Staatsanwaltschaft: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 14. November 2022, 06:00 Uhr
1. Rolle und Organisation
Die S. ist trotz ihrer Eingliederung in die Justiz Teil der Exekutive und übt keine rechtsprechende Gewalt i. S. v. Art. 92 GG aus. Anders als die Gerichte findet sie keine Erwähnung im GG, sondern ist einfachgesetzlich im GVG als selbständiges, vom Gericht unabhängiges, notwendiges Organ der Strafrechtspflege etabliert. Nach der Rspr. des BVerfG kommt ihr hierbei die Rolle als „Wächter[in] des Gesetzes“ (BVerfGE 133,168 [220]) und „Garantin für Rechtsstaatlichkeit“ (BVerfGE 133,168 [219]) zu; sie hat in allen Stadien des Strafverfahrens auf die Ermittlung der Wahrheit hinzuwirken und darauf zu achten, dass die rechtsstaatlichen Vorgaben eingehalten werden. Gemeinsam mit den Gerichten erfüllt sie die Aufgabe der Justizgewährung.
Das GVG sieht vor, dass an allen Gerichten S.en vorhanden sind, wobei einzelne S.en für mehrere Gerichte bestimmt sein können. Beim BGH üben der Generalbundesanwalt und die Bundesanwälte das Amt der S. aus. Die Tätigkeit der S. kann beim Amtsgericht auch durch die Amtsanwaltschaft ausgeübt werden (§ 142 GVG).
§§ 146 f. GVG regeln die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte (StA.e), die über Berichtspflichten der S. an die Justizministerien sichergestellt wird. Insb. das externe (ministerielle) Weisungsrecht in Einzelfällen ist in der rechtspolitischen Diskussion seit seiner Einführung 1879 umstritten. Begründet wird es mit der Sicherstellung der parlamentarischen Kontrolle und demokratischen Legitimation der S. als Teil der Exekutive. Reformbemühungen in den 1970er Jahren zur Neuordnung und Formalisierung des Weisungsrechts blieben ohne Erfolg. Die Aufforderung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats gegenüber Deutschland, das Einzelweisungsrecht der Justizministerien abzuschaffen (Resolution 1685/2009), und Reformvorschläge des Deutschen Richterbundes wurden vom Gesetzgeber bislang nicht aufgegriffen. Innerhalb der EU zeichnet sich eine andere Entwicklung ab: Zahlreiche Mitgliedstaaten haben das ministerielle Einzelweisungsrecht abgeschafft; auch die durch VO (EU) 2017/1939 errichtete Europäische S. ist unabhängig und darf externe Weisungen weder einholen noch entgegennehmen (Art. 6 Abs. 1 der VO).
Begrenzt wird das Weisungsrecht freilich durch Art. 20 Abs. 3 GG, der die Exekutive an Gesetz und Recht und damit insb. auch an das in der StPO verankerte Legalitätsprinzip bindet.
2. Aufgaben und Zuständigkeiten
Aufgabenschwerpunkt der S. ist die Verfolgung strafbarer Handlungen. Das aus der Rechtsstaatsgarantie herrührende Legalitätsprinzip verpflichtet die S., bei Vorliegen eines Anfangsverdachtes einzuschreiten (§ 152 StPO). Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes ist jedoch im Rahmen der Opportunitätsvorschriften zulässig (insb. §§ 153 ff. StPO; § 45 JGG). Bei der Erforschung des Sachverhalts ist die S. zur Objektivität verpflichtet, es sind auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln (§ 160 Abs. 2 StPO). Obwohl der Großteil der Ermittlungsarbeit von der Polizei – bei kleinerer und mittlerer Kriminalität auch weitgehend selbständig – durchgeführt wird, ist die S. jederzeit Herrin und Leiterin des Ermittlungsverfahrens und trägt die Gesamtverantwortung für eine rechtsstaatliche und ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens. Über die Beendigung eines Ermittlungsverfahrens, sei es durch Anklage oder Einstellung, entscheidet allein die S. (Anklage- und Einstellungsmonopol). Ein gerichtliches Strafverfahren kann nur auf Anklage und mit notwendiger Mitwirkung der S. durchgeführt werden (Akkusationsprinzip). Ausnahmen hiervon sind die Privatklage und die Befugnis der Finanzbehörde zur Beantragung eines Strafbefehls im Steuerstrafrecht (§ 400 AO). Um eine – länderübergreifend – möglichst einheitliche Behandlung von Straf- und Bußgeldverfahren zu erreichen, sieht die RiStBV Vorgaben für die Durchführung dieser Verfahren vor. Als Verwaltungsvorschrift hat sie jedoch keine Außenwirkung. Auch der weisungsgebundene StA kann bei Besonderheiten im Einzelfall davon abweichen.
Nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens ist die S. auch für die Strafvollstreckung zuständig (§ 451 StPO). Außerhalb des Strafverfahrens kommen ihr u. a. Aufgaben bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und bei der internationalen Rechtshilfe (Amts- und Rechtshilfe) zu. Einzelne Gnadenordnungen der Länder übertragen der S. auch die Aufgaben einer Gnadenbehörde. Bei den Generalstaatsanwaltschaften und beim Generalbundesanwalt sind zudem die nationalen Kontaktstellen für das Europäische Justizielle Netz für Strafsachen angesiedelt.
Literatur
H. Mayer: Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft (§§ 141–152 GVG), in: R. Hannich (Hg.): Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 82019, 2833–2848 • H. Mayer: Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft, in: O. R. Kissel/H. Mayer: Gerichtsverfassungsgesetz, 92018, 972–1011 • E. S. Carsten/E. C. Rautenberg: Die Geschichte der Staatsanwaltschaft in Deutschland bis zur Gegenwart, 32015 • U. Franke: Zehnter Titel. Staatsanwaltschaft, in: V. Erb u. a. (Hg.): Löwe-Rosenberg. Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Bd. 10, 262010, 697–773.
Empfohlene Zitierweise
C. Spoerhase: Staatsanwaltschaft, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Staatsanwaltschaft (abgerufen: 24.11.2024)