Malthusianismus: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 14. November 2022, 05:57 Uhr
Der M. ist eine bevölkerungstheoretische und -politische Konzeption, die auf den Ideen von Thomas Robert Malthus (Klassiche Nationalökonomie) beruht, dessen Hauptwerk „An Essay on the Principle of Population“ 1798 erschien.
T. R. Malthus geht davon aus, dass die Bevölkerung (Demographie) dazu tendiert, stärker zu wachsen als das verfügbare Nahrungsangebot („geometrisches“ versus „arithmetisches“ Wachstum [Malthus 1798: 112]). Die deshalb unvermeidliche Beschränkung des Bevölkerungswachstums kann durch zwei Mechanismen zustande kommen. Positive Gegenkräfte („positive checks“ [Malthus 1798: 71]) können in Form von Hunger bzw. Elend oder von „Laster“ bestehen: Zum einen führt ein Bevölkerungsüberschuss (relativ zur Nahrungsmittelproduktion) zwangsläufig zu einer Verschlechterung der Nahrungsmittelversorgung und damit der Lebensverhältnisse, wodurch die Geburtenrate sinkt und die Sterberate steigt, sodass die Bevölkerung schließlich wieder ins Gleichgewicht mit der Nahrungsmittelproduktion kommt; zum anderen kann das Entstehen eines Bevölkerungsüberschusses „künstlich“, durch Kontrazeption, verhindert werden, was von T. R. Malthus als lasterhaft verurteilt wird. Aber auch durch präventive Gegenkräfte („preventive checks“ [Malthus 1798: 52]) kann verhindert werden, dass die Bevölkerung zu stark wächst. Diese bestehen in einem „moralischen“ Verhalten, nämlich sexueller Enthaltsamkeit oder späten Eheschließungen. T. R. Malthus und seine Zeitgenossen betonten v. a. die Begrenzung der Bevölkerung durch Hunger und Elend. Diese „positive Gegenkraft“ diente insb. David Ricardo zur Rechtfertigung seiner Subsistenzlohntheorie, da über dem Subsistenzlohn liegende Löhne zu einer vermehrten Reproduktion der Arbeiterschaft und in der Folge zu einem höheren Arbeitskräfteangebot und wieder sinkenden Löhnen führen würden. Auf ähnliche Weise wurde, auch von T. R. Malthus selbst, gegen sozialpolitische Maßnahmen (Sozialpolitik) zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Arbeiterschaft argumentiert: Diese würden nicht dazu führen, dass es den Adressaten einer solchen Politik dauerhaft besser gehe, sondern nur dazu, dass die Zahl derselben zunehmen würde.
Für die Analyse der aktuellen Überbevölkerungsproblematik sind die Ideen von T. R. Malthus wenig relevant. Zum einen vernachlässigt er die Möglichkeit des technischen Fortschritts in der Nahrungsmittelproduktion, die den von ihm thematisierten Konflikt zwischen Bevölkerungswachstum und Nahrungsmittelversorgung zwar nicht auf Dauer zu beseitigen, aber doch zumindest für längere Zeit zu entschärfen vermag. Zum anderen konnte er nicht voraussehen, wie eine dauerhafte Lösung dieses Konflikts aussehen würde – nämlich eine Abnahme der Geburtenrate, die nicht durch Hunger und Elend erzwungen, sondern durch eine mit sozialem und ökonomischem Fortschritt einhergehende Präferenzänderung sowie die allg.e Verfügbarkeit von Kontrazeptiva ermöglicht wird.
T. R. Malthus hat den Verdienst, als erster auf die mit dem Wachstum der menschlichen Bevölkerung einhergehenden Probleme hingewiesen zu haben. Seit der Veröffentlichung seines Essays ist es keine Frage mehr, ob Bevölkerungswachstum ein Problem sein kann, sondern nur, wie Überbevölkerung verhindert werden kann.
Literatur
F. Söllner: Die Geschichte des ökonomischen Denkens, 42015 • M. Blaug: Economic Theory in Retrospect, 51996 • J. M. Pullen: Malthus, Thomas Robert, in: J. Eatwell/M. Milgate/P. Newman (Hg.): The New Palgrave. A Dictionary of Economics, Bd. 3, 1987, 280–285 • T. R. Malthus: An Essay on the Principle of Population, 1798.
Empfohlene Zitierweise
F. Söllner: Malthusianismus, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Malthusianismus (abgerufen: 25.11.2024)