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Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:11 Uhr
1. Begriff
Die volkswirtschaftlich orientierte Definition betrachtet P. als wertschaffenden Prozess, im Unterschied zur Konsumtion als wertvernichtendem Prozess, ggf. betrachtet auf unterschiedlichen Aggregationsstufen, die vom Einzelprozess an einem Arbeitsplatz über die Gesamt-P. eines Unternehmens bis hin zur P. einer ganzen Volks- oder der Weltwirtschaft reichen können. Die betriebswirtschaftliche Residualdefinition bezeichnet P. als betriebliche Phase zwischen Beschaffung und Absatz, während die betriebswirtschaftlich- und technisch-positive Definition unter P. den zielgerichteten Einsatz von Sachgütern (Güter) und Dienstleistungen sowie deren Transformation (inkl. Kombination) in andere Sachgüter und Dienstleistungen versteht. Je nach Perspektive werden auch Logistikprozesse (z. B. Transport) als P.s-Prozesse gesehen, wenn sie zu einer Veränderung des Produkts in den logistischen Dimensionen Raum, Ort, Qualität und/oder Zeit führen. Die Ziele der P. umfassen neben dem aus dem Erfolgsziel des gesamten Unternehmens abgeleiteten Erfolgsziel der P. (Erfolgsmaximierung bzw. Kostenminimierung) auch zeitliche Ziele (z. B. Schnelligkeit, Zuverlässigkeit, Termineinhaltung), Qualitätsziele (z. B. Fehlerfreiheit, Kundenzufriedenheit) und Flexibilitätsziele (z. B. Anpassungsfähigkeit in Bezug auf P.s-Mengen, Produktvariationen).
2. Input-Transformation-Output-Ansatz
P.en werden als Prozesse abgebildet, bei denen Inputs (bestehend aus Input-Objektarten) in einem Transformationsprozess, der in Arbeitssystemen durchgeführt wird, in Outputs (Output-Objektarten) verwandelt werden (vgl. Abb. 1).
Objektarten können dabei erwünscht oder unerwünscht sein. Bei erwünschten Objektarten spricht man von Gütern, die sich auf der Inputseite bspw. auf Gebäude, Arbeit, Maschinen, Materialien, Vorprodukte, Energie, Rechte oder Dienstleistungen (P.s-Faktoren) und auf der Outputseite auf Produkte (Sach- oder Dienstleistungen) beziehen können. Unerwünschte Objektarten werden als Übel bezeichnet und schließen auf der Inputseite bspw. im Prozess zu entsorgende Abfälle und auf der Outputseite bspw. Ausschuss oder aus dem Prozess entstehende Schadstoffe ein. Einzelwirtschaftlich sind die Vernichtung von Inputübel-Objektarten und die Erzeugung von Outputgüter-Objektarten ertragbringend (in realen Messgrößen oder monetär), während der Einsatz von Inputgüter-Objektarten und die Erzeugung von Outputübel-Objektarten Aufwand (in realen Messgrößen oder monetär) generieren. Die Differenz zwischen (monetärem) Ertrag und Aufwand (= Erfolg) ist eng mit dem Begriff der Wertschöpfung verbunden, deren Maximierung wirtschaftliches Formalziel der P. ist.
P.en werden von Reduktionen abgegrenzt: P.en werden durch einen expliziten oder impliziten (Kunden-)Wunsch nach Outputgütern (Produkten oder Dienstleistungen) ausgelöst, im Unterschied zu Reduktionen, bei denen die Vernichtung von (durch Lieferanten gelieferten) Inputübeln Auslöser des Prozesses ist (Bsp.: Müllentsorgung).
Die detaillierten Zusammenhänge der P.s-Prozessausführung werden im Rahmen der (betriebs- und insb. der volks-)wirtschaftlichen Betrachtung meist als black box gesehen, während bei der technisch-ingenieurwissenschaftlichen Betrachtung eine präzisere technische Analyse und Gestaltung des Transformationsprozesses erfolgen.
3. Produktionstheorie, Produktionsfunktion und Kosten
Der Bedarf an Input-Objektarten wird bei (Outputgut-induzierten) P.en üblicherweise aus den Nachfragemengen der Outputgüter mittels der situationsindifferenten Grunddaten (technische Bedingungen, Stücklisten, Arbeitspläne) und der situationsspezifischen Planungsdaten (im Wesentlichen Bedarfe und Verfügbarkeiten) retrograd bestimmt.
Für eine gegebene technologische Ausstattung bzw. ein gegebenes P.s-Verfahren wird die quantitative Relation effizienter, d. h. Verschwendung vermeidender, Kombinationen zwischen Input (Güter-/Übel-Einsatz, P.s-Faktoren) und Output (Güter-/Übel-Absatz, Produkte, Leistungen) des Arbeitssystems oder eines Aggregates von Arbeitssystemen durch die P.s-Funktion ausgedrückt, und zwar in expliziter Form als Input=f(Output) oder Output=f(Input). Der Output drückt als unabhängige Variable der P. die (externe Kunden-)Nachfrage nach Sach- oder Dienstleistungen aus dem P.s-Prozess aus, aus der mittels der P.s-Funktion die Bedarfe an Inputs und die aus der P. entstehenden Mengen an weiteren Outputs (Nebenprodukte und/oder Outputübel) funktional ermittelt werden. Bei (input-)substitutionalen P.s-Verhältnissen kann eine bestimmte Outputkombination durch verschiedene Inputkombinationen effizient hergestellt werden, wobei eine situationsspezifische Kosten-, Erlös- und/oder Erfolgsbewertung für die unterschiedlichen Alternativen zur Auswahl der besten und dann umzusetzenden Alternative genutzt werden kann (Minimalkosten- oder Maximalerfolgskombination). Bei (input-)limitationalen P.s-Funktionen kann eine Outputkombination nur durch genau eine effiziente Inputkombination hergestellt werden, die dann auch die erfolgsmaximale P. darstellt. Als Produktivität wird dabei das Verhältnis der Mengen von einer Output-Objektart zu einer Input-Objektart bezeichnet.
Dieser Ansatz ermöglicht grundsätzlich die Darstellung der Einprodukt- und der Mehrprodukt-P., bei der auch Verbundwirkungen auf und zwischen den beteiligten Arbeitssystemen auftreten können. Neben diesen sachlichen Kopplungen treten intertemporale Kopplungen (z. B. über Lagerbestände) auf, für welche die P.s-Funktion ggf. in einer dynamischen und damit deutlich komplexeren Form betrachtet werden muss. Ausweitungen und Verringerungen der P.s-Mengen sind meist mit derselben P.s-Funktion abbildbar. Ändert sich jedoch die verwendete Technologie (z. B. durch neue P.s-Verfahren (etwa Automatisierung der P. oder Outsourcing- und Insourcing-Maßnahmen), wird die bisherige P.s-Funktion i. d. R. durch eine neue zu ersetzen sein.
Die betriebswirtschaftliche P.s-Theorie ist eher kurzfristig angelegt, während die aggregierte Betrachtung in der VWL als Output das Sozialprodukt Y als Funktion der beiden (aggregierten) Inputs Arbeit (L) und Kapital (C) sieht, Y=f(L,C). Dieser Ansatz ist aufgrund seines hohen Aggregationsgrades auch für längerfristige Betrachtungen einsetzbar.
Im Zuge monetärer Analysen werden die produktionstheoretischen Überlegungen mit Ansätzen der Kostentheorie verknüpft. Diese haben eine lange Tradition in der BWL und bauen auf der Frage auf, welche Kostenwirkungen eine P. erzeugt. Dabei wird insb. zwischen variablen und fixen Kosten unterschieden, wobei die Variabilität aus den Entscheidungen im Zusammenhang mit der P. eines einzelnen Produktes (Outputgutes) oder eines komplexeren P.s-Programmes resultiert. Bspw. sind Gebäudekosten häufig unabhängig von einer P.s-Entscheidung, während Materialkosten variabel sind, weil sie nur dann auftreten, wenn ein Produkt produziert wird. In längerfristigen Betrachtungen sind viele Kostentypen variabel, die kurzfristig als fix anzusehen sind.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass für eine betriebliche P.s-Entscheidung nicht nur Kosten (für Inputgüter und Outputübel), sondern auch die zugehörigen Erlöse (für Inputübel und Outputgüter) in die Überlegungen einbezogen werden müssen, um den wirtschaftlichen Erfolg abzubilden (Deckungsbeitragsrechnung). Aber weder in der volkswirtschaftlichen Kostentheorie noch in der betrieblichen Praxis wird diese Verbindung konsequent berücksichtigt. Auch die betriebswirtschaftliche Kostentheorie vernachlässigt diesen Aspekt weitestgehend. Gerade im betrieblichen Alltag wird nicht selten der P. als Abteilung bzw. als betrieblicher Institution v. a. die Verantwortung für Kosten zugewiesen, während Erlöse durch andere betriebliche Teilbereiche verantwortet werden.
4. Produktionswirtschaft und Produktionsmanagement
Die P.s-Wirtschaft ist der das Erkenntnisobjekt „P.“ betrachtende Teil der BWL und umfasst die Teilbereiche P.s-Theorie (s. o.) und P.s-Management. Neben der Hauptaufgabe der Steuerung der Leistungserbringung beschäftigt sich die P.s-Wirtschaft mit der Steuerung der Schnittstellen zwischen dem P.s-System und seinem Umfeld. Das P.s-System umfasst Arbeitssysteme, bestehend aus einer Vielzahl verschiedener oder auch gleichartiger P.s-Prozesse, sowie eine geeignete material- und informationsflussbezogene Infrastruktur und verfügt über Schnittstellen zur natürlichen Umwelt sowie zum wirtschaftlichen, soziokulturellen, politischen, rechtlichen und technischen Umfeld.
Das P.s-Management lässt sich funktional in das P.s-Faktormanagement, das P.s-Prozessmanagement und das P.s-Programmmanagement unterteilen, wobei in jüngerer Zeit auch betriebsübergreifende Aspekte unter dem Begriff Supply Chain Management aufgegriffen werden. Hierarchisch, bzw. in Bezug auf seine Reichweite, lässt sich das P.s-Management in strategisches, taktisches und operatives P.s-Management unterscheiden. Eine mögliche unter sehr vielen zu findenden Abgrenzungen dieser drei Ebenen weist dem strategischen P.s-Management eher grundsätzliche, konzeptionelle Aufgaben zu (bspw. Festlegung von Produktfeldern oder zu verwendenden Technologietypen). Das taktische P.s-Management umfasst die Bereitstellung von Potentialen (Gebäude, Maschinen, Mitarbeiter), die im Rahmen des operativen P.s-Managements zur Erfüllung von konkreten Aufträgen eingesetzt werden. Die Grenzen zwischen den drei Ebenen sind, praktisch wie theoretisch, oft fließend.
5. Unternehmensethische Aspekte der Produktion
Seit Langem werden die Auswirkungen der P. auf das arbeitende Individuum, auf Belegschaften von Unternehmen, auf die in der P. arbeitenden Menschen in einer Volkswirtschaft, die Bevölkerung insgesamt oder die natürliche Umwelt untersucht. Stichwörter wie Humanisierung der Arbeit, Umweltmanagement etc. drücken entsprechende Ansätze aus (Unternehmensethik).
Der in unter 2. beschriebene Ansatz von P. unterstellt, dass P.s-Systeme durch Abnehmer-/Kundenwünsche nach Gütererstellung gesteuert werden. Damit wird eine klare Vorrangstellung über den Auslöser von P.s-Prozessen postuliert. Dass hier auch andere Input- und/oder Output-Objektarten in den Vordergrund rücken können (z. B. der P.s-Faktor Arbeit) und damit in der Theorie und im wirtschaftlichen Alltag regelmäßig zu lösende Zielkonflikte erzeugt werden, ist offensichtlich. In diesem Zusammenhang werden wohlfahrtsökonomische (Wohlfahrt) und (wirtschafts-)ethische Überlegungen (Wirtschaftsethik) relevant.
Literatur
H. O. Günther/H. Tempelmeier: Produktion und Logistik, 2014 • M. Steven: Einführung in die Produktionswirtschaft, 2013 • J. Bloech/J. Geldermann: Grundlagen der Produktionswirtschaft, in: M. Schweitzer/A. Baumeister (Hg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2011, 555–613 • H.-U. Küpper: Unternehmensethik, 2011 • D. Sauer: Von der „Humanisierung der Arbeit“ zur „Guten Arbeit“, in: APuZ 15 (2011), 18–24 • H. Dyckhoff/T. S. Spengler: Produktionswirtschaft, 2010 • H. Corsten: Produktionswirtschaft, 2007 • P. Engelkamp/F. L. Sell: Einführung in die Volkswirtschaftslehre, 2007 • M. Steven: Hdb. Produktion, 2007 • H. Dyckhoff: Produktionstheorie, 2006 • O. Neuberger: Mikropolitik und Moral in Organisationen, 2006 • H. Corsten/M. Reiß: Betriebswirtschaftslehre, 1999 • T. Ellinger/R. Haupt: Produktions- und Kostentheorie, 1996.
Empfohlene Zitierweise
R. (†), M. Zacharias: Produktion, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Produktion (abgerufen: 27.11.2024)