AKP-Staaten: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 8. Juni 2022, 08:11 Uhr
1. Begriff und Ziele
Mit AKP-S. wird eine Gruppe von Staaten des afrikanisch-karibisch-pazifischen Raums bezeichnet, die durch das Abkommen von Georgetown (Guyana) vom 6.6.1975 institutionalisiert wurde. Fast ausschließlich ehemalige Kolonien der europäischen Mächte und etwa zur Hälfte zugleich LDCs, umfasst die AKP-Gruppe im Jahr 2016 mit 79 Mitgliedern alle Staaten Subsahara-Afrikas außer dem Südsudan (48 Staaten), alle karibischen Inselstaaten (Lateinamerika und Karibik) einschließlich Kuba plus Surinam und Guyana (16), sowie alle Staaten des Forums Pazifischer Inseln einschließlich Timor-Leste und Mikronesien (15). Zusammen umfassen sie ca. 1,03 Mrd. Einwohner, davon allein die afrikanischen Mitgliedsstaaten ca. 980 Mio. Die Gründung als intergouvernementaler Staatenverband erfolgte mit primär entwicklungspolitischer Absicht (Entwicklungspolitik): Art. 2 des Abkommens von Georgetown nennt insb. die Umsetzung der Kooperationsvereinbarungen von Lomé mit der EG, die Entwicklung gemeinsamer Positionen gegenüber der EG und die allg.e Kooperation untereinander und mit regionalen Organisationen als Ziele. Folgerichtig tritt die AKP-Gruppe als internationale Organisation außerhalb der Beziehungen zur EG/EU kaum in Erscheinung.
2. Organisation
Organe der AKP-Gruppe sind der Ministerrat als zentrales Gremium zur grundsätzlich einstimmigen Beschlussfassung, der Botschafterausschuss sowie das Generalsekretariat. Der Ministerrat aus primär den Außen-, Handels- oder (seit 2004) Kulturministern tagt regulär halbjährlich. Die Koordination der Arbeit des Botschafterausschusses erfolgt durch ein vom Ministerrat bestimmtes geschäftsführendes Büro aus neun Mitgliedern (vier afrikanischen, einem karibischen und einem pazifischen, zzgl. eines Vorsitzenden plus dessen Vorgänger und designiertem Nachfolger) mit sechs technischen Subkomitees. Dem Generalsekretariat obliegt v. a. die Überwachung der Umsetzung und die Weiterentwicklung der Abkommen mit der EG/EU. Ergänzt werden diese ursprünglichen Organe durch seit 1997 stattfindende Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs sowie seit 2005 durch eine Beratende Versammlung aus Parlamentariern aus zunächst 27, mittlerweile ca. 60 Mitgliedsstaaten. Hinzu kommt die institutionalisierte Kooperation mit der EU in Form einer Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP/EU und gemeinsamen Ministertagungen. Seit 2001 unterhält die AKP-Gruppe mit Unterstützung der EU außerdem ein Büro bei der WTO in Genf. Das in Brüssel angesiedelte Generalsekretariat verfügt neben dem eigentlichen Sekretariat und einem Konferenzdienst mittlerweile über vier kleine Fachabteilungen, was auf eine durch Gipfelbeschlüsse seit 1997 initiierte programmatische Erweiterung der Ziele der AKP-Gruppe auf eine verstärkte gemeinsame Positionierung im globalen ökonomischen und geopolitischen Kontext zurückzuführen ist.
3. Entwicklungskooperation mit der EU
Prägend für die AKP-Gruppe als internationale Organisation (Internationale Organisationen) ist jedoch weiterhin das Verhältnis der Mitgliedsstaaten zur EU und ihrer Entwicklungspolitik. Letztere begann mit der Assoziierung von 18 afrikanischen Staaten mit der EWG durch den Vertrag von Yaundé (1964), dem nach dem Beitritt des Vereinigten Königreichs zur EG die Abkommen von Lomé 1975 (mit 46 Staaten), Lomé II 1979 (58), Lomé III 1984 (66) und Lomé IV 1989 (69) folgte. Zentrale Elemente der Lomé-Abkommen waren ein einseitiges Handelspräferenzsystem zugunsten der LDCs sowie ein von der EG getragener Ausgleichsmechanismus zur teilweisen Stabilisierung ihrer Erlöse aus Agrar- und mineralischen Rohstoffexporten (STABEX bzw. SYSMIN). Zur Finanzierung der Zusammenarbeit mit den AKP-S. (und der Förderung überseeischer Gebiete der EU) dient der 1959 eingerichtete Europäische Entwicklungsfonds. Das so etablierte Unterstützungssystem wurde insb. dahingehend kritisiert, dass
–es keine Impulse zur Diversifizierung und Modernisierung der Exportwirtschaft der AKP-S. gab, ohne eine Einnahmengarantie bei massiven Weltmarktpreisschwankungen zu bieten.
–trotz des Präferenzsystems keine Konkurrenzfähigkeit der heimischen Bauern gegenüber der industrialisierten Agrarwirtschaft der EU ermöglicht wurde.
–Probleme mit Korruption, Bürokratie und mangelnder industrieller Kooperation weiterbestanden.
Im Vertrag von Cotonou von 2000 (2005 und 2010 überarbeitet), den die EU mit 77 AKP-S. (ohne Südafrika und Kuba) für eine Laufzeit von 20 Jahren abschloss, wurden neben technischer und finanzieller Unterstützung zur Reduzierung von Armut sowie zur Förderung wettbewerbsorientierten privatwirtschaftlichen Engagements insb. politische Prinzipien der Good Governance (Governance) mit Sanktionsmöglichkeiten durch Kürzung oder Einstellung von Entwicklungshilfeleistungen betont.
4. Herausforderungen
Eine wesentliche Besonderheit des Cotonou-Abkommens ist die Verpflichtung der Vertragspartner zur Umwandlung des Handelspräferenzsystems (inkl. STABEX und SYSMIN) zu Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements), um eine mit den Regeln der WTO konforme Integration der AKP-S. in das liberale Weltwirtschaftssystem zu ermöglichen. 2002 begannen die Gespräche der EU mit den AKP-S. rund um das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen auf regionaler Ebene mit
–der Westafrikanischen Gruppe (&pfv;ECOWAS plus Mauretanien)
–Zentralafrika (CEMAC plus Sao Tome und Principe sowie der Demokratischen Republik Kongo)
–der Gruppe Ost- und Südliches Afrika (ESA)
–der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC)
–der &pfv;SADC-Gruppe (zunächst ohne Südafrika, das bereits seit 2000 ein Freihandelsabkommen mit der EU hat)
–CARIFORUM (CARICOM plus Dominikanische Republik
–dem Forum Pazifischer Inseln.
Versuche, eine gemeinsame Verhandlungsposition aller AKP-S. zu etablieren, waren wenig erfolgreich, so dass der Prozess der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zu einer Regionalisierung des Handels- und Entwicklungshilfesystems und damit zu einem praktischen Bedeutungsverlust der AKP-Gruppe als Ganzes führt. Kritiker der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen verweisen auf eine durch Druck der EU zustande gekommene Betonung von Handelsliberalisierung, Deregulierung und Privatisierung der Wirtschaft sowie eine Vernachlässigung sozialer und ökologischer Aspekte in den Verhandlungen. Bis zum Sommer 2015 schloss die EU regionale Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit dem CARIFORUM (2008 unterzeichnet), der Westafrikanischen Gruppe (2014 paraphiert), der SADC inkl. Südafrika (2014 paraphiert), und der EAC (2015 paraphiert) ab. Ferner bestehen seit 2009 bilaterale Interimsabkommen mit sieben weiteren Staaten. Es ist zu erwarten, dass die ohnehin beschränkte Bedeutung der AKP-Gruppe in der Entwicklungszusammenarbeit und Kooperation der LDCs mit dem Auslaufen des Cotonou-Abkommens 2020 noch weiter abnehmen wird.
Literatur
T. Heron: Trading in development: Norms and institutions in the making/unmaking of European Union-African, Caribbean and Pacific trade and development cooperation, in: Contemporary Politics 20/1 (2014), 10–22 • P. Holden: Tensions in the discourse and practice of the European Union’s Aid for Trade, in: Contemporary Politics 20/1 (2014), 90–102 • A. R. Young/J. Peterson: „We care about you, but …“: The politics of EU trade policy and development, in: CRIA 26/3 (2013), 497–518 • E. Altvater/B. Mahnkopf: „Global Europe“. Der liberale Imperialismus der Europäischen Union, in: Blätter 52/12 (2007), 1471–1486 • M. Busse/S. Gröning: Verbesserung der Regierungsführung in den AKP-Ländern?, in: Wirtschaftsdienst 87/11 (2007), 761–765 • J. Huber: The Past, Present and Future ACP-EC Trade Regime and the WTO, in EJIL 11/2 (2000), 427–438 • O. A. Babarinde: The Lomé Conventions and Development, 1994 • H. Gerth-Wellmann: Die „Lomé-Politik“ der Europäischen Gemeinschaft, 1984.
Empfohlene Zitierweise
R. Rotte: AKP-Staaten, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/AKP-Staaten (abgerufen: 25.11.2024)