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Version vom 14. November 2022, 05:55 Uhr
1. Begriff und Rechtsform
Der F. ist der Ort der würdigen Bestattung und des Andenkens der Verstorbenen sowie der Pflege der Gräber. Er besteht aus einer räumlich abgegrenzten und eingefriedeten Fläche, die durch Widmung eines öffentlichen, also kommunalen oder kirchlichen Rechtsträgers zu einer unselbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts wird. Der Widmungszweck findet sich zumeist in den Bestattungsgesetzen der Länder, denen entspr. der Kompetenzverteilung in Art. 70 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz zukommt. Für Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft besteht gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 10 GG eine konkurrierende Zuständigkeit des Bundes, von der er durch Erlass des Gräbergesetzes Gebrauch gemacht hat. F.e entstehen durch Widmung (nach katholischem Kirchenrecht: Benediktion, can. 1240 § 1 CIC) und Indienststellung. Die Schließung eines F.es geschieht in zwei Schritten: mit der Außerdienststellung werden weitere Bestattungen eingestellt. Nach Ablauf der Ruhefristen erfolgt die Entwidmung. Der F. verliert den Anstaltscharakter, der Widmungszweck endet und das Grundstück kann zu anderen Zwecken verwendet werden. Bei der Planung und Genehmigung von F.en sind Erfordernisse der Raumordnung (Raumordnung und Landesplanung) und Bauplanung ebenso zu beachten wie der Gesundheits-, Gewässer- und Landschaftsschutz. Im Zuge zurückgehender Bestattungszahlen gewinnt der Aspekt der F.s-Entwicklungsplanung sowie der Umgang mit Überhangflächen an Bedeutung.
2. Wandel der Friedhofskultur
Gesellschaftliche Veränderungen haben seit Ende des 20. Jh. zu einem „Wandel der Bestattungskultur“ geführt, der zwangsläufig auch einen Wandel der F.s-Kultur bewirkt. War seit dem 19. Jh. der F. „der“ öffentliche oder kirchliche Ort für eine würdige Bestattung der Toten, wird dies zunehmend in Frage gestellt. Alternative Bestattungsformen und -orte treten neben die traditionellen F.e. Zugl. wird der F. nicht mehr ausschließlich als Bestattungs- und Gedenkort angesehen, sondern als öffentliche Grünanlage oder Erholungsort genutzt (s. ausdrücklich § 2 Abs. 4 Friedhofsgesetz Berlin). Ältere F.e geraten in das Blickfeld des Denkmalschutzes.
3. Trägerschaft
Neben den Kommunen kommen auch andere K.d.ö.R. als F.s-Träger in Frage, mithin die verfassten Religionsgemeinschaften mit Körperschaftsstatus wie bspw. die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden bzw. -stiftungen sowie die jüdischen Gemeinden. Private können in einigen Bundesländern insoweit F.e errichten und betreiben, als sie durch die Kommunen beliehen werden können. In anderen Bundesländern ist lediglich vorgesehen, dass die Gemeinden und die Religionsgemeinschaften, die K.d.ö.R. sind, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritter bedienen können, die Trägerschaft aber bei der Gemeinde verbleibt. Auf dieser Rechtsgrundlage werden z. B. Friedwälder und Ruheforste gewerblicher GmbHs sowie muslimische F.e errichtet und betrieben. Seit 2014 kann in NRW auch die Trägerschaft für F.e ohne friedhofstypische Merkmale, auf denen ausschließlich Totenasche im Wurzelbereich des Bewuchses ohne Behältnis vergraben wird, übertragen werden (§ 1 Abs. 6 Bestattungsgesetz NRW).
4. Friedhofszwang
In Deutschland besteht grundsätzlich die Pflicht zur Bestattung auf einem öffentlichen F. (F.s-Zwang). Dies ist nach der Rechtsprechung des BVerwG mit dem GG vereinbar, wenn auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Der F.s-Zwang berührt nach dem BVerfG insb. nicht die Menschenwürde (BVerfGE 50, 256, 262).
Der Bestattungszwang für Leichen bzw. der Beisetzungszwang für Aschereste verbunden mit dem F.s-Zwang führen dazu, dass von den Kommunen als Pflichtaufgabe F.e vorzuhalten sind. Sind ausreichend kirchliche F.e vorhanden, besteht keine Pflicht zur Anlage weiterer öffentlicher F.e. Als Ausnahme vom F.s-Zwang sind in bes.n Ausnahmefällen behördlich genehmigte private Begräbnisstätten zulässig.
Mit Rücksicht auf einen entspr.en, schriftlich geäußerten Willen des Verstorbenen sehen die F.s-Gesetze der Länder (ohne Berlin, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt) die Möglichkeit einer Seebestattung vor. In Bremen und NRW ist bei entspr.er schriftlicher Verfügung des Verstorbenen unter gesetzlich geregelten Bedingungen das Verstreuen von Ascheresten außerhalb von F.en zulässig.
5. Kirchliche Friedhöfe
Die Kirchen haben das Recht, eigene F.e zu errichten und zu betreiben. Es handelt sich seit jeher um eine eigene Angelegenheit der Kirchen, die sie im Rahmen der allg.en Gesetze ausüben, nicht um eine vom Staat übertragene Aufgabe, wie teilweise in der Literatur und Rechtsprechung angenommen wird.
Nach dem Recht der römisch-katholischen Kirche (Kirchenrecht) sollen dort, wo es möglich ist, kircheneigene F.e betrieben werden, oder aber auf weltlichen F.en zumindest Bereiche, die für das Begräbnis der verstorbenen Gläubigen bestimmt sind, can. 1240 § 1 CIC. In den einzelnen Diözesen sind Gesetze zur Wahrung der F.s-Ordnung zu erlassen, can. 1243 CIC. Für die evangelische Kirche bestehen auf der Ebene der Landeskirchen zahlreiche Rechtsverordnungen und Richtlinien über die Anlage kirchlicher F.e. Kirchenrechtlich möglich wären auch katholische Bereiche auf evangelischen F.en oder gemeinsame christliche F.e, die nicht zwingend in gemeinsamer Trägerschaft stehen müssten. Denkbar sind Modelle, in denen entweder die evangelische oder die katholische Kirche die Trägerschaft übernimmt und die Regelungen für den gemeinsamen F. im Einvernehmen mit der anderen Religionsgemeinschaft erlässt.
6. Kolumbarien
Kolumbarien (columbarium, lateinisch Taubenschlag) sind zum einen meist steinerne Urnenwände auf F.en, zum anderen werden nicht mehr benötigte Kirchengebäude, die als Kirche profaniert und nachfolgend als F. gewidmet werden, als Kolumbarien bezeichnet. Die Nutzung eines Teiles einer Kirche als Kolumbarium ist nach katholischem Kirchenrecht zulässig, wenn dieser Teil baulich getrennt, durch Dekret profaniert (can. 1242 CIC: Bestattungsverbot in Kirchen) und nachfolgend als F. gesegnet wird (can. 1240 § 1 CIC).
7. Friedhofssatzung; Verkehrssicherungspflicht
Die F.s-Satzung (F.s-Ordnung) regelt die Beziehungen zwischen dem F.s-Träger und den F.s-Benutzern, insb. die Ordnung auf dem F., Bestattung, Grabstätten, Grabmale und Benutzung der F.s-Einrichtungen. Der Anspruch auf Zulassung zum F. ist stets öffentlich-rechtlicher Natur. Das Abwicklungsverhältnis kann öffentlich-rechtlich (Regelfall) oder privatrechtlich ausgestaltet sein. Die Rechtsetzungsbefugnis ist angesichts des F.s-Zwangs beschränkt durch den F.s-Zweck, höherrangiges Recht (insb. Willkürverbot, Gleichbehandlungsgrundsatz) und eine etwaige Monopolstellung. Die Rechtsetzungsbefugnis der Kirchen mit Wirkung für den staatlichen Bereich folgt aus dem Körperschaftsstatus. F.s-Satzungen sind öffentlich bekannt zu machen. Bei Gestaltungsvorschriften für Gräber ist die grundrechtlich geschützte Freiheit der Grabgestaltung, die aus dem allg.en Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) folgt, zu beachten. Es müssen ausreichend Flächen ohne bes. Gestaltungsvorschriften zur Verfügung stehen. Ausgeschlossen werden darf stets alles, was „der Würde des Ortes abträglich oder sonst wie geeignet ist, Ärgernis zu erregen und die Benutzer in ihren Empfindungen ernsthaft zu stören oder zu verletzen“ (Gaedke 2015: 106). Ein Verbot von Grabsteinen aus Kinderarbeit ist wegen des Eingriffs in die Berufsfreiheit der Steinmetze nur aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung zulässig.
Kirchlichen F.s-Trägern kommen größere Gestaltungsspielräume zu, so lange sie nicht aufgrund ihres Monopolcharakters allen Einwohnern am Ort offenstehen müssen. Urnen eingeäscherter Heimtiere können, wenn der F.s-Träger dies zulässt, im Zuge der Bestattung als Grabbeigabe hinzugefügt werden. Die Verkehrssicherungspflicht auf F.en trifft den F.s-Träger. Er hat insb. regelmäßig die Standsicherheit der Grabmale zu überprüfen (Druckprobe).
8. Finanzierung
Gebühren sind in einer separaten Satzung zu regeln und nach Maßgabe der Kommunalabgabengesetze zu erheben. Es gelten der Gleichbehandlungsgrundsatz, das Äquivalenz- und das Kostendeckungsprinzip, allerdings nicht für F.s-Bereiche wie Grün- und Erholungsflächen oder Kriegsgräber. Naherholungsflächen sollten aus dem allg.en Haushalt finanziert werden; richtigerweise müssten die Kommunen zur Finanzierung solcher Flächen auf kirchlichen F.en beitragen. Andersgläubigenzuschläge sind bei kirchlichen F.en ohne Monopolcharakter zulässig.
9. Strafrechtlicher Schutz
F.e genießen bes.n strafrechtlichen Schutz. Als Störung der Totenruhe gelten insb. das Zerstören und Beschädigen einer Beisetzungsstätte sowie das Verüben von beschimpfendem Unfug, § 168 StGB. Die Beschädigung oder Zerstörung von Grabmalen ist gemäß § 304 StGB strafbar. Das Begehen eines Hausfriedensbruchs gemäß § 123 StGB ist möglich.
Literatur
J. Gaedke: Hdb. des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 112016 • P. Axer: Friedhöfe als öffentliche Sachen, in: DÖV 5 (2013), 165–172 • U. Zepf: Der Friedhofsentwicklungsplan im Orchester der Planungsinstrumente Berlins, in: LKV 9 (2013), 389–397 • R. Sörries: Ruhe sanft. Kulturgeschichte des Friedhofs, 2009 • A. von Campenhausen/H. de Wall: Staatskirchenrecht, 42006, § 22 • W. Jung: Staat und Kirche im kirchlichen Friedhofswesen, 1966.
Empfohlene Zitierweise
D. Schrader: Friedhof, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Friedhof (abgerufen: 21.11.2024)