Konkordatslehrstühle: Unterschied zwischen den Versionen

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C. Waldhoff: Konkordatslehrstühle, Version 04.01.2021, 09:00 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Konkordatslehrstühle}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
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C. Waldhoff: Konkordatslehrstühle, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Konkordatslehrstühle}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
 
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Version vom 8. Juni 2022, 08:15 Uhr

1. Begriff, Bestand und aktuelle Entwicklung

K. sind nicht-theologische Lehrstühle bzw. Professuren, die zwar außerhalb theologischer Fakultäten angesiedelt sind, die aber dennoch konkordatärer Bindung (Konkordat) und damit einem diözesanbischöflichen Nihil obstat unterliegen. Nach der gegenwärtigen Rechtslage bestehen K. fast ausschließlich in Bayern; gemäß Art. 3 § 5 des Bayerischen Konkordats „unterhält [der Staat] an den Universitäten Augsburg, Erlangen-Nürnberg, München (Ludwig-Maximilians-Universität), Passau, Regensburg und Würzburg sowie an der Gesamthochschule Bamberg in einem für das erziehungswissenschaftliche Studium zuständigen Fachbereich je einen Lehrstuhl für Philosophie, für Gesellschaftswissenschaften und für Pädagogik, gegen deren Inhaber hinsichtlich ihres katholisch-kirchlichen Standpunkts keine Erinnerung zu erheben ist“. Außerhalb von Bayern finden sich K. nur noch – für die Fächer Geschichte und Philosophie an den philosophischen Fakultäten – an den Universitäten Freiburg und Mainz. Auf evangelischer Seite fehlt ein vergleichbares Institut. Lediglich hinsichtlich der kirchenrechtlichen Lehrstühle an den juristischen Fakultäten München und Erlangen-Nürnberg bestehen ähnliche Bindungen. Anders als bei den theologischen Fakultäten begrenzt sich bei K.n der Umfang der kirchlichen Mitwirkungsrechte auf ein bloßes (vorheriges) Erinnerungsrecht hinsichtlich Lehre und Lebenswandel.

Ein jüngeres Gerichtsverfahren um die Besetzung des philosophischen K.s an der Universität Erlangen-Nürnberg hat die Frage nach der Vereinbarkeit gerade der bayerischen Lehrstühle mit dem GG zum Objekt der Aufmerksamkeit werden lassen, nachdem der BayVerfGH in einem älteren Verfahren zumindest dann keine Bedenken hatte, sofern daneben noch andere Lehrstühle des betroffenen Faches bestehen und den Studierenden damit Wahlmöglichkeiten bleiben (BayVerfGH, BayVBl 1980: 462). Im Frühjahr 2013 haben die bayerischen Bischöfe der Freisinger Bischofskonferenz erklärt, von einer Ausübung des Nihil obstat bei K.n in Zukunft abzusehen. Somit verbleiben de facto nur die Freiburger und Mainzer Lehrstühle.

2. Historischer Hintergrund

Historisch galt die Einrichtung katholisch gebundener nichttheologischer Professuren zunächst der Sicherung der konfessionellen Parität in weltanschaulich sensiblen Gebieten im protestantisch geprägten (preußischen) Hochschulwesen des 19. Jh., war also gewissermaßen eine Form positiver Diskriminierung avant la lettre. In Preußen entwickelte sich etwa an der Bonner, Breslauer und Münsteraner Universität die Praxis, in sensiblen Fächern (traditionell Geschichte, Philosophie und Kirchenrecht) konfessionell unterschiedlich besetzte Parallel-Lehrstühle einzurichten. Erstmals vertraglich festgehalten wurde diese Übung anlässlich der Einrichtung der katholischen Theologiefakultät in Straßburg 1902. Schon damals trat freilich anstelle der urspr. paritätischen Motivation die Rolle besagter Fächer für die Theologenausbildung als Ziel in den Vordergrund und setzte sich schließlich bei späteren Normierungen von K.n vollends durch: dem Bayerischen Konkordat von 1924, das in seiner urspr.en Fassung die Gründung gebundener Geschichts- und Philosophielehrstühle in München und Würzburg (später auch in Regensburg) vorsah, sowie dem Badischen Konkordat von 1932, nach dessen Schlussprotokoll zu Art. IX der Inhaber einer Geschichts- und einer Philosophieprofessur an der Universität Freiburg „für die einwandfreie Ausbildung der Theologiestudierenden geeignet“ sein muss. Dieser der Theologenausbildung dienende Typus in den Fächern Geschichte und Philosophie fand kurz nach dem Krieg anlässlich der Neugründung der Mainzer Theologenfakultät 1946 eine letzte Umsetzung.

Einen neuen Typ von K. brachte in Bayern die Verabschiedung von der Bekenntnisschule 1968, in deren Folge die vormaligen konfessionellen Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten eingegliedert wurden.

3. Rechtliche Problematik

Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von K. ist im Vergleich zu den theologischen Fakultäten ungleich strittiger. Wie bei diesen stößt sich das diözesanbischöfliche Nihil obstat auch hier am Trennungsgrundsatz des Art. 140 GG i. V. m. 137 Abs. 1 und 3 WRV sowie insb. an den grundrechtlichen Gleichheitspositionen des Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 und 3 GG (bzw. dem inhaltsgleichen Art. 136 Abs. 2 WRV) und allg.er aus Art. 3 Abs. 3 GG; freiheitsrechtlich sind außerdem Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und Art. 5 Abs. 3 GG berührt. Anders als bei theologischen Lehrstühlen kann die grundlegende Rechtfertigung über die Bekenntnisbindung der zu lehrenden Inhalte bei profanen pädagogischen, historischen etc. Lehrstühlen nicht greifen. Als Rechtfertigung belastbarer ist dagegen der Verweis auf die Rolle der Philosophie für die Theologenausbildung nach Mainzer und Freiburger Modell; da dagegen der (Profan-)Geschichte (in Gegensatz zur Kirchengeschichte) keinerlei Bedeutung für das theologische Studium zukommt, werden die geschichtlichen Lehrstühle weitgehend als verfassungswidrig angesehen. Für die bayerischen K. wird daneben entspr. ihrer Zielsetzung der Bedarf für die Lehrerausbildung betont: allg. für Religionslehrer, bes. aber für Lehrer an christlichen Gemeinschaftsschulen mit der Möglichkeit der Bildung von Bekenntnisklassen, sowie an konfessionellen Privatschulen. Der bayerische Staat genüge so in legitimer Weise dem landesverfassungsrechtlichen Auftrag aus den Art. 131 Abs. 2, 135, 136 und 134 BayVerf. Das kann verfassungsrechtlich allenfalls teilweise überzeugen. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht des Art. 137 Abs. 3 WRV greift hier nicht, da es sich bei den öffentlichen Schulen gerade nicht um innerkirchliche Angelegenheiten handelt, die einer konfessionellen Rückbindung bedürften; sie bleiben ausschließlich staatliche Veranstaltungen, deren christliche Prägung nach dem BVerfG nur mehr eine kulturell-abendländische sein darf. Sofern hingegen die Lehrstühle der Religionslehrer- und Theologenausbildung (und in gewissem Grad der Ausbildung von Lehrern in Bekenntnisklassen) dienen, lässt sich zur Begründung Art. 137 Abs. 3 WRV zunächst heranziehen: Diese Ausbildungen führen in Berufe, die auch inhaltlich einer kirchlichen Rückbindung bedürfen. Mit der jüngsten Initiative der bayerischen Bischöfe verliert die verfassungsrechtliche Frage freilich einen Großteil ihrer Relevanz. Jedenfalls aber die verbleibenden geschichtlichen Lehrstühle in Freiburg und Mainz sind auch nach großzügigen Maßstäben verfassungsrechtlich nur schwer zu halten. Allein für die dortigen philosophischen Lehrstühle lässt sich eine Rechtfertigung unternehmen.