Monismus
M. (von griechisch monos: einzig, allein) ist ein Sammelbegriff für Weltanschauungen oder Wirklichkeitsdeutungen, die sich auf ein einziges Prinzip oder eine einheitliche Realität gründen. Demgegenüber nehmen anti-monistische Auffassungen entweder mehrere fundamentale Prinzipien bzw. Realitäten (Pluralismus) oder gar keine fundamentalen Prinzipien bzw. Realitäten (Nihilismus) an.
Der älteste Beleg für den Gebrauch des Begriffs findet sich bei Christian Wolff, demzufolge „Monisten“ solche Philosophen sind, die – anders als etwa der cartesische Dualismus – „nur eine Gattung von Substanzen zugeben“ (Wolff 1972: § 32).
Aus einer systematischen Perspektive gesehen lassen sich verschiedene Spielarten von M. unterscheiden, deren bedeutendste benannt seien:
1. Epistemische Monismen
Monismen (M.en) diesen Typs verzichten soweit als möglich auf ontologische Festlegungen und setzen stattdessen bei der Einheitlichkeit phänomenaler Gegebenheiten an. So plädierte etwa Ernst Mach dafür, nicht mehr von Materie und Geist, sondern nur noch von ontologisch neutralen „Elementen“ zu sprechen, die (als phänomenale Konstituenten der psychischen, physischen und psycho-physischen Erscheinungswelt) den Gegenstand der empirischen Wissenschaften ausmachen. Das metaphysikkritische Programm einer „wissenschaftlichen Weltanschauung“, wie es im „Wiener Kreis“ verfolgt wurde, konnte hier anknüpfen (Mittelstraß 1995: 926).
2. Ontologische Monismen
Innerhalb dieser Gruppe ist zwischen (teilweise miteinander kombinierbaren) Typen- und Token-M.en zu unterscheiden. Während Typen-M.en annehmen, dass es nur einen (fundamentalen) Typ von Entitäten gibt, kennzeichnet Token-M.en die Auffassung, dass es nur eine (fundamentale) konkrete Entität gibt. Innerhalb des Typen-M. ist zwischen Gattungs- bzw. Kategorien-M.en einerseits und Eigenschafts-M.en andererseits zu differenzieren. Erstere lassen nur einen Typ von (fundamentalen) Entitäten zu, grundsätzlich aber mehrere Eigenschaftstypen, während Eigenschafts-M.en mehrere Typen von (fundamentalen) Entitäten zulassen, aber nur einen Eigenschaftstyp.
2.1 Gattungs- oder Kategorienmonismus
Dieser Auffassung zufolge gibt es (nur) eine fundamentale Gattung oder Kategorie. Unter sie fällt alles, was existiert, während alles andere entweder gar nicht oder nur in einem derivativen Sinn existiert und mithin ontologisch eliminiert oder reduziert werden kann. Demzufolge gibt es z. B. entweder nur Einzeldinge (Individuen), Eigenschaften (Tropen), Ereignisse (Prozesse), Elementarteilchen (Atome), Erlebnisse (Phänomene) etc. Den genannten Kategorien lassen sich entspr.e Nominalismen, Bündeltheorien, Prozessontologien, Atomismen und Phänomenalismen zuordnen, die innerhalb der Metaphysik diskutiert wurden und werden.
2.2 Eigenschaftsmonismus
Dieser Auffassung zufolge gibt es nur einen bestimmten Typ von Eigenschaften. Der materialistische M. (Materialismus), wie ihn etwa Thomas Hobbes vertreten hat, nimmt an, dass alle Eigenschaften letztlich physisch-materieller Natur sind. Der idealistische M. (Idealismus), dessen bekannteste Repräsentanten Gottfried Wilhelm Leibniz und George Berkeley sind, möchte alle Eigenschaften in letzter Analyse auf mentale bzw. phänomenale Eigenschaften zurückführen. Der neutrale M., wie ihn William James und zeitweise Bertrand Russel vertreten haben, nimmt demgegenüber an, dass weder physische noch mentale Eigenschaften fundamental sind, sondern beiden ein Eigenschaftstyp zugrunde liegt, der weder physisch noch psychisch ist. Nimmt man dagegen an, dass alles sowohl physisch-materiell als auch psychisch-mentaler Natur ist (Zweiaspekte-Theorie), vertritt man eher einen Eigenschaftsdualismus als einen Eigenschafts-M.
Innerhalb des Token-M. (in der Literatur auch als Substanz- oder Existenz-M. bezeichnet) lässt sich eine exklusive Form, der zufolge es genau eine konkrete Entität gibt, und eine moderatere, inklusive Form, der zufolge es genau eine fundamentale konkrete Entität gibt, unterscheiden.
2.3 Exklusiver Token-Monismus
Dieser Auffassung zufolge existiert genau eine konkrete Entität. Sie hat keine echten Teile, die selbst konkrete Entitäten im Sinn abzählbarer Token darstellen. Diese Position wurde u. a. Parmenides, Baruch de Spinoza und Francis Herbert Bradley zugeschrieben. Diese Deutung ist allerdings umstritten. In der Gegenwartsphilosophie vertreten allem Anschein lediglich Terence Horgan und Matja&zhatsch; Potrč die Auffassung, dass es nur ein konkretes Objekt, nämlich das raumzeitliche Universum gibt. Aus ihrer Sicht sind andere vermeintliche Objekte (Lebewesen, Personen, Elementarteilchen) nicht volldeterminiert, sondern weisen vage Grenzen auf. Da es vage Objekte nicht geben könne, sei das Universum das einzige konkrete Objekt, das es gäbe.
2.4 Inklusiver Token-Monismus
Dieser Auffassung zufolge existiert genau eine fundamentale konkrete Entität (z. B. der Kosmos). Diese konkrete Entität umfasst viele echte Teile, die selbst konkrete Entitäten sind. Allerdings sind diese Teile selbst nicht-fundamental, sondern hängen von der einen fundamentalen Entität existenziell und essentiell ab. Da existenzielle Abhängigkeit etwa auch von pluralistischen Weltanschauungen wie dem Theismus behauptet wird – konkrete Entitäten können nicht ohne Gott sein –, muss die gesuchte Abhängigkeit zumindest auch in dem Sinn essentiell sein, dass die nicht-fundamentalen Entitäten, in dem, was sie sind, letztlich nur vom Ganzen her zu bestimmen sind (nicht aber umgekehrt). Das aber bedeutet: Während pluralistische Ontologien den einzelnen Bestandteilen der Welt einen ontologischen Vorrang gegenüber der Welt als Ganzer einräumen, spricht der inklusive Token-M. der Welt als Ganzer einen ontologischen Vorrang gegenüber ihren Bestandteilen zu. Nach Jonathan Schaffer haben diese Position, die er als „Priority Monism“ bezeichnet, u. a. Platon, Plotin, B. de Spinoza, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Rudolf Hermann Lotze, Josiah Royce, Bernard Bosanquet und F. H. Bradley vertreten. Heute habe sie dagegen so gut wie keine Anhänger, wobei J. Schaffer freilich selbst eine Ausnahme bildet.
Pantheistische Weltanschauungen (wie sie in Strömungen des Hinduismus oder Daoismus, aber auch in der Stoa oder im Neuplatonismus vorliegen) werden üblicherweise als monistisch klassifiziert. Bzgl. dieser Zuordnung ist allerdings zu beachten, dass der Pantheismus nicht nur monistisch, sondern auch pluralistisch konzipiert werden kann. Das ist der Fall, wenn angenommen wird, dass das Göttliche zwar alles beseelt und umfasst (All-Einheit), aber zugl. andere, nicht-göttliche Basiselemente existieren.
Innerhalb der Gegenwartsphilosophie sind v. a. Typen-M.en (z. B. physikalistische Eigenschafts-M.en) und monokategoriale Ontologien (z. B. Prozess- oder Tropenontologien) einflussreich, während Token-M.en nur sehr vereinzelt vertreten werden.
Literatur
J. Schaffer: Monism (2014), in: E. N. Zalta (Hg.): The Stanford Encyclopedia of Philosophy, URL: https://plato.stanford.edu/archives/win2016/entries/monism/ (abger. 19.3.2018) • H. Terence/M. Potrč: Existence Monism Trumps Priority Monism, in: P. Goff (Hg.): Spinoza on Monism, 2011, 51–76 • J. Schaffer: Monism: The Priority of the Whole, in: Philosophical Review 119/1 (2010), 31–76 • J. Mittelstraß: Monismus, in: ders. (Hg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, 1995, Bd. 2, 925–927 • C. Wolff: Psychologia rationalis, in: ders.: Gesammelte Werke, Abt. II, Bd. 6, 1972.
Empfohlene Zitierweise
D. Kraschl: Monismus, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Monismus (abgerufen: 22.11.2024)