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Version vom 14. November 2022, 06:01 Uhr
1. Grundlagen
Die Institution der W. stellt einen Teil des gesellschaftsrechtlichen Regelwerks (Corporate Governance) dar und erfüllt eine wichtige ökonomische Aufgabe: Damit Jahresabschlüsse ihre Informations- und Entscheidungsfunktion gegenüber Eigen- und Fremdkapitalgebern als auch weiteren Interessenten (z. B. Lieferanten, Arbeitnehmern, Staat) erfüllen können, müssen sie verlässlich sein, d. h. den Normen entsprechen und ein realitätsnahes Bild über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zeichnen. Es liegt deshalb nahe, die Abschlüsse durch eine unabhängige Instanz, den sog.en Abschluss- oder Wirtschaftsprüfer, verifizieren zu lassen. Dies gilt v. a. dann, wenn angestellte Manager das Unternehmen leiten, also eine Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt zu konstatieren ist (= Publikumsgesellschaften). Vorschriften zur Abschlussprüfung finden sich in Deutschland sowohl im HGB als auch in rechtsformspezifischen Spezialgesetzen.
2. Prüfungspflicht
Die gesetzliche Pflicht, den Jahresabschluss und ggf. den Konzernabschluss (d. h. den Abschluss einer Unternehmensgruppe) prüfen zu lassen, ist primär von der Rechtsform und der Größe abhängig. Prüfungspflichtig sind nach § 316 HGB mittelgroße und große Kapitalgesellschaften (z. B. AG, KGaA, GmbH) sowie ihnen gleich gestellte Personenhandelsgesellschaften (z. B. GmbH & Co. KG). Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften i. S. d. § 264d HGB gelten stets als große und sind immer prüfungspflichtig. Eine Prüfungspflicht besteht weiterhin für europäische (Aktien-)Gesellschaften (SE) sowie Genossenschaften (§ 53 Abs. 2 GenG). Sonstige Personenhandelsgesellschaften sowie Einzelkaufleute sind prüfungspflichtig, sofern sie die Größenkriterien des § 1 Abs. 1 PublG erfüllen (§ 6 Abs. 1 PublG). Tochterunternehmen unterliegen hingegen nicht der Prüfungspflicht, wenn von den Befreiungen nach § 264 Abs. 3 bzw. § 264b HGB Gebrauch gemacht wird. Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 HGB) und Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a HGB) sind von der Prüfungspflicht befreit.
Ferner existieren bes. Vorgaben für bestimmte Branchen und Unternehmen. So unterliegen Kreditinstitute nach § 340k Abs. 1 HGB, Finanzdienstleistungsinstitute nach §§ 340 Abs. 4, 340k Abs. 1 HGB, Versicherungen nach § 341k Abs. 1 HGB und Kapitalanlagegesellschaften nach § 19d InvG i. V. m. § 340k HGB der Pflichtprüfung. Im öffentlichen Bereich sind die Jahresabschlüsse der Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen Hand ebenso zu prüfen wie die Rechenwerke bestimmter Spezialeinrichtungen, z. B. der Deutschen Bundesbank. Schließlich können sich Unternehmen bei fehlender Prüfungspflicht freiwillig prüfen lassen, wobei derartige Prüfungen häufig auch durch den Gesellschaftsvertrag oder die Satzung vorgesehen sein können.
Die Prüfungspflicht für den Konzernabschluss ergibt sich ebenfalls aus § 316 HGB. Für Konzerne, die nach dem PublG zur Konzernrechnungslegung verpflichtet sind, ist § 14 PublG einschlägig.
3. Prüfungsgegenstand, -inhalte und -ergebnis
Gegenstand der Prüfung sind der Jahresabschluss (d. h. die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung und der Anhang) sowie der Lagebericht. Weiterhin sind die zugrundeliegende Buchführung und bei börsennotierten AGs das Risikofrüherkennungssystem zu prüfen (§ 91 Abs. 2 AktG).
Bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften, die nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses (§ 290 HGB) verpflichtet sind, erstreckt sich die Prüfung auch auf die Kapitalflussrechnung, den Eigenkapitalspiegel sowie ggf. die Segmentberichterstattung (vgl. für den Konzernabschluss § 297 Abs. 1 HGB).
Inhaltlich ist die Abschlussprüfung als Gesetz- und Ordnungsmäßigkeitsprüfung angelegt. Im Rahmen der Prüfung des Jahres- und Konzernabschlusses ist festzustellen, ob die gesetzlichen Vorschriften zur Erstellung des Abschlusses sowie ergänzende Bestimmungen aus Gesellschaftsvertrag oder Satzung eingehalten sind. Mit diesem Fokus soll die Verlässlichkeit der übermittelten Informationen und damit deren Glaubwürdigkeit und Relevanz für die Adressaten sichergestellt werden. Diese Forderung wird in § 317 HGB weiter präzisiert: Die Prüfung ist so anzulegen, dass Unrichtigkeiten und Verstöße gegen die genannten Bestimmungen, die sich unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung auf das Bild der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens wesentlich auswirken, bei gewissenhafter Berufsausübung erkannt werden. Der Prüfungsumfang kann ferner durch Spezialgesetze erweitert werden, z. B. um die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung bei Genossenschaften (§ 53 Abs. 1 GenG) oder bei Wirtschaftsbetrieben der öffentlichen Hand (§ 53 Abs. 1 HGrG).
Die Abschlussprüfung ist als Stichprobenprüfung mit dem Ziel konzipiert, auf der Basis geeigneter Prüfungshandlungen und -nachweise ein Prüfungsurteil mit ausreichender Sicherheit abgeben zu können (§ 322 HGB). Praktisch wird die Prüfung am Geschäftsrisiko des Unternehmens ausgerichtet. Dadurch stehen zunächst Prüfungshandlungen zur Risikobeurteilung sowie Funktionsprüfungen im Mittelpunkt. Die Risikobeurteilung bezieht sich – neben dem rechtlichen und ökonomischen Umfeld des Prüfungsobjekts – insb. auf den Aufbau sowie die Implementierung des internen Kontrollsystems, mit dem wesentliche Fehlaussagen im Abschluss und Lagebericht vermieden werden sollen. Mit Funktionsprüfungen wird die Wirksamkeit von Kontrollen v. a. in fehleranfälligen Bereichen beurteilt. Auf der Basis der aus diesen Handlungen gewonnenen Feststellungen legt der Prüfer in der Folge den Umfang der aussagenbezogenen Prüfungshandlungen fest, die zum einen analytische Prüfungshandlungen, d. h. Plausibilitätsbeurteilungen unter Verwendung von u. a. Trendanalysen und Verhältniszahlen, und zum anderen Einzelfallprüfungen umfassen. Im weiteren Verlauf der Prüfung sind Prüfungsstrategie und -plan auf der Basis sich ergebender neuer Erkenntnisse ggf. anzupassen. Grundlage sind dabei stets die einschlägigen Prüfungsnormen, die die gesetzlichen Vorschriften sowie berufsständische Verlautbarungen (u. a. die Prüfungsstandards des IDW) umfassen.
Über das Ergebnis der Abschlussprüfung berichtet der Prüfer zunächst mit dem Prüfungsbericht (§ 321 HGB), der Art und Umfang sowie die Feststellungen und das Ergebnis der Prüfung zusammenfasst und sich an die Organe des Unternehmens (AG: Vorstand und Aufsichtsrat) richtet, die den Jahresabschluss feststellen müssen (§§ 170 ff. AktG). Ferner muss der Prüfer im Rahmen der Bilanzsitzung des Aufsichtsrats (oder des Prüfungsausschusses) mündlich über die Prüfung berichten (§ 171 AktG). Gegenüber Dritten wird das Ergebnis der Prüfung im Bestätigungsvermerk nach § 322 HGB zusammengefasst. Bei wesentlichen Einwendungen und/oder Hemmnissen ist das Testat einzuschränken oder zu versagen.
4. Abschlussprüfer
Gesetzliche Pflichtprüfungen sind Wirtschaftsprüfern und W.s-Gesellschaften vorbehalten (§ 319 Abs. 1 S. 1 HGB). Bei mittelgroßen Kapitalgesellschaften oder GmbH & Co. KGs dürften auch vereidigte Buchprüfer (bzw. entspr.e Gesellschaften) die Prüfung durchführen (§ 319 Abs. 1 S. 2 HGB). Der Prüfer wird von der Haupt-/Gesellschafterversammlung jährlich gewählt. Bei der Auftragsannahme muss der Prüfer Unabhängigkeitsanforderungen der §§ 319, 319a und 319b HGB beachten. Für fahrlässige Pflichtverletzungen ist die Haftung des Abschlussprüfers nach § 323 Abs. 2 HGB begrenzt.
Literatur
K.-U. Marten/R. Quick/K. Ruhnke: Wirtschaftsprüfung. Grundlagen des betriebswirtschaftlichen Prüfungswesens nach nationalen und internationalen Normen, 62020 • IDW (Hg.): Hdb. Wirtschaftsprüfung und Rechnungslegung, 162019 • A. Wagenhofer/R. Ewert: Externe Unternehmensrechnung, 32015.
Empfohlene Zitierweise
S. Mölls: Wirtschaftsprüfung, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Wirtschaftspr%C3%BCfung (abgerufen: 23.11.2024)