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Version vom 20. November 2019, 16:40 Uhr
Internet und soziale Medien haben nicht nur die Kanäle politischer Kommunikation vervielfacht, sondern zugleich die Art der Kommunikation und damit auch die Interaktionsmöglichkeiten zwischen politischen Akteuren, gesellschaftlichen Gruppen und Bürgern erheblich verändert. Bereits mit den Anfängen des Internets in den 1990er Jahren haben sich die Möglichkeiten der Informationsverbreitung ebenso wie die der Informationsgewinnung deutlich erweitert. Die Dynamik der technischen Entwicklung (drahtlose Netzwerke, Internet über mobile Endgeräte, social software, social media) hat zusätzlich neue Formen der Online-Kommunikation und -Interaktion hervorgebracht. Im Gegensatz zu den klassischen Massenmedien und ihrer eindimensionalen und indirekten Kommunikation ermöglicht die Digitalisierung Ortlosigkeit und Entgrenzung, Schnelligkeit und Synchronität (Echtzeit-Kommunikation), Multimodalität (Kombination von Text, visuellen und auditiven Elementen) sowie Interaktivität, wobei ein wichtiges Merkmal im Erstellen nutzergenerierter Inhalte besteht (Digitale Revolution). Mit Hilfe digitaler Medien können alle politischen Akteure auf allen Ebenen Bürger direkt adressieren, mit ihnen in den Dialog treten und deren Interessen (Interesse) und Bedarfe erfragen. Zugleich sind politische Entscheidungsträger ebenso wie intermediäre Institutionen (Parteien, Interessengruppen etc.) herausgefordert, insofern Bürger sich über digitale Medien (Microblogs wie Twitter, soziale Netzwerke wie Facebook etc.) an Willensbildungsprozessen beteiligen oder über elektronische Formen (e-petitions, Unterschriftenaktionen, Netzkampagnen etc.) politische Entscheidungen beeinflussen können.
1. Terminologische Klärung und Definition
Längst ist eine Vielzahl an Begriffen, meist mit dem Präfix „E-“, entstanden (wie E-G., E-Participation, E-Democracy etc.), die in der Literatur unterschiedlich benutzt und abgegrenzt werden. Gemäß der Speyerer Definition von E-G. handelt es sich um „die Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit Regieren und Verwalten (Government) mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien.“ (von Lucke/Reinermann o. J.: 1). Dabei ergeben sich drei Interaktionsfelder: 1) G2G: Damit ist der Austausch zwischen Institutionen und Behörden gemeint, der sowohl horizontal – zwischen kommunalen, regionalen, nationalen oder supra- bzw. internationalen Stellen – als auch vertikal – zwischen Institutionen dieser verschiedenen Ebenen – stattfinden kann; 2) G2C oder C2G bezieht sich auf den Austausch zwischen Regierung und Bürger und zwar entweder in der top-down (Regierung zu Bürger) oder bottom-up-Adressierung (Bürger zu Regierung); 3) G2B oder B2G umfasst die Interaktionen zwischen Regierung und Wirtschaft – wiederum in beiden Richtungen.
Für den politischen Bereich sind folgende Angebote von E-G. besonders relevant: die Bereitstellung von Informationen für Bürger, überwiegend auf Websites (E-Information); die Möglichkeit, mit dem Bürger in Dialog zu treten (E-Communication, E-Consultation), etwa über netzbasierte Diskussionsforen; die Anwendung elektronischer Lösungen für Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung (E-Service, E-Transaction) wie etwa elektronische Steuererklärungen, Kfz-Zulassungen, Anträge auf Sozialhilfe etc. Betrachtet man E-G. zuvorderst als das „internetgestützte Abwickeln interner und externer administrativer Vorgänge mit größerer Geschwindigkeit und Interaktivität“ (Grunwald et al. 2006: 62) oder kurz als elektronische Verwaltung, dann stellt dies die schwächste Form der Einbeziehung des Internets in politische Prozesse dar. Der Bürger gilt hier als Verbraucher, dem eine bürgerfreundliche Verwaltungsleistung in Form von Online-Abwicklung behördlicher Vorgänge ermöglicht werden soll. Zudem spielt die Kostensenkung für Bürger und Unternehmen eine Rolle. Die Leistung des Netzes wird hier weniger im Sinne demokratiebelebender Aspekte gesehen; Ziel ist vielmehr die effektivere und dezentrale Bearbeitung von Dienstleistungen und Problemen. Freilich kann zugleich erhöhte Transparenz erreicht werden. Oft werden zu E-G. allerdings auch Angebote für Diskurs, Konsultation oder Partizipation gezählt. So kann nach der VN E-G. von Regierungen zugleich genutzt werden, um Bürger zu befähigen (empowerment) und am politischen Leben zu beteiligen (inclusion) durch besseren Zugang zu Informationen (Information) und Dienstleistungen sowie durch die Möglichkeit, ihre Interessen hörbar zu machen gegenüber politischen Entscheidungsträgern.
2. Umsetzung von E-Government weltweit
Unabhängig davon, wie umfassend die Ziele formuliert werden, besteht großer Konsens hinsichtlich des Potenzials von E-G. für die Verbesserung staatlichen Handelns, auch im Hinblick auf mehr Bürgernähe. Internationale Organisationen wie UNO, Weltbank oder OECD entwickelten daher ebenso entsprechende Strategien oder Empfehlungen zur Umsetzung von E-G. wie nationale Regierungen oder subnationale Einheiten. Praktisch jedes deutsche Bundesland hat eine eigene E-G.-Strategie. Die Digitale Agenda der EU, eingebettet in die Europa 2020-Strategie wiederum, ist sehr stark auf die wirtschaftliche Dimension fokussiert.
Einen guten Überblick über die Umsetzung von E-G.-Instrumenten bietet der E-G.-Index der VN, der anhand von drei Indikatoren (Online Services, technischer Infrastruktur, Humankapital/Bildung) praktisch alle Länder erfasst. Es überrascht nicht, dass hier die Länder mit hohem Einkommen klare Vorteile haben und höhere E-G.-Entwicklung aufweisen. Des Weiteren verdeutlichen die Daten und Rangfolgen der neuesten Studie der VN (2014), welche Dynamik in diesem Bereich herrscht. Während insb. Länder Südostasiens und Ozeaniens (Australien und Ozeanien) (Australien, Japan, Singapur) in den letzten Jahren stark aufgeholt haben und nun neben den Spitzenreiter Südkorea gerückt sind, haben die vormals traditionell gut aufgestellten Skandinavier deutlich verloren. Zugleich wird erkennbar, dass E-G. (und auch E-Participation)-Angebote durchaus nicht auf Demokratien (Demokratie) beschränkt sind. Immer wieder tauchten autokratische Regime in der Gruppe der best performer auf; das gilt in insbesondere für Singapur und Bahrein, das 2014 sogar vor Deutschland (Rang 21) liegt. Auch Autokratien haben das Potenzial von E-G. durchaus erkannt; ob dies dann zur Modernisierung und Effizienzsteigerung staatlichen Handelns genutzt wird, als Basis zur Kontrolle der Bürger dient oder zur Legitimierung des Regimes, bedarf weiterer Erforschung.
In Deutschland sind vor allem die Länder sehr aktiv: Während der Bund 32 Projekte betreibt, sind es dort 344, auf kommunaler Ebene 104. Auffällig ragt Mecklenburg-Vorpommern heraus, mit deutlichem Abstand gefolgt von Nordrhein-Westfalen.
3. Grenzen von E-Government
Ähnlich wie bei Internet oder sozialen Medien finden sich auch in der Debatte um E-G. netzeuphorische Positionen. Teils handelt es sich um stark normativ geprägte (Befähigung auf der individuellen Ebene), teils um techno-deterministische Annahmen. Selbst der Blick auf die entwickelten Demokratien zeigt, dass die Wirkung von E-G. verschiedenen Grenzen unterliegt. Zu nennen ist hier zunächst die technische Infrastruktur. So ist in Deutschland die flächendeckende Versorgung mit leistungsstarken Internetverbindungen erst für 2018 vorgesehen. Selbst in der EU gibt es digital divides, deutliche Unterschiede in der Intensität und Qualität der Internetnutzung nach Ländern, vor allem in Bezug auf Alter und Bildung. Weitere sensible Aspekte sind die Datensicherheit (Informationssicherheit) sowie der Schutz der Privatsphäre (Persönlichkeitsrechte). Regierungen, die E-G. anbieten, müssen die Sicherheit im Netz garantieren können und Vorkehrungen vor Übergriffen treffen, damit Bürger Vertrauen entwickeln und die Angebote nutzen.
Literatur
M. Kneuer: Mehr oder weniger demokratische Qualität durch das Internet?, in: BIS, 64/4 (2014): 196–206 • M. Kneuer: Demokratischer durch das Internet? Potenzial und Grenzen des Internets für die Stärkung der Demokratie, in: S. Schieren (Hg.): Demokratischer durch das Internet?, 2012: 33–67 • W. J. Schünemann: E-Government und Netzpolitik – eine konzeptionelle Einführung, in: ders./S. Weiler (Hg.). E-Government und Netzpolitik im europäischen Vergleich, 2012: 9–39 • A. Grunwald u. a.: Netzöffentlichkeit und digitale Demokratie. Tendenzen politischer Kommunikation im Internet, 2006 • J. von Lucke/H. Reinermann: Speyrer Definition von Electronic Government, o. J.; http://foev.dhv-speyer.de/ruvii (abger.: 30.7.2015) • IT-Planungsrat: E-Government Landkarte; https://www.e-government-landkarte.de/?q=vorhaben-finden (abger.: 30.7.2015) • VN: E-Government Survey.
Empfohlene Zitierweise
M. Kneuer: E-Government, Version 22.10.2019, 17:30 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/E-Government (abgerufen: 24.11.2024)