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Version vom 14. November 2022, 05:56 Uhr
1. Begriffsdefinition
In den Wirtschaftswissenschaften stellt I. H. ein Teilgebiet der Außenwirtschaftslehre dar. I. H. umfasst sowohl handelstheoretische als auch handelspolitische Fragestellungen. In der Handelstheorie stehen die Auswirkungen einer Handelsliberalisierung im Vordergrund der Analyse. Dazu wird i. d. R. eine hypothetische Autarkiesituation (Autarkie) als Zustand einer (geschlossenen) Volkswirtschaft ohne jeglichen Außenhandel mit einer idealtypischen Freihandelssituation als Zustand vollkommen unbeschränkten Handels verglichen. Die Handelstheorie liefert dabei Antworten auf die Fragen, warum Länder miteinander handeln, warum sich einzelne Länder auf den Export bestimmter Güter spezialisieren, und inwiefern sich Volkswirtschaften durch die Aufnahme von Handelsbeziehungen gegenüber einer Autarkiesituation besserstellen. Die Handelspolitik analysiert demgegenüber die Verteilungs- und Wohlfahrtswirkungen handelspolitischer Maßnahmen wie Importzöllen, Exportsubventionen oder Quoten. Von bes.m Interesse ist hierbei die Frage, inwiefern sich die Wohlfahrt eines Landes durch wirtschaftspolitische Handelsbeschränkungen im Vergleich zum Freihandel noch weiter verbessern lässt.
2. Handelstheorie
Die wesentlichen theoretischen Erkenntnisse des I.n H.s lassen sich anhand der drei Hauptmodelle der Handelstheorie skizzieren. Ein von David Ricardo Anfang des 19. Jh. vorgestelltes Modell erklärt Handelsbeziehungen mittels internationaler Technologieunterschiede. Im Rahmen dieses Modells stellen sich Nationen durch die Aufnahme internationaler Handelsbeziehungen materiell stets besser als in der Autarkiesituation. Dieses Ergebnis resultiert selbst dann, wenn ein Land alle Produkte mit einem höheren Ressourcenaufwand produziert als seine Handelspartner. Die Aufnahme wohlfahrtsfördernder internationaler Handelsbeziehungen setzt somit keine absoluten Kostenvorteile im Sinne eines im internationalen Vergleich geringeren Ressourcenaufwands in der Produktion voraus, sondern wird einzig durch komparative Vorteile determiniert. Die Handelsgewinne entstehen dabei dadurch, dass sich jedes Land auf die Produktion und den Export jener Güter spezialisiert, die im Vergleich zu allen anderen im Inland produzierbaren Gütern am Weltmarkt die jeweils höchsten Erträge erzielen. Zugl. erlaubt I. H. den Import von Gütern, die im Rest der Welt zu geringeren Kosten und Preisen im Vergleich zur eigenen Inlandsproduktion hergestellt werden.
Komparative Vorteile können alternativ auch aus relativen Ausstattungsunterschieden mit den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital resultieren. Das auf Arbeiten von Eli Heckscher und Bertil Ohlin zu Anfang des 20. Jh. zurückgehende Heckscher-Ohlin-Modell identifiziert komparative Vorteile aus dem Export von Gütern, deren Produktion jenen Faktor intensiv nutzt, mit welchem das jeweilige Land reichlich ausgestattet ist und der somit in diesem Land relativ kostengünstig eingesetzt werden kann. Dieses Spezialisierungsmuster führt dabei ähnlich wie im Ricardo-Modell zu Wohlfahrtsgewinnen in allen am I.n H. beteiligten Ländern. Allerdings realisiert nur der im jeweiligen Land reichlich vorhandene Produktionsfaktor Einkommenszuwächse, während der andere Faktor verliert. Dies impliziert, dass I. H. ggf. staatliche Umverteilungsmaßnahmen erfordert, um alle Wirtschaftsakteure im Vergleich zur Autarkiesituation besser zu stellen.
Die Modelle von D. Ricardo und E. Heckscher-B. Ohlin dienen primär zur Erklärung des I.n H.s mit sehr unterschiedlichen Gütern, wie er zwischen Industrie- und Entwicklungsländern (Nord-Süd-Handel) zu beobachten ist. Sie eignen sich aber nur bedingt zur Erklärung des Handels zwischen Industrieländern (Nord-Nord-Handel). Ein beträchtlicher Teil dieses Handels ist intra-industrieller Art, so dass Produkte der gleichen Produktgruppe von den Handelspartnern sowohl exportiert als auch importiert werden. In einem von Paul Krugman Ende der 1970er Jahre entwickelten Modell resultiert die wohlfahrtsfördernde Wirkung dieser Form des I.n H.s nicht aus komparativen Vorteilen, sondern aus der daraus in jedem Land resultierenden größeren Produktvielfalt, welche aufgrund zunehmender Skalenerträge bei der Produktion im Vergleich zur Autarkiesituation zudem kosten- und preisgünstiger angeboten werden kann.
3. Handelspolitik
In der Handelspolitik wird zwischen tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen unterschieden. Das historisch am häufigsten eingesetzte tarifäre handelspolitische Instrument ist der Importzoll. Dieser begünstigt die Produzenten im Importersatzgütersektor des zollerhebenden Landes zu Lasten der Konsumenten sowie der übrigen Produzenten. Typischerweise führt er insb. in kleinen Ländern zu gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlusten, welche aus einer zollbedingten Fehlallokation der volkswirtschaftlichen Ressourcen resultieren. Exportsubventionen entfalten im Exportsektor dabei ganz ähnliche Wirkungen wie ein Zoll im Importersatzgütersektor. In großen Ländern kann ein Importzoll jedoch einen durch die sinkende Inlandsnachfrage induzierten Preisverfall der Importgüter am Weltmarkt verursachen. Das Inland kann diese Güter dann günstiger vom Ausland beziehen, wodurch die Wohlfahrt des Inlands tendenziell steigt. Gleichzeitig verschlechtert sich die Wohlfahrt des Auslands, da es die inländischen Importgüter nun zu geringeren Preisen an das Inland verkauft. Die Wohlfahrtswirkungen von Exportsubventionen sind hingegen selbst im großen Inland negativ, da sie die Preise der eigenen Exportgüter senken. In oligopolistisch strukturierten Märkten besteht jedoch die Möglichkeit, durch den strategischen Einsatz von Exportsubventionen Oligopolrenten vom Ausland in das Inland zu transferieren, und auf diese Weise das Wohlfahrtsniveau des Inlands auf Kosten des Auslands zu erhöhen.
Im Gegensatz zu tarifären Maßnahmen, welche am Preis ansetzen, und nicht-tarifärer Handelsbeschränkungen z. B. in Form von international unterschiedlichen Produktstandards, werden bei quantitativen Handelsbeschränkungen Mengenlimits in Form von Quoten festgelegt. Während ein Zoll und eine Importquote bei vollständiger Konkurrenz äquivalente Wirkungen zeitigen, entfaltet eine Quote bei Vorliegen von Marktmacht i. d. R. einen größeren Schutzeffekt. Dieses Ergebnis spiegelt sich im Kontingentverbot des Art. XI GATT wider, demzufolge mengenmäßige Beschränkungen bei Importen und Exporten grundsätzlich unzulässig sind.
Literatur
B. Kempa: Internationale Ökonomie, 2012 • P. Krugman/M. Obstfeld/M. Melitz: Internationale Wirtschaft, 2012.
Empfohlene Zitierweise
B. Kempa: Internationaler Handel, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Internationaler_Handel (abgerufen: 23.11.2024)