Schengen: Unterschied zwischen den Versionen

K (Schengen)
K (Schengen)
Zeile 2: Zeile 2:
 
<h2 class ="headline-w-margin">1. Begriff und Entwicklung</h2>
 
<h2 class ="headline-w-margin">1. Begriff und Entwicklung</h2>
 
<p>
 
<p>
S. ist eine Gemeinde in Luxemburg, in der 1985 das S.er Abkommen geschlossen wurde und nach der das darauf basierende System der Personenverkehrsfreiheit ohne Kontrollen an den Binnengrenzen benannt wird. Das Abkommen wurde von fünf (Frankreich, Deutschland, Belgien, Luxemburg, Niederlande) der damals zehn Mitgliedstaaten der EWG als {{ #staatslexikon_articlemissing: völkerrechtlicher Vertrag | Völkerrechtliche Verträge }} geschlossen und stellt somit eine Form der verstärkten Zusammenarbeit außerhalb der EU-Verträge, aber mit Bezug zum Unionsrecht dar (innerhalb der EU-Verträge jetzt in Art.&nbsp;20 EUV, Art.&nbsp;326–334; speziell dazu Art.&nbsp;87 Abs.&nbsp;3 UAbs.&nbsp;1, 4 AEUV geregelt, ferner flexible Integration durch Ausnahmebestimmungen in Protokollen zu den Verträgen). 1990 wurden im SDÜ Ausführungsbestimmungen vereinbart. 1995 wurde das S.er Regime in Kraft gesetzt. Durch den Vertrag von Amsterdam (1997) wurde, wie bereits im SDÜ vorgesehen, der sog.e S.-Besitzstand in das Unionsrecht übernommen. Durch den Vertrag von Lissabon wurde dies in das Kapitel über den RFSR eingebunden (Art.&nbsp;77–89 AEUV). Die VO (EG) 526/2006, jetzt VO (EU) 2016/339 (S.er Grenzkodex), die VO 810/2009 (Visakodex) und die RL 2008/115 („Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger“) haben die entspr.en Teile des SDÜ aufgehoben und ersetzt. Irland und das Vereinigte Königreich nehmen nur eingeschränkt teil, insb. nicht am Wegfall der Grenzkontrollen. Für Dänemark gilt das S.-Recht auf völkerrechtlicher Basis. Bulgarien und Rumänien erfüllen noch nicht die Voraussetzungen u.&nbsp;a. für die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen. Auch Zypern nimmt noch Grenzkontrollen vor. In das S.-System einbezogen sind die EWR-Mitgliedstaaten Island, Norwegen und Liechtenstein sowie die Schweiz.
+
S. ist eine Gemeinde in Luxemburg, in der 1985 das S.er Abkommen geschlossen wurde und nach der das darauf basierende System der Personenverkehrsfreiheit ohne Kontrollen an den Binnengrenzen benannt wird. Das Abkommen wurde von fünf (Frankreich, Deutschland, Belgien, Luxemburg, Niederlande) der damals zehn Mitgliedstaaten der EWG als [[Völkerrechtliche Verträge|völkerrechtlicher Vertrag]] geschlossen und stellt somit eine Form der verstärkten Zusammenarbeit außerhalb der EU-Verträge, aber mit Bezug zum Unionsrecht dar (innerhalb der EU-Verträge jetzt in Art.&nbsp;20 EUV, Art.&nbsp;326–334; speziell dazu Art.&nbsp;87 Abs.&nbsp;3 UAbs.&nbsp;1, 4 AEUV geregelt, ferner flexible Integration durch Ausnahmebestimmungen in Protokollen zu den Verträgen). 1990 wurden im SDÜ Ausführungsbestimmungen vereinbart. 1995 wurde das S.er Regime in Kraft gesetzt. Durch den Vertrag von Amsterdam (1997) wurde, wie bereits im SDÜ vorgesehen, der sog.e S.-Besitzstand in das Unionsrecht übernommen. Durch den Vertrag von Lissabon wurde dies in das Kapitel über den RFSR eingebunden (Art.&nbsp;77–89 AEUV). Die VO (EG) 526/2006, jetzt VO (EU) 2016/339 (S.er Grenzkodex), die VO 810/2009 (Visakodex) und die RL 2008/115 („Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger“) haben die entspr.en Teile des SDÜ aufgehoben und ersetzt. Irland und das Vereinigte Königreich nehmen nur eingeschränkt teil, insb. nicht am Wegfall der Grenzkontrollen. Für Dänemark gilt das S.-Recht auf völkerrechtlicher Basis. Bulgarien und Rumänien erfüllen noch nicht die Voraussetzungen u.&nbsp;a. für die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen. Auch Zypern nimmt noch Grenzkontrollen vor. In das S.-System einbezogen sind die EWR-Mitgliedstaaten Island, Norwegen und Liechtenstein sowie die Schweiz.
 
</p>
 
</p>
 
<h2 class ="headline-w-margin">2. Regelungen der Personenverkehrsfreiheit im Schengen-Raum</h2>
 
<h2 class ="headline-w-margin">2. Regelungen der Personenverkehrsfreiheit im Schengen-Raum</h2>
Zeile 35: Zeile 35:
 
</div>
 
</div>
 
<p id="quotation1">
 
<p id="quotation1">
R. Streinz: Schengen, Version 14.08.2021, 13:00 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Schengen}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
+
R. Streinz: Schengen, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Schengen}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
 
</p>
 
</p>
 
</div>
 
</div>
 
</div>
 
</div>
 
{{ #staatslexikon_track_view: {{ARTICLEPAGENAME}} }}
 
{{ #staatslexikon_track_view: {{ARTICLEPAGENAME}} }}

Version vom 8. Juni 2022, 08:18 Uhr

1. Begriff und Entwicklung

S. ist eine Gemeinde in Luxemburg, in der 1985 das S.er Abkommen geschlossen wurde und nach der das darauf basierende System der Personenverkehrsfreiheit ohne Kontrollen an den Binnengrenzen benannt wird. Das Abkommen wurde von fünf (Frankreich, Deutschland, Belgien, Luxemburg, Niederlande) der damals zehn Mitgliedstaaten der EWG als völkerrechtlicher Vertrag geschlossen und stellt somit eine Form der verstärkten Zusammenarbeit außerhalb der EU-Verträge, aber mit Bezug zum Unionsrecht dar (innerhalb der EU-Verträge jetzt in Art. 20 EUV, Art. 326–334; speziell dazu Art. 87 Abs. 3 UAbs. 1, 4 AEUV geregelt, ferner flexible Integration durch Ausnahmebestimmungen in Protokollen zu den Verträgen). 1990 wurden im SDÜ Ausführungsbestimmungen vereinbart. 1995 wurde das S.er Regime in Kraft gesetzt. Durch den Vertrag von Amsterdam (1997) wurde, wie bereits im SDÜ vorgesehen, der sog.e S.-Besitzstand in das Unionsrecht übernommen. Durch den Vertrag von Lissabon wurde dies in das Kapitel über den RFSR eingebunden (Art. 77–89 AEUV). Die VO (EG) 526/2006, jetzt VO (EU) 2016/339 (S.er Grenzkodex), die VO 810/2009 (Visakodex) und die RL 2008/115 („Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger“) haben die entspr.en Teile des SDÜ aufgehoben und ersetzt. Irland und das Vereinigte Königreich nehmen nur eingeschränkt teil, insb. nicht am Wegfall der Grenzkontrollen. Für Dänemark gilt das S.-Recht auf völkerrechtlicher Basis. Bulgarien und Rumänien erfüllen noch nicht die Voraussetzungen u. a. für die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen. Auch Zypern nimmt noch Grenzkontrollen vor. In das S.-System einbezogen sind die EWR-Mitgliedstaaten Island, Norwegen und Liechtenstein sowie die Schweiz.

2. Regelungen der Personenverkehrsfreiheit im Schengen-Raum

Die S.-Regelungen sehen den Wegfall der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen, den Grenzübertritt an den Außengrenzen, Aufenthaltstitel und Sichtvermerke, die Behandlung von Asylanträgen sowie die polizeiliche Zusammenarbeit vor. Nach dem S.er Grenzkodex dürfen die S.er Binnengrenzen an jeder beliebigen Stelle überschritten werden. An den Binnengrenzen finden grundsätzlich keine Personenkontrollen statt. Stichproben hinter den Landesgrenzen sind zulässig, dürfen aber nicht die gleiche Wirkung haben wie Grenzübertrittskontrollen. Auf den Flughäfen erfolgt eine getrennte Abfertigung für Flüge aus dem S.-Raum und aus anderen Staaten. Für Ausländer aus Drittstaaten wurden einheitliche Einreisevoraussetzungen festgelegt. Die Erteilung eines einheitlichen S.-Visums durch einen S.-Staat berechtigt zu einem Kurzaufenthalt in allen S.-Staaten, ein erteilter Aufenthaltstitel zur Reisefreiheit. Für Flüchtlinge, die um Aufnahme (Asyl) suchen, gelten bes. Regelungen (vgl. Dublin-III VO 2013/604 und „Asylpaket“ des EU-Rechts). Um der inneren Sicherheit Rechnung zu tragen, wurde die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit (Informationsaustausch, grenzüberschreitende Observation und Verfolgung von Straftätern – sog.e Nacheile) intensiviert. Die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen ist bei schwerwiegenden Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit vorübergehend (30 Tage) mit jeweiligen Verlängerungen bis zu maximal sechs Monaten zulässig. Soweit nicht sofortiges Handeln geboten ist, sind die anderen S.-Staaten und die Europäische Kommission zuvor zu informieren. Dies erfolgte bei Großereignissen wie Fußball-Europa- oder Weltmeisterschaften oder im Vorfeld von G8- bzw. G7- oder G20- Gipfeln (Genua, Heiligendamm, Elmau, Hamburg). Bei außergewöhnlichen Umständen sind Grenzkontrollen von bis zu zwei Jahren möglich. Davon wurde von Deutschland wegen des Flüchtlingszustroms und von Frankreich wegen der Terroranschläge 2015 Gebrauch gemacht. Um das mit der Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen verbundene Sicherheitsdefizit auszugleichen, ist neben der Intensivierung der polizeilichen Zusammenarbeit eine entspr.e Kontrolle an den S.-Außengrenzen erforderlich. Diese muss zuverlässig sein, um dem mit dem Verzicht auf Eigenkontrollen verbundenen gegenseitigen Vertrauen zu entsprechen. Dies erfordert eine hinreichende Ausstattung (zur Sicherung der Außengrenzen im Zusammenwirken mit FRONTEX: RFSR) und insb. zuverlässige gegenseitige Informationen. Dem soll das S.er Informationssystem (SIS) dienen, in welchem Informationen nach Personen, nach denen polizeilich gefahndet wird, automatisiert grenzüberschreitend zur Verfügung gestellt werden. Dieses wurde, auch im Hinblick auf die Terrorismusbekämpfung, zu dem S.er Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) fortentwickelt. Das Europäische Grenzkontrollsystem EUROSUR (VO 1052/2013) verbessert durch Vernetzung der bestehenden Überwachungssysteme und Datenbanken die Kooperation der Grenzschutzstellen und damit die Grenzkontrollen. Dass weiterer Verbesserungsbedarf besteht, zeigt zuletzt die VO (EU) 2019/817 „zur Errichtung eines Rahmens für die Interoperabilität zwischen EU-Informationssystemen in den Bereichen Grenzen und Visa“.

3. Probleme und Perspektiven

Die Abschaffung der Personenkontrollen an den Binnengrenzen war eine der sichtbarsten Leistungen in der Herstellung eines der Definition in Art. 26 Abs. 2 AEUV entspr.en Binnenmarktes (Europäischer Binnenmarkt). Dies setzt aber voraus, dass die mit Grenzkontrollen verbundenen Sicherheitsbedürfnisse hinreichend kompensiert werden. Hier zeigten sich Defizite im gegenseitigen Informationssystem, wodurch Straftaten bis hin zu Terroranschlägen nicht verhindert wurden. Verbunden mit (z. T. bewusst) fehlenden Kontrollen durch Mitgliedstaaten, die sich in der „Flüchtlingskrise“ 2015 durch den „Massenzustrom“, den „plötzlichen Zustrom von Drittstaatsangehörigen“ (Begriffe in Art. 78 Abs. 2 lit. c und g AEUV, der dafür an sich Regelungen vorsieht) und dem jedenfalls darauf nicht ausgerichteten Dublin-III-System überfordert sahen, führte dies zur Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen (Deutschland; Ausnahmezustand in Frankreich), die nach wie vor anhalten. Unabhängig davon, ob diese ihren Zweck wirklich erfüllen: Der Binnenmarkt einer wirklichen Europäischen Union verlangt Lösungen zu ihrer Abschaffung.