Staatsanleihe

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1. Definition

S.n sind ein spezieller Typ von Wertpapieren, welche Forderungen verbriefen, und damit den Forderungspapieren zuzurechnen sind. Der Schuldner der Papiere ist in diesem Fall ein Staat. Jede Anleihe für sich hat Anspruch auf aus dem Wertpapier hervorgehende Zahlungsversprechen, welcher unabhängig von anderen Anleihen besteht. Ihren historischen Ursprung haben S.n in der Finanzierung von Kriegsausgaben norditalienischer Städte und Fürstentümer im Mittelalter. Wertpapiere moderner Prägung entwickelten sich erst im England des 16. Jh.

Als Wertpapiere im engeren Sinn sind S.n nach sachenrechtlichen Grundsätzen (Sachenrecht) übertragbar und damit leicht handelbar (fungibel). In der BRD werden sie meist als Inhaberpapiere konstituiert, so dass aus dem Eigentum am Papier der direkte Anspruch der Rechte aus dem Papier erfolgt. Dies führt dazu, dass S.n, die in großen Stückzahlen durch den Schuldner ausgegeben werden, oft an einem strukturierten Markt, einer Börse, gehandelt werden. Somit hat der Zeichner einer Emission von S.n, der erste Käufer, die Möglichkeit diese Papiere weiterzuveräußern, was die Attraktivität für den Käufer steigert, da er sich i. d. R. jederzeit von den Papieren trennen kann. Aus finanzwirtschaftlicher Sicht ist das entscheidende Merkmal der Anleihen der Aufbau des Zahlungsstroms, der durch die Laufzeit der Anleihe (Fälligkeit der letzten Tilgungszahlung), den Kupon, die Nominalverzinsung sowie die Rückzahlungsmodalitäten der Tilgungszahlung determiniert ist.

2. Emittenten von Staatsanleihen

In der BRD werden S.n mit verschiedenen Laufzeiten emittiert, die jeweils verschiedene Namen und leicht unterschiedliche Ausstattungsmerkmale tragen. Während Bundesobligationen, Bundesanleihen und Bundesschatzeinweisungen als endfällige Anleihen mit fixem Kupon (Zinszahlungsversprechen) und Laufzeiten zwischen zwei und zehn Jahren ausgegeben werden, haben unverzinsliche Schatzanweisungen bei einem Kupon von Null einen niedrigeren Ausgabekurs. Daneben existieren noch Sonderformen wie inflationsindexierte Anleihen, deren Nominalbetrag mit der Inflationsrate ansteigt, oder Anleihen mit variablem Kupon, der an einen Referenzzins gekoppelt ist.

Je nach Staat können Anleihen unterschiedlich gestaltet sein, so wurden bspw. im Vereinigten Königreich Anleihen mit unendlicher Laufzeit emittiert. Größter Markt für S.n weltweit ist der Markt der US Treasury Bonds, Notes and Bills, also der Schuldverschreibungen der USA.

In vielen größeren föderal organisierten Staaten (Föderalismus) emittieren neben dem Nationalstaat auch Körperschaften unterhalb der Zentralstaatsebene Anleihen. So sind in der BRD ebenfalls die Bundesländer wie auch weitere Gebietskörperschaften oder Verbünde von Gebietskörperschaften als Anleiheemittenten tätig. Davon abzugrenzen sind die Kommunalobligationen, die keine direkten Emissionen der Kommunen, sondern von speziellen Kreditinstituten sind, wobei die Emissionen kongruent mit Kommunalschulden gedeckt sind.

3. Rechtliche Ausgestaltung von Staatsanleihen

Ein grundsätzliches Ausgestaltungsmerkmal ist die Währung bei S.n. Meist begeben die Staaten Anleihen in ihrer eigenen oder einer Gemeinschaftswährung wie dem Euro. Gerade in kleineren Ländern mit überschaubarem Kapitalmarkt (Geld- und Kapitalmarkt) ist die Emission von Fremdwährungsanleihen, d. h. von Anleihen nicht in der Heimatwährung, üblich. So emittieren zahlreiche lateinamerikanische Staaten in Euro oder US-Dollar, vereinzelt begeben auch Länder der Eurozone Anleihen in anderen Währungen. Da die Zins- und Tilgungszahlungen jedoch in der fremden Währung zu bedienen sind, birgt dies für den Schuldnerstaat die Gefahr, dass bei negativer Entwicklung der Wechselkurse die Zahlungen in Heimatwährung größer ausfallen können.

Da im Gegensatz etwa zu Hypothekenpfandbriefen bei S.n keine direkten Sicherheiten vorliegen, ist es üblich, in die Anleihebedingungen Klauseln zum Absichern des Anleihekäufers mitaufzunehmen. Nach der Pari-Passu-Klausel darf der Emittent anderen Gläubigern keinen Vorrang bei der Schuldenbedienung einräumen. Die Negativerklärung schützt den Gläubiger davor, dass andere Gläubiger durch Kreditsicherheiten des Schuldners einseitig bessergestellt werden. Die Cross-Default-Klausel räumt dem Anleihegläubiger das Recht ein seine Forderung zu kündigen, falls eine sonstige Anleihe des gleichen Emittenten in Zahlungsverzug ist, auch wenn die im Eigentum gehaltene Anleihe nicht ausgefallen ist. Mit der Collective Action Clause ist es möglich Anleihekonditionen zu verändern, wenn eine Mehrheit der Gläubiger einer solchen Änderung zustimmt. Damit ist eine Abkehr vom Grundprinzip gegeben, dass jede einzelne Anleihe selbstständig ein Gläubigerrecht verbrieft.

4. Bonität

Für Staaten existieren keine Insolvenzvorschriften, es besteht jedoch die Möglichkeit eines Moratoriums oder Staatsbankrotts. Dabei werden Staatsschulden umgeschuldet, d. h. alte Anleihen gegen neue Anleihen getauscht. So wurden etwa im Falle Griechenlands 2012 den Anleihegläubigern neue Anleihen mit niedrigem Kupon und langer Laufzeit für ihre alten Anleihen mit hohen Zinsversprechen und kurzer Laufzeit angeboten. Auf diese Weise wird zwar de facto das Zahlungsversprechen aufrechterhalten, allerdings sind die Konditionen für die Gläubiger deutlich schlechter, so dass dies für sie einen Wertverlust darstellt. Teilweise findet auch eine echte Reduktion des Nennwerts und damit des Rückzahlungsversprechens wie im Falle von Ecuador 1999 statt (Staatsschuldenkrise).

Diese Fälle demonstrieren, dass insb. in Fremdwährungen S.n einem Ausfallrisiko unterliegen können. In solchen Fällen liegt der versprochene Zins dieser Staaten erheblich über dem Zins, der für die Schuldner bester Bonität gefordert wird. Letztere sind dabei meist Staaten, die sich in ihrer eigenen Heimatwährung verschuldet haben.

5. Finanzwirtschaftliche Bedeutung

Staatliche Anleiheemissionen dienen grundsätzlich der Erzielung von Staatseinnahmen (s. a. Staatsverschuldung). Zudem stellen S.n aus Sicht der Finanzwirtschaft eine zentrale Möglichkeit dar, den Kapitalmarkt zu vervollständigen. S.n gelten insb. wenn sie in der eigenen Währung emittiert werden als meist sehr sichere Anlagemöglichkeit, wenn nicht sogar als die risikoärmste Anlagemöglichkeit. Damit bieten S.n sich als mündelsichere und deckungsstockfähige Investitionsmöglichkeit für Versicherungen an. Ferner bildet der Zinssatz für solch risikoarme S.n die Untergrenze für Zinssätze in einer Volkswirtschaft. Dieser wird dann als Referenzzinssatz verwendet, auf den sich risikoreichere Anlagen beziehen oder mit dem Rechenwerke wie die Investitionsrechnung kalkulieren.