Rechnungshöfe: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 8. Juni 2022, 08:17 Uhr
1. Begriff und Bedeutung
R. sind oberste Rechnungsprüfungsbehörden des Bundes und der Länder. Sie prüfen extern, d. h. organisatorisch von der Verwaltung getrennt. Die Verwaltung wird unmittelbar geprüft. R. arbeiten unabhängig und frei von Weisungen.
R. bilden somit die institutionalisierte Pflicht der Regierung zur Verantwortung gegenüber dem Parlament im Haushaltswesen. Die Rechnungsprüfung flankiert die Budgethoheit des Parlaments und sichert ihre Durchsetzung. Die Notwendigkeit einer externen Finanzkontrolle ist unbestritten und system- wie zeitenübergreifend anerkannt.
2. Geschichtliches
Die Institution einer unabhängigen Rechnungskontrolle weist eine Tradition von über 300 Jahren auf: Der Sächsische Ober-Rechen-Rat von 1707 und die Preußische General-Rechenkammer von 1714 bilden die historische Basis einer öffentlichen Finanzkontrolle in Deutschland.
3. Rechnungshöfe in Bund und Ländern
3.1 Verfassungsrechtliche Bestandsgarantie
Alle R. des Bundes und der 16 Länder sind verfassungsrechtlich garantiert, sie besitzen also eine institutionelle Bestandsgarantie (BRH: Art. 114 GG). Organisation und Arbeitsweise sind einfachgesetzlich ausgestaltet (Gesetz LRH und BHO/LHO). Stellung und Aufgaben sind wegen der zwingenden Vorgaben der §§ 42–47 HGrG weitgehend identisch geregelt.
Da Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft eigenständig sind (Art. 30 i. V. m. Art. 109 GG), verfügen sie jeweils über einen eigenen unabhängigen R.; der BRH ist den Landes-R.n nicht übergeordnet und besitzt demzufolge kein Aufsichts- oder Weisungsrecht.
3.2 Aufgaben
Alle R. entsprechen dem dualen Aufgabenleitbild der schlichten Rechnungsprüfung einerseits und der rechnungsunabhängigen Finanzkontrolle andererseits (Bund: Art. 114 Abs. 1 und 2 GG). Die R. prüfen also zum einen die äußere, buchhalterische Korrektheit der Haushaltsrechnung mit den Einnahmen und Ausgaben, die der Finanzminister zur Entlastung der Regierung jährlich dem Parlament vorzulegen hat. Zum anderen obliegt den R.n die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung, d. h. aller finanzrelevanter Vorgänge im Bund bzw. Land einschließlich der Sondervermögen und Betriebe (§ 88 Abs. 1 BHO/LHO).
Es gilt das Prinzip der Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle; es soll also keine prüfungsfreien Räume geben. Politische Entscheidungen der Regierung unterliegen grundsätzlich nicht der R.-Kontrolle (wohl aber ihre finanziellen Auswirkungen).
3.3 Personal und Organisation
Das Personal der R. besteht aus den Mitgliedern und sonstigen Beamten und Bediensteten. Richterliche Unabhängigkeit besitzen (nur) die Mitglieder (Bund: Art. 114 Abs. 2 i. V. m. Art. 97 GG), d. h., ihnen stehen Entscheidungsfreiheit und Weisungsfreiheit wie Richtern zu. Dieser Sonderstatus sichert zugl. die Unabhängigkeit der Institution R. Die Sonderstellung der R. gegenüber anderen Behörden kommt auch darin zum Ausdruck, dass der Präsident und z. T. weitere Mitglieder direkt vom Parlament gewählt werden und damit demokratisch legitimiert sind.
R. sind durchweg kollegial organisiert. Sie besitzen also keine monokratische Struktur wie üblicherweise die staatlichen Behörden, sondern üben ihre Tätigkeit in Senaten aus. Im Verhältnis zur sonstigen Bundes-/Landesverwaltung handelt es sich um kleine Behörden. So sind in Brandenburg nur 0,3 % aller Beschäftigten des öffentlichen (Landes-)Dienstes beim LRH tätig.
3.4 Prüfungstätigkeit
Das klassische Instrument der Finanzkontrolle ist die Prüfung, vgl. § 88 Abs. 1 BHO/LHO. Prüfen bedeutet in diesem Kontext einen Sachverhalt festzustellen, in seinen finanzwirksamen Auswirkungen zu bewerten und daran anknüpfend Empfehlungen auszusprechen. Es werden alle finanzwirksamen Maßnahmen und Entscheidungen geprüft, also neben den Ausgaben auch die Einnahmen (vgl. § 89 Abs. 1 BHO/LHO). Die R. entscheiden in eigener Verantwortung darüber, ob, wann und wie geprüft wird.
Prüfungsmaßstäbe sind die Ordnungsmäßigkeit (rechnerische Richtigkeit und Rechtmäßigkeit) und die Wirtschaftlichkeit (optimale Zweck-Mittel-Relation zwischen Kosten und Nutzen) der Haushalts- und Wirtschaftsführung.
Es gibt eine Vielzahl von Prüfungsmethoden. Neben allg.en Prüfungen, die eine Einrichtung ganz oder teilweise in den Prüffokus nehmen, sind z. B. System-, Orientierungs-, Querschnitts- oder Kontrollprüfungen vorgesehen.
Die Prüfungen werden schriftlich angekündigt. Nach einem einführenden Gespräch schließen sich regelmäßig örtliche Erhebungen an, wobei § 95 BHO/LHO den R.n einen umfassenden Auskunftsanspruch einräumt.
Die Ergebnisse der Prüfungen werden den geprüften Stellen mitgeteilt (§ 96 BHO/LHO). Von diesem Zeitpunkt an bestehen im Grundsatz medienrechtliche Auskunftsansprüche. Das Ergebnis der rechnungsabhängigen wie rechnungsunabhängigen Prüfung werden Parlament und Regierung dann in einem jährlichen Bericht übermittelt und zugl. der Öffentlichkeit vorgestellt. Er bildet das Konzentrat der Finanzkontrolle und dient als Grundlage für die Entlastung der Regierung.
Daneben kommen den R.n in föderal unterschiedlicher Dichte auch Beratungsaufgaben zu (grundlegend § 88 Abs. 2 BHO/LHO). Bes. intensiv ist diese Beratung, wenn dem R.-Präsidenten auch die Aufgaben des Beauftragten für die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung übertragen wurde, wie es beim Bund, in Rheinland-Pfalz und in Hessen der Fall ist.
Den R.n obliegt hinsichtlich der von ihnen kontrollierten Vorgänge keine rechtsgestaltende Kraft. Dieser Ausfluss des Gewaltentrennungsgrundsatzes verwehrt ihnen eine Verwerfungskompetenz oder ein Selbsteintrittsrecht. Sie können (und müssen!) nur, aber immerhin argumentativ überzeugen. Das bekannte Diktum des zahnlosen Tigers beschreibt diesen Umstand überzogen-anschaulich. Ihre Wirkmacht ist also kaum messbar, zumal im Idealfall bereits ihre bloße Existenz präventiv verhaltenskorrigierend wirken kann.
In den letzten Jahren ist die Tätigkeit der R. deutlich aus dem Arkanum der intrastaatlichen Finanzkontrolle herausgetreten. Grund hierfür ist zunächst ein gesteigertes mediales Interesse an den Prüfungsergebnissen. Aber auch die R. selbst beschreiten zusehends den Weg vom althergebrachten in-camera-Verfahren zu einer eigenen aktiven Information der Öffentlichkeit. Es wird sich zeigen, wie in Zukunft die Funktionsfähigkeit der externen Finanzkontrolle mit dem Gebot größerer Transparenz zum Ausgleich gebracht wird.
4. Supranational
Auf der Ebene der EU ist nach Art. 285 bis 287 AEUV eine Zuständigkeit des EuRH gegeben. Einnahmen und Ausgaben der EU unterliegen ebenfalls der einfachen Rechnungsprüfung und der rechnungsunabhängigen Finanzkontrolle.
Literatur
C. Gröpl (Hg.): BHO/LHO. Komm., 22019 • H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck (Hg.): Komm. zum Grundgesetz, 72018 • A. Hissen: 300 Jahre externe Finanzkontrolle, in: D. Engels (Hg.): 300 Jahre externe Finanzkontrolle in Deutschland. FS zur 300. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechenkammer, 2014, 21–50 • N. Janz/S. Luckas: Transparenz und Rechnungsprüfung – Zur Reichweite von Auskunftsersuchen Privater und der Presse, in: NWVBl 28/8 (2014), 285–289 • A. Reus/P. Mühlhausen: Haushaltsrecht in Bund und Ländern, 2014 • M. J. Vogt: Zur Informationstätigkeit des Bundesrechnungshofes, 2013.
Empfohlene Zitierweise
N. Janz: Rechnungshöfe, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Rechnungsh%C3%B6fe (abgerufen: 22.11.2024)