partei kämpfte in der Folge ergebnislos um die Föderalisierung der Reichsverfassung.
Parteivorsitzende waren 1918–29 Karl Speck, 1929–33 Fritz Schäffer, Generalsekretär Anton Pfeiffer (1918–33). Neben dem Parteivorstand gab es einen Landesausschuss mit ca. 200 Mitgliedern, die Landesversammlung und seit 1920 einen Wirtschaftsbeirat. Die Partei war in elf Kreisverbänden organisiert (Regierungsbezirke, München, Augsburg, Nürnberg), diese wiederum teilten sich (wenngleich nicht flächendeckend) in Bezirks- und Ortsverbände. 1924 wurde ein bewaffneter Saalschutzverband, die Bayernwacht, gegründet.
Mit der Bayerischen Volkspartei-Correspondenz (BVC) unterhielt die B. V. einen parteiamtlichen Pressedienst, der, bestens informiert, auch von der neutralen und gegnerischen Presse bezogen wurde. Eine parteieigene Zeitung gab es nicht, der B. V. nahe standen z. B. der Bayerische Kurier und der Regensburger Anzeiger.
3. Wahlergebnisse und Regierungen
Die B. V. war bei allen Landtagswahlen die Partei mit dem größten Stimmen- und Mandatsanteil in Bayern (1919 35 %, 1920 39 %, 1924 32,8 %, 1928 31,6 %, 1932 32,6 % der Stimmen). Bei den Reichstagswahlen erzielte sie zwischen 2,7 (1933) bzw. 3,0 (1930) und 4,2 % (1920) der Gesamtstimmen. Die Landtagsfraktion wurde von Heinrich Held (1919–24) und von Prälat Georg Wohlmuth (1924–33), die Reichstagsfraktion, nachdem die Arbeitsgemeinschaft mit dem Zentrum wegen dessen unitarischer Politik wieder aufgegeben worden war, von Prälat Johann Leicht (1920–33) geführt.
Obwohl die B. V. bereits aus den bayerischen Landtagswahlen am 12.1.1919 als stärkste Partei hervorgegangen war und die Politiker der B. V. in Kooperation mit der SPD einen wichtigen Beitrag zur Bamberger Verfassung (14.8.1919) geleistet hatten, kam es erst 1920, dann aber ununterbrochen bis 1933, zur Übernahme der Regierung, meist in Koalition mit dem Bauernbund und der Bayerischen Mittelpartei/DNVP. Standen den Regierungen bis 1924 noch hohe Beamte (1920/21 Gustav von Kahr, 1921/22 Hugo von Lerchenfeld, 1922–24 Eugen von Knilling) mit nur loser Beziehung zur Partei vor, die rechten Umtrieben im Land viele Entfaltungsmöglichkeiten (z. B. Einwohnerwehren) ließen, so übernahm 1924 mit H. Held erstmals ein profilierter Parteipolitiker das Amt des Ministerpräsidenten. Er übte dieses bis 1933 aus, allerdings seit 20.8.1930 nach dem Austritt des Bauernbundes aus der Koalition nur noch geschäftsführend. In der Regierungszeit der B. V. gelangen der Abschluss des für die Kulturpolitik und das eigenstaatliche Selbstverständnis wichtigen bayerischen Konkordats (1924), eine Stabilisierung der Wirtschaft, eine umstrittene Verwaltungsreform und der Ausbau der Infrastruktur.
Im Reich war die B. V. mit kurzen Unterbrechungen von 1922–32 mit dem Postministerium (1923/24 Justizministerium) an den Regierungen beteiligt. Folgenschwer war die Entscheidung, bei der Reichspräsidentenwahl von 1925 nicht den Zentrumskandidaten Wilhelm Marx, sondern Paul von Hindenburg zu unterstützen.
4. Auflösung
Nach der „Gleichschaltung“ Bayerns, in der Nacht vom 9./10.3.1933, wurden führende Persönlichkeiten der B. V. wie Karl Stützel oder F. Schäffer verhaftet, z. T. verschleppt und misshandelt. Ende Juni kam es erneut zu Verhaftungen. Am 4.7.1933 gab Eugen Graf Quadt zu Wykradt und Isny vom Gefängnis Stadelheim aus die Selbstauflösung der Partei bekannt.
Literatur
W. Becker: Ein bayerischer Sonderweg? Die Bayerische Volkspartei und die Republik von Weimar, in: W. Pyta (Hg.): Die Herausforderung der Diktaturen, 2009, 39–63 • M. Steber: „… dass der Partei nicht nur äußere, sondern auch innere Gefahren drohen“. Die Bayerische Volkspartei im Jahr 1933, in: A. Wirsching (Hg.): Das Jahr 1933, 2009, 70–91 • C. Friemberger: Sebastian Schlittenbauer und die Anfänge der Bayerischen Volkspartei, 1998 • K. Schönhoven: Die Bayerische Volkspartei 1924–1932, 1972.
Empfohlene Zitierweise
C. Friemberger: Bayerische Volkspartei (BVP), Version 22.10.2019, 17:30 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Bayerische_Volkspartei_(BVP) (abgerufen: 22.11.2024)