Politische Stiftungen: Unterschied zwischen den Versionen

K (Politische Stiftungen)
K (Politische Stiftungen)
Zeile 56: Zeile 56:
 
</p>
 
</p>
 
</div>
 
</div>
 +
{{ #staatslexikon_license: }}
 
</div>
 
</div>
 
{{ #staatslexikon_track_view: {{ARTICLEPAGENAME}} }}
 
{{ #staatslexikon_track_view: {{ARTICLEPAGENAME}} }}
 +
[[Category:Politikwissenschaft]]

Version vom 14. November 2022, 05:59 Uhr

1. Auftrag und Selbstverständnis

Die Geschichte der P.n S. (auch: parteinahen S.) in ihrer heutigen Ausprägung hat ihren Ursprung in den Erfahrungen des Scheiterns der Weimarer Republik und des Abgleitens in den Nationalsozialismus. Die junge BRD stand vor der Aufgabe, die Weichen für die Demokratie besser zu stellen. Für eine dauerhafte und tiefgreifende Verankerung demokratischen Bewusstseins in Deutschland sollten künftig auch die von den jeweiligen Parteien legitimierten P.n S. sorgen. Diese sahen sich insb. durch zwei Urteile des BVerfG von 1958 und 1966 herausgefordert, die in Art. 21 GG festgehaltene Mitwirkung der Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes konkret umzusetzen.

Bislang sind in Deutschland sieben P. S. anerkannt. Als älteste war die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung schon 1925 gegründet worden (zunächst zur Förderung der Ausbildung von Arbeiterkindern); ab 1933 verboten, konnte sie ihre Arbeit 1945 wieder aufnehmen und erweitern. 1958 folgte die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung (seit 2007: Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit). Bereits zwei Jahre früher war die Politische Akademie Eichholz durch die CDU gegründet worden, aus der 1964 die Konrad-Adenauer-Stiftung hervorging. 1967 folgte die CSU mit der Hanns-Seidel-Stiftung. Nach der Fusion zahlreicher Einzelstiftungen erhielt das Bündnis 90/Die Grünen 1997 mit der Heinrich-Böll-Stiftung seine parteinahe Stiftung in der heutigen Form. Seit 1998 besitzt die Rosa-Luxemburg-Stiftung der Partei Die Linke einen den anderen Stiftungen vergleichbaren Status. Die jüngste P. S. ist die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung, die nach längeren innerparteilichen Diskussionen seit 2018 als parteinah anerkannt wird.

Mit Ausnahme der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, die eine selbstständige Stiftung des privaten Rechts ist, handelt es sich sonst um eingetragene Vereine. Sie sind privatrechtlich konstituierte Organisationen, die unabhängig und eigenverantwortlich Leistungen erbringen, die im öffentlichen Interesse liegen. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhalten sie als wichtiger Teil der politischen Kultur der BRD rund 90 Prozent ihrer Mittel als institutionelle Förderungen (Globalzuschüsse) sowie als projektgebundene Mittel aus dem Bundeshaushalt. Weitere zehn Prozent stammen von EU, Bundesländern, Kommunen und aus Eigenmitteln. In dieser Form stellen sie eine deutsche Besonderheit dar, die weltweit einmalig ist.

Die öffentliche Finanzierung war nicht immer unumstritten. Es bedurfte 1986 eines weiteren Urteils des BVerfGs, um sie für verfassungskonform zu erklären, zugl. aber eine direkte oder indirekte Parteienfinanzierung durch die P.n S. zu unterbinden und ihren Status als organisatorisch und personell unabhängige Organisationen, die auch in der Praxis die gebotene Distanz zu den jeweiligen Parteien wahren, rechtsverbindlich zu fixieren.

2. Aufgaben

Aufbauend auf den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, der Solidarität, Subsidiarität und gegenseitigen Toleranz, verfolgen alle P.n S. heute in unterschiedlicher Akzentuierung weitgehend identische Aufgaben:

Ihrem geschichtlich begründeten Kernauftrag zur Vermittlung politischer Bildung kommen die Stiftungen jährlich in tausenden von Veranstaltungen unterschiedlichster Formate nach. Ihr Ziel ist es, Interesse für politische Sachverhalte sowie für eine aktive Mitgestaltung des gesellschaftlichen und politischen Lebens zu wecken. Neben der Bereitstellung von Wissen bieten sie auch den Rahmen, in dem in diskursiver Auseinandersetzung eigene Positionen und Wertvorstellungen überprüft sowie demokratische Spielregeln eingeübt werden können. Im Zeitalter wachsender Informationsflut und tendenziell abnehmender Bereitschaft zu politischem Engagement stehen die P.n S. vor der aktuellen Herausforderung, ihrem Kernauftrag als Schule der Demokratie gerecht zu werden.

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt besteht darin, durch politikrelevante Forschung und Beratung (Politikberatung) Grundlagen politischen Handelns zu erarbeiten sowie Dialog und Wissenstransfer zwischen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu vertiefen. In dieser Think-Tank-Funktion nehmen sie forschend, kommunizierend und netzwerkend Einfluss auf den Prozess der Policyentwicklung. Da die Parteien von den ihnen nahestehenden Stiftungen Erkenntnisse gewinnen wollen, die es ihnen erleichtern, tagespolitische Konsequenzen aus längerfristigen gesellschaftlichen Entwicklungen abzuleiten, ist die Parteinähe in diesem Bereich faktisch ausgeprägt. Die rechtlich gebotene Balance innerhalb dieses Spannungsfeldes von Nähe und Distanz zu wahren, bleibt eine der zentralen Herausforderungen auf diesem Feld.

Die Studienförderung bildet einen dritten großen Aufgabenbereich der P.n S., die sämtlich über eigene Studienwerke verfügen, die an bes. begabte bzw. qualifizierte Studierende und Graduierte aus dem In- und Ausland Stipendien vergeben (Begabtenförderung). Bei der Bewerberauswahl achten sie insb. auf fachliche Qualifizierung sowie auf herausragendes gesellschaftliches Engagement. Zur finanziellen Förderung tritt eine ideelle und studienbegleitende durch spezielle Seminarangebote. Bes. Bedeutung kommt den P.n S. schließlich im internationalen Bereich zu.

3. Auslandsarbeit

Ihr gemeinsamer Auftrag im Ausland ist ein doppelter: Zum einen tragen sie durch Informationsvermittlung und Begegnungsprogramme zur Vertiefung des europäischen und internationalen Dialogs bei. Als nichtstaatliche Akteure flankieren sie mit ihrer internationalen gesellschaftspolitischen Arbeit die Verwirklichung außenpolitischer Ziele und Interessen der BRD. Zum anderen leisten sie weltweit in nahezu allen Entwicklungs- und Transformationsländern mit Programmen und Projekten entwicklungspolitische Unterstützung (Entwicklungspolitik) zum Aufbau demokratischer, freiheitlicher und rechtsstaatlicher Strukturen, die den Menschen- und Bürgerrechten verpflichtet sind. Dies geschieht meist langfristig, mit einer kontinuierlichen Präsenz von aus Deutschland entsandten Repräsentanten am Ort und über Kooperationen mit einheimischen Partnern. Zu ihren wichtigsten entwicklungspolitischen Tätigkeitsfeldnern gehören die Stärkung von demokratischen Schlüsselinstitutionen wie Parlamenten, Parteien und einer unabhängigen Justiz ebenso wie die Unterstützung guter Regierungsführung und der Partizipationsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft, die Unterstützung nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung (Nachhaltigkeit), die Armutsbekämpfung, die Förderung umweltbewussten Handelns und die Krisenprävention. Die Bedingungen für die Auslandsarbeit haben sich in zahlreichen Projektländern allerdings sukzessive verschlechtert, so dass sich alle P.n S. gegenwärtig mit einer zunehmenden Verengung ihrer Handlungsspielräume bis hin zu der Grundsatzfrage konfrontiert sehen, ob eine sinnvolle Arbeit in einzelnen Ländern, die in ihnen z. B. „ausländische Agenten“ sehen, überhaupt noch möglich ist.