Internationale Handelskammer (International Chamber of Commerce, ICC)

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1. Geschichte und Aufbau der ICC

Die ICC wurde 1919 von Spitzenvertretern der Wirtschaft aus den alliierten Ländern als privatrechtlicher Verein französischen Rechts ins Leben gerufen, um den Handel zu stärken, die Wirtschaft weltweit zu vernetzen und v. a. die Wirtschaft als politischen Akteur auf internationaler Ebene zu verankern. Ihr Selbstverständnis beruhte auf einem Selbstbild als Merchants of Peace, ihr Credo war das einer Business Statesmanship. Ihre Gründung erfolgte mit dem Anspruch, auf Augenhöhe mit der Politik die weltweite Stimme der Wirtschaft zu sein. Aufbauend auf nationalen Kammertraditionen war und blieb sie bis heute die einzige global agierende internationale Einrichtung der Selbstverwaltung der Wirtschaft (v. a. in rechtlichen Fragen des Handels, Incoterms). Während der Zwischenkriegszeit konnte die ICC die internationalen Verhandlungen u. a. zur Reparations- und Kriegsschuldenfrage sowie zu währungs- und handelspolitischen Maßnahmen der Staaten entscheidend mitprägen. Dieser politische Anspruch geriet nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend in Vergessenheit. Die Diskussion um die Grenzen des Wachstums mit Beginn der 1970er Jahre führte zu einer Verengung auf rein wirtschaftliche Themen. Erst mit dem Aufkommen der Themen Corporate Social Responsibility und Nachhaltigkeit kam es wieder zu stärkerer Berücksichtigung v. a. der gesellschaftlichen Auswirkungen wirtschaftlichen Handelns.

Die ICC stellt sich heute als Dachverband von Industrie- und Handelskammern, Spitzen- und Branchenverbänden, Unternehmen aller Größenordnungen sowie Anwaltskanzleien aus mehr als 130 Ländern dar. Sie ist Dialogpartner internationaler Institutionen wie der Vereinten Nationen, der WTO oder der G20. Beim ECOSOC der Vereinten Nationen besitzt sie Beobachterstatus seit 1946, bei der Generalversammlung seit Dez. 2016.

Auf nationaler Ebene bestehen sog.e Nationalkomitees der ICC in 93 Ländern, die in aller Regel gemeinsam mit oder ergänzend zu den nationalen Kammerverbänden die Interessen der Wirtschaft gegenüber den nationalen Regierungen vertreten. Im höchsten Gremium der ICC, dem World Council, treffen sich einmal im Jahr Delegierte aus Mitgliedsverbänden und -unternehmen in aller Welt. Er wählt das Präsidium (Chairmanship) und ernennt den Generalsekretär, der das Sekretariat leitet, das seit 1919 seinen Sitz in Paris hat. Darüber hinaus gibt es einen Vorstand (Executive Board), dem auch die Präsidiumsmitglieder angehören und der die ICC-Strategie und Aktionspläne entwickelt sowie Positionspapiere und Regeln verabschiedet. Über die World Chamber Federation als Teil der ICC kommen bis zu 12 000 Industrie- und Handelskammern weltweit zu einem Austausch über Handlungsoptionen der unternehmerischen Interessenvertretung. Eine disparate Mitgliederstruktur sowie noch nicht ausgereifte Abstimmungsverfahren zur Meinungslegitimation verhindern bislang, dass die ICC weltweit oder regional repräsentativ für die Wirtschaft spricht und sie ihre Potenziale der Gesamtinteressenvertretung ausschöpft. Umgekehrt ist ihre praktische Rolle in den Aspekten internationaler rechtlicher Koordinierung etwa im Bankenrecht, Wettbewerbsrecht und Handelsrecht unverändert bedeutsam.

2. Aufgaben der ICC

Als ihre vorrangigen Ziele betrachtet die ICC die Förderung des Welthandels und die Sicherstellung der Prinzipien der freien Marktwirtschaft, des freien Handels und des freien Unternehmertums. Eine weitere zentrale Aufgabe ist die Unterstützung von Unternehmen bei der Erschließung internationaler Märkte. Die ICC entwickelt hierzu Musterverträge, Standards, Regelwerke und Richtlinien für eine effiziente Abwicklung internationaler Geschäfte. Am bedeutsamsten sind die Vertragsklauseln wie die Incoterms-Regeln, die seit 1936 von der ICC herausgegeben werden. Hierbei handelt es sich um Musterklauseln, die nahezu allen internationalen Kauf- und Lieferverträgen zugrundegelegt werden und wegen des Fehlens internationaler Verträge von grundlegender Bedeutung im internationalen Kaufrecht (UN-Kaufrecht) sind. Sie regeln im Wesentlichen Details zu Transport- und Lieferbedingungen sowie zum Risikoübergang, z. B. bis wohin genau die Ware geliefert werden muss oder welche Transportkosten Käufer bzw. Verkäufer zu tragen haben. Ähnlich bedeutsam ist die Koordinierung der Ausstellung von sog.en ATA Carnets, die eine zollfreie vorübergehende Einfuhr von Gütern erlauben, z. B. zu Messen, und die in Deutschland von den IHKs und dem DIHK verwaltet werden. Mehr als 3 000 Delegierte und Experten aus dem ICC-Mitgliederkreis arbeiten an derartigen Standards – ebenso wie an Positionspapieren in zwölf international besetzten ICC-Kommissionen. Überdies hat die ICC zu Themen wie Umwelt, Nachhaltigkeit, Anti-Korruption und Compliance konkrete Handlungsempfehlungen für die Unternehmen entwickelt.

3. ICC-Schiedsgerichtsbarkeit

Der Internationale Schiedsgerichtshof der ICC (ICC International Court of Arbitration, gegründet 1923) ist als eigenständiger Teil des Vereins ICC die älteste weltweit anerkannte Schiedsinstitution (Schiedsgerichtsbarkeit). Auf ihre Schiedsregeln (Rules of Arbitration, Stand 2017) wird in einer Vielzahl internationaler Verträge verwiesen. Der Gerichtshof ist selbst kein Schiedsgericht. Zu den Besonderheiten der ICC-Schiedsgerichtsbarkeit gehört die Begleitung durch das Sekretariat, die Beteiligung an den Terms of Reference sowie die Überprüfung der Schiedssprüche durch den Schiedsgerichtshof. Er hat mehr als 100 Mitglieder aus über 90 Staaten. Von den Fallzahlen ist die ICC die weltweit führende Schiedsinstitution (2015: über 800 Verfahren, 498 Urteile), von den Streitwerten her liegen konkurrierende Schiedsinstitutionen wohl gleichauf. Die Schiedsverfahren der ICC sind vergleichsweise kostenintensiv und bislang nur bedingt für kleine und mittlere Unternehmen geeignet. Der Schiedsgerichtshof führt daher neben Schiedsverfahren auch Mediations- und Schlichtungsverfahren (Mediation) durch.