Arbeitsrecht
1. Gegenstand und systematische Stellung des Arbeitsrechts
a) Gegenstand des A.s ist die Regelung unselbständiger (abhängiger) Beschäftigungsverhältnisse auf Basis eines privatrechtlichen Dienstvertrags (§ 611 BGB). Dabei grenzt die überwiegende Meinung selbständige von unselbständigen Dienstleistungen v. a. nach dem Grad der Weisungsgebundenheit (vgl. § 84 Abs. 1 S. 2 HGB sowie ab dem 1. 1. 2017 auch § 611a BGB) und der organisatorischen Eingliederung des Beschäftigten ab. Im Hinblick auf moderne Entwicklungen („Home Office“, Vertrauensarbeitszeit etc.) muss diese Begriffsbestimmung allerdings überprüft und ggf. angepasst werden (Arbeit). Weil Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis die zentralen Bezugspunkte des Rechtsgebiets darstellen, ist das A. nach herrschender Meinung Teil des Privatrechts. Innerhalb des Privatrechts handelt es sich jedoch um ein eigenständiges Rechtsgebiet, was sich nicht zuletzt in der Existenz einer eigenen Arbeitsgerichtsbarkeit (Gerichtsbarkeit) widerspiegelt (Art. 95 Abs. 1 GG, ArbGG). Diese Eigenständigkeit ändert nichts an der Anwendbarkeit der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Regelungen, solange Sondervorschriften fehlen. Insb. richten sich das Zustandekommen, die Durchführung und die Beendigung privater Arbeitsverhältnisse im Ausgangspunkt nach den einschlägigen Regelungen des BGB über Vertragsschluss (Vertrag), Leistungsstörungen und Beendigung von Schuldverhältnissen. Dabei finden sich z. T. bereits im BGB selbst bes. Regelungen für den Arbeitsvertrag und das Arbeitsverhältnis (s. insb. §§ 310 Abs. 4, 612a, 613a, 615 S. 3, 619a, 620 Abs. 3, 622 f. BGB). Z. T. haben Wissenschaft und Praxis aber auch ungeschriebene Modifikationen der allgemeinen Vorschriften entwickelt. Hierzu zählt insb. die grundsätzliche Einschränkung der Wirkung von Vertragsunwirksamkeitsgründen bei bereits in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnissen; sie sollen in diesem Fall keine Rückwirkung entfalten, sondern lediglich für die Zukunft wirken. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet dem Arbeitgeber sachgrundlose Differenzierungen bei der Gewährung von Zusatzleistungen. Auch die Haftung des Arbeitnehmers wird durch ungeschriebene Regelungen beschränkt (s. u.).
b) Daneben sind außerhalb des BGB stehende modifizierende Sondergesetze zu beachten. Schon die Freiheit zur inhaltlichen Ausgestaltung des Arbeitsvertrags wird hierdurch mehrfach eingeschränkt: Das MiLoG lässt Entgeltvereinbarungen unterhalb des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns (Lohn), wie er nach anfänglicher Festlegung durch den Gesetzgeber selbst (8,50 Euro pro Stunde) von der Bundesregierung auf Vorschlag der Mindestlohnkommission durch Rechtsverordnung verbindlich gemacht werden kann (§ 11 MiLoG, ab dem 1. 1. 2017 8,84 Euro pro Stunde), ins Leere laufen (§ 1 Abs. 1 MiLoG). In bestimmten Branchen kann darüber hinaus ein höherer Mindestlohn gelten, sofern eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für diese Branche die Anwendbarkeit eines bundesweit geltenden Tarifvertrags (Tarifautonomie) für alle unter seinen Geltungsbereich fallenden Arbeitsverhältnisse anordnet (s. §§ 7, 7a AEntG, Sonderregelungen finden sich dabei für die Pflegebranche in § 11 AEntG). Im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung ist der Arbeitgeber (Verleiher) grundsätzlich an den sogenannten equal-pay- oder auch equal-treatment-Grundsatz gebunden, sofern nicht ein abweichender Tarifvertrag besteht (§§ 9 Nr. 2, 10 Abs. 4 AÜG, ab dem 1. 1. 2017 § 8 Abs. 1 und 2 AÜG), der seinerseits allerdings nur im Rahmen einer qua Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf der Grundlage eines bundesweit geltenden Tarifvertrags festgesetzten Lohnuntergrenze Anwendung finden kann (§§ 3a, 10 Abs. 4 AÜG, ab dem 1. 1. 2017 §§ 3a, 8 Abs. 1 und 2 AÜG). Weitere Einschränkungen der Vertragsinhaltsfreiheit finden sich insb. im TzBfG: Wiederholte Befristungen bedürfen prinzipiell eines Sachgrundes (§ 14 TzBfG, Sonderregelungen bestehen insb. für ältere Arbeitnehmer gem. § 14 Abs. 3 TzBfG und § 41 S. 3 SGB VI sowie für den Bereich der Wissenschaft nach dem WissZeitVG). Ferner können Arbeitnehmer in bestimmten Grenzen gegen den Willen des Arbeitgebers eine Reduzierung der Arbeitszeit verlangen (s. § 8 TzBfG mit weiteren Erleichterungen für Arbeitnehmer in § 15 Abs. 5 – 7 BEEG sowie auch in § 3 Abs. 3 und 4 PflegeZG und § 2a Abs. 1 und 2 FPfZG). Betreffend die Durchführung des Arbeitsverhältnisses finden sich wichtige Ausnahmeregelungen im BUrlG und im EntgeltfortzahlungsG: Arbeitnehmer haben unabhängig von vertraglichen oder tariflichen Regelungen Anspruch auf jährlich 24 Werktage Erholungsurlaub und erhalten in dieser Zeit auch ihr Entgelt (§§ 1, 3, 11 BUrlG). Mit Blick auf feiertagsbedingten (s. Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV, § 9 ArbZG) und krankheitsbedingten Arbeitsausfall wird der Grundsatz ohne Arbeit kein Lohn gem. §§ 2, 3 EntgeltfortzahlungsG durchbrochen, im Krankheitsfall allerdings nur für sechs Wochen. Schließlich ist für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses das KSchG als Sondergesetz zu beachten. In seinem Anwendungsbereich (persönlich: §§ 1 Abs. 1, 14, betrieblich: §§ 23 f. KSchG) bedarf die nach allgemeinem Zivilrecht freie und lediglich fristgebundene ordentliche Kündigung einer besonderen sozialen Rechtfertigung (§ 1 Abs. 1 KSchG, s. auch noch 5. a).
c) Formalgesetzlich ist das deutsche A. nach wie vor zersplittert. Das bereits von Art. 157 Abs. 2 WRV in Aussicht gestellte einheitliche Arbeitsgesetzbuch fehlt bis heute. Gleichwohl handelt es sich um ein in seiner Eigenständigkeit konsolidiertes und systematisierbares Rechtsgebiet. Systembildende Leitgedanken wird man in der Verfassung allerdings nur mit begrenztem Erfolg finden. Denn die wenigen speziell für das A. relevanten Gewährleistungen (insb. Artt. 9 Abs. 3, 12 GG) sind deutlich jünger als die von ihnen berufenen Rechtsfiguren und -institute. Namentlich mit der Garantie des freien Arbeitsvertrags und der Koalitionsfreiheit entschied sich das Grundgesetz nicht für etwas Neues. Wie zumeist lassen sich somit auch hier die Gründe für die Rechtsbildung nur mittels geschichtlicher Betrachtung aufdecken. Für das A. gilt das in besonderer Weise. Denn seine Entstehung und seine Ausbildung stellen sich insgesamt als epochemachende Reaktion auf die Folgewirkungen ihrerseits historischer Rechtsänderungen dar: Das A. ist die geschichtliche Antwort freier Gesellschaften auf die infolge der Einführung der Gewerbefreiheit aufgekommene „soziale Frage“.
2. Die sozialen Gründe für die Entstehung des Arbeitsrechts
Es ist allgemein bekannt, dass die mit der Einführung der Gewerbefreiheit verbundene Entfesselung der Arbeitskraft (1810: preußisches Gewerbesteuer- und Gewerbepolizeigesetz; 1845: allgemeine preußische GewO; 1869: GewO des Norddeutschen Bundes; heute: § 105 GewO) im Laufe des 19. Jh. zu sozialen Verhältnissen führte, die nicht nur dem hinter der Liberalisierung stehenden theoretischen Ideal allgemeiner gleicher Freiheit geradezu Hohn spotteten, sondern aufgrund ihres massenhaften Auftretens das bestehende gesellschaftliche System grundstürzend gefährdeten. Als bes. drückend wurden dabei zwei – durchaus miteinander verwobene – Umstände empfunden: Bestätigt durch die herrschenden betrieblichen Verhältnisse sah man insb. die immer größer werdende Zahl der Fabrikarbeiter in ihren elementaren menschlichen Schutz- und Achtungsansprüchen gefährdet. Diese Gefährdung resultierte allerdings nicht allein aus der Eigenart der geschuldeten unselbständigen Leistung. Sie hing auch von dem wohl noch wirkungsmächtigeren Umstand ab, dass die Masse der Lohnarbeiter faktisch keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen nehmen konnte, weil ihr unter dem Druck existenzieller Bedürfnisse und selbstgemachter Konkurrenz gar nichts anderes übrig blieb, als sich den vom Arbeitgeber diktierten Bedingungen zu beugen. Ausgehend nicht von „den Tatbeständen der gesetzlichen Bestimmungen“, sondern von den „wirklichen Erscheinungen des Arbeitsverhältnisses“ (Sinzheimer 1907: 1) erblickte man deshalb im Arbeitsvertrag in den Geburtsjahren des A.s vielfach einen reinen Herrschaftsvertrag.
3. Der Schutz der bes. gefährdeten Arbeitnehmerintegrität als Ursprungsziel des Individualarbeitsrechts
a) Die Notwendigkeit einer Anpassung des Integritätsschutzes an die besonderen Gefährdungslagen im Arbeitsverhältnis tritt als leitender Gedanke bereits in den ersten spezifisch arbeitsrechtlichen Gesetzgebungsakten hervor. So wird das preußische „Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter“ von 1839 zumeist als Beginn der modernen arbeitsrechtlichen Gesetzgebung in Deutschland bezeichnet. Grund für die hierdurch verordneten Beschränkungen der Kinderarbeit waren die unübersehbaren und in ihrem quantitativen Ausmaß selbst die Truppenrekrutierung gefährdenden körperlichen, geistigen und seelischen Schäden der sogenannten Fabrikkinder. Nachfolger ist heute das JArbSchG vom 12.4.1976, das in seiner geltenden Fassung auch der Umsetzung europäischer Richtlinien dient.
Erste Ansätze eines allgemeinen arbeitsplatzrechtlichen Gesundheitsschutzes finden sich in § 136 der preußischen GewO von 1845. Dieser Schutz wurde durch die §§ 106 f. der GewO des Norddeutschen Bundes von 1869 und durch § 618 BGB bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jh. merklich ausgebaut. Heute sind neben §§ 618 BGB, 62 HGB v. a. das – inzwischen ebenfalls europarechtlich geprägte – ArbSchG vom 7.8.1996 und das ASiG vom 12.12.1973 maßgeblich. Mit einer GewO-Novelle von 1878 beginnt daneben auch der bes. arbeitsrechtliche Gesundheitsschutz für Mutter und Kind nach der Niederkunft (Mutterschutz). Das heute geltende MuSchG geht auf die arbeitsrechtliche Gesetzgebung der jungen Bundesrepublik in den Jahren 1951/52 zurück und datiert in seiner aktuellen, wiederum europäische Vorgaben berücksichtigenden Fassung vom 20.6.2002. Der Bundestag berät derzeit eine grundlegende Neufassung zum 1. 1. 2017.
Gesundheitsschutz ist schließlich auch die zentrale Zielsetzung des gesetzlichen Arbeitszeitrechts. Hier finden sich erste Einzelansätze in dem preußischen Regulativ von 1839 (s. o.). Allgemeine Vorgaben erfolgen allerdings erst durch die „Anordnung über die Regelung der Arbeitszeit gewerblicher Arbeiter“ des Reichsamts für die Demobilmachung vom 23.11.1918, die den Achtstundentag einführt. Das geltende ArbZG vom 6.6.1994 steht in der Nachfolge dieser Regelung und ist erneut auch europarechtlich determiniert. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Anspruch auf einen gesetzlichen Mindesturlaub (s. o. 1. b). Speziell auf diesem Gebiet hat die Rspr. des EuGH in den vergangenen Jahren erhebliche Umwälzungen bewirkt.
b) Dass der ursprüngliche Leitgedanke einer Anpassung des allgemeinen zivilrechtlichen Integritätsschutzes an die besonderen Gefährdungslagen des Arbeitsverhältnisses auch heute noch ungebrochen wirksam ist, zeigt das Feld des Persönlichkeitsrechtsschutzes ( Persönlichkeitsrechte). Dieser macht den rechtspolitisch unbestrittenen Kern des Antidiskriminierungsrechts ( Diskriminierung) aus, dem im A., nicht zuletzt unter europäischem Druck, schon immer eine wesentlich größere Bedeutung zukam als im allgemeinen Zivilrecht. Mit dem hart umkämpften AGG vom 14.8.2006 hat sich hieran nichts geändert. Der Einsicht, dass das Persönlichkeitsrecht von Arbeitnehmern im Arbeitsverhältnis besonderen diskriminierungsbedingten Gefährdungen ausgesetzt ist, trägt das Gesetz mit einem eigenen Abschnitt zum Schutz der Beschäftigten Rechnung (§§ 6 ff. AGG).
Als persönlichkeitsschutzrechtliche Großbaustelle erweist sich das Arbeitnehmerdatenschutzrecht. § 32 BDSG ( Datenschutz) soll grundlegend reformiert und ergänzt werden. Der am 25.8.2010 von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes wurde jedoch bis heute (Dezember 2015) noch nicht vom Bundestag verabschiedet. Die ab 25. 5. 2018 anwendbare EU-Datenschutzgrundverordnung erhöht allerdings den Druck auf den deutschen Gesetzgeber. Denn trotz der dort vorgesehenen Öffnungsklausel für den Beschäftigtendatenschutz (Art. 88 Abs. 1) sind Mindestforderungen für entsprechende Gesetze vorgesehen (Art. 88 Abs. 2). Ferner besteht eine Berichtspflicht für die Mitgliedsstaaten (Art. 88 Abs. 3).
Auch die wachsenden Möglichkeiten der Gendiagnostik führen zu neuen Gefahren für das Persönlichkeitsrecht im Arbeitsleben. Der Gesetzgeber hat hierauf bereits reagiert. In den §§ 19 ff. GenDG finden sich Bestimmungen über die Zulässigkeit dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber abgeforderter genetischer Untersuchungen.
c) Wo spezialgesetzliche Regelungen nicht zur Verfügung stehen, um den besonderen Integritätsschutzbedürfnissen im Arbeitsverhältnis gerecht zu werden, übernimmt diese Funktion regelmäßig die sogenannte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Wichtige Anwendungsfälle sind heute etwa der Schutz des Arbeitnehmers vor Sachschäden sowie vor Mobbing und sonstigen Belästigungen durch Dritte, namentlich durch Kollegen. Dogmatisches Vehikel für die Begründung einer umfassenden Fürsorgepflicht des Arbeitgebers war lange Zeit die „antirömische“, dem liberalen obligationenrechtlichen Verständnis gegenübergestellte These vom Arbeitsvertrag als Treudienstvertrag (auch: Arbeitsverhältnis als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis). Diese Vorstellung darf mit Blick auf die Fürsorgepflicht heute jedoch als weitgehend überwunden gelten. Die herrschende obligationenrechtlich geprägte Lehre kann dogmatisch an § 242 BGB sowie seit der Schuldrechtsreform auch an § 241 Abs. 2 BGB anknüpfen, ohne den Grundcharakter des Arbeitsverhältnisses als eines schuldrechtlichen Austauschvertrags aufgeben zu müssen.
d) In vermögensmäßiger Hinsicht ergänzt wird der Schutz der Arbeitnehmerintegrität auch durch bes. Haftungsregelungen (Haftung), weil eine uneingeschränkte Anwendung der allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften angesichts des potenziellen Umfangs angerichteter Schäden für Arbeitnehmer vielfach ruinös wirken müsste. Schädigt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit, haftet er nach weitgehend richterrechtlich entwickelten Grundsätzen allenfalls bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit voll, bei mittlerer Fahrlässigkeit kann es zu einer Haftungsteilung kommen, bei leichtester Fahrlässigkeit entfällt die Haftung ganz. Schädigt der Arbeitnehmer bei der betrieblich veranlassten Tätigkeit Dritte, steht ihm gegen den Arbeitgeber ein entsprechender Freistellungsanspruch zu, die Ansprüche der geschädigten Dritten bleiben dagegen ungeschmälert. Weitere Besonderheiten gelten bei Personenschäden. Richtet ein Arbeitnehmer einen solchen im Rahmen seiner betrieblichen Tätigkeit bei einem Kollegen oder auch dem Arbeitgeber an, tritt die Unfallversicherung ein und der Arbeitnehmer haftet nach den allgemeinen Regelungen nur noch bei Vorsatz und sogenannten Wegeunfällen (§ 105 SGB VII). Erleidet er selbst einen solchen Personenschaden aufgrund eines dem Arbeitgeber zuzurechnenden Arbeitsunfalls, gilt wegen des bestehenden Versicherungsschutzes eine entsprechende Haftungsbeschränkung für den Arbeitgeber (§ 104 SGB VII).
4. Die Eindämmung arbeitgeberseitiger Fremdbestimmungsmacht als Ursprungsziel des kollektiven Arbeitsrechts
a) Die Ausbildung des kollektiven A.s (Koalitions-, Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht sowie Betriebsverfassungsrecht) darf als die wichtigste Antwort des Privatrechts auf die gegen Ende des 19. Jh. so brennende „soziale Frage“ angesehen werden. Mit ihr wird die Macht „des Kapitals“ über „die Arbeit“ nicht revolutionär beseitigt, sondern evolutionär auf ein legitimes und sozialverträgliches Maß beschränkt. Das sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass über die gedanklichen Grundlagen und dogmatischen Anknüpfungspunkte des kollektiven A.s lange kaum Einigkeit bestand. Vielmehr herrschten in diesem Punkt von Beginn an grundlegende Meinungsverschiedenheiten, die unterschwellig bis heute fortwirken. Spiegel dieses Streits ist insb. die Auseinandersetzung über Legitimation und Reichweite der sogenannten Normsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien. Rein praktisch soll diese Befugnis v. a. sicherstellen, dass die tarifvertraglichen Regelungen ohne das Erfordernis einer individuellen Transformation in das Arbeitsverhältnis eingehen und ihrer Wirksamkeit auch dadurch nicht beraubt werden können, dass der Arbeitgeber diese Regelungen mit dem Arbeitnehmer kurzerhand individualvertraglich abändert. Vor der erstmaligen gesetzlichen Anordnung der „unmittelbaren und zwingenden Wirkung“ tariflicher Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen (so heute § 4 Abs. 1 TVG) in der TVVO vom 23.12.1918 versuchte man, diesen Effekt mit den allgemeinen bürgerlich rechtlichen Mitteln, namentlich dem Vertretungsrecht, zu erreichen. Entgegen dem ersten Anschein war das weit mehr als nur der Reflex einer sozial unsensiblen, die Zeichen der Zeit verkennenden Zivilistik. Es war vielmehr die konsequente Fortentwicklung einer Arbeitsverfassung, die auf dem freien obligationsmäßigen Austausch von Diensten gegen Geld beruht und in der deshalb auch die Konditionen dieses Leistungsaustauschs grundsätzlich in „freier Übereinkunft“ (§ 134 preußische GewO 1845) bestimmt werden. Denn in der mandatarischen Konstruktion kommt am klarsten zum Ausdruck, dass sich auch in der tarifvertraglichen Inhaltsbestimmung nur die Privatautonomie der eigentlichen Arbeitsvertragsparteien verwirklicht und damit das Grundprinzip der Arbeitsverfassung gewahrt bleibt. Namentlich die Gewerkschaften sind hiernach nur Mittel zum Zweck. Sie ermöglichen es den Einzelnen, das in der Konkurrenzsituation gründende Verhandlungshandicap zu überwinden und gegenüber dem Arbeitgeber eine Marktmacht zu aggregieren, die – bei flankierender Gewährleistung des Arbeitskampfs – dessen faktische Alleinbestimmungsmacht bei der Festsetzung der Arbeitsbedingungen bricht und in eine echte Verhandlungssituation überführt. Der von den Koalitionen geschlossene Tarifvertrag ist hiernach weder Ausdruck einer besonderen überindividuellen Verbandsautonomie noch einer speziellen Form der staatlichen Intervention. Er ist im Kern nicht mehr als das Ergebnis gemeinschaftlich ausgeübter Vertragsfreiheit.
Die Gegenkonzeption lehnte eine solche Rückführung auf die Privatautonomie ab. Schon der Arbeitsvertrag war für sie nicht als Austauschvertrag, sondern als Herrschaftsvertrag, das Arbeitsverhältnis als Organisationsverhältnis bzw. personenrechtliches Verhältnis anzusehen. Die dem Arbeitnehmer bei der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses zukommende Freiheit war in der Konsequenz dieses Denkens deshalb nicht nur faktisch, sondern bereits rechtskonzeptionell reduziert. Weil man von diesem Ausgangspunkt nicht abrücken wollte, konnte mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses an die Stelle arbeitgeberseitiger Alleinbestimmung aber auch nicht eine – durch den Arbeitnehmerverband lediglich faktisch gestärkte – Freiheit zu vertraglicher Selbstbestimmung treten, sondern nur die Möglichkeit demokratischer Mitbestimmung im Verband. Allein diesem wurde deshalb die (originäre oder auch staatlich übertragene) Macht zugesprochen, den Inhalt des Arbeitsverhältnisses gemeinsam mit dem Arbeitgeber (bzw. dessen Verband) für das Einzelarbeitsverhältnis verbindlich zu regeln. Der Tarifvertrag war danach gedanklich nicht Ausdruck einer faktischen Stärkung der Selbstbestimmungsmacht des Arbeitnehmers, sondern Bestätigung ihres rechtlichen Verlustes.
b) Das geltende, im TVG niedergelegte Recht hat sich für den Tarifvertrag im Ausgangspunkt für die freiheitlich-mandatarische Konzeption entschieden. Trotz deutungsoffener Terminologie und vereinzelten problematischen Regelungen lässt sich das Tarifvertragsrecht insb. wegen der prinzipiell mitgliedschaftlich begrenzten Tarifbindung (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG) und dem klaren Bekenntnis zum sogenannten Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) mit der heute auch herrschenden Meinung schlüssig nur als „kollektiv ausgeübte Privatautonomie“ (grundlegend BAGE 95, 277, 283) verstehen. Das entspricht auch der individualrechtlichen Grundkonzeption von Art. 9 Abs. 3 GG. Eine konsequente dogmatische Umsetzung in ein vertretungs- oder auch ermächtigungsrechtliches Konzept garantiert das freilich noch nicht. An zahlreichen Stellen zeigen sich insb. in der höchstrichterlichen Rspr. Brüche und Inkonsequenzen. Dabei mag man als vielleicht prominentestes Beispiel die beinahe schon sprichwörtliche Formel des BVerfG zu Art. 9 Abs. 3 GG ansehen, nach welcher der Staat seine Zuständigkeit zur Rechtssetzung auf dem Gebiet des Arbeits- und Wirtschaftslebens „weit zurückgenommen“ und die Bestimmung über die regelungsbedürftigen Einzelheiten des Arbeitsvertrags „grundsätzlich den Koalitionen überlassen“ habe (grundlegend BVerfGE 44, 322, 340 f.). Denn diese Formel übergeht nicht nur die vor jeder staatlichen Zuständigkeit stehende Vertragsfreiheit der Parteien des Arbeitsverhältnisses. Sie impliziert ferner eine originäre bzw. staatlich übertragene Regelungsmacht der Koalitionen, die keiner Legitimation durch ihre Mitglieder mehr bedarf. Der Gesetzgeber kann sich so dann auch befugt sehen, die Wirkungsmacht insb. kleinerer Gewerkschaften erheblich zu beschneiden, wie das mit dem Tarifeinheitsgesetz geschehen ist, nach dem in einem tarifpluralen Betrieb nur noch der Tarifvertrag Anwendung finden soll, der für die meisten Belegschaftsmitglieder kraft Gewerkschaftszugehörigkeit gilt (§ 4a TVG). Mit einer freiheitlich-mandatarischen Grundkonzeption der Tarifautonomie ist das ersichtlich nicht vereinbar. Das Gesetz begegnet deshalb auch erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken.
c) Unverzichtbares Druckmittel zur Durchsetzung von Tarifverträgen ist der Arbeitskampf, dessen überkommene Formen Streik und Aussperrung darstellen. Gesetzliche Grundlagen hierzu fehlen. Das Arbeitskampfrecht ist in Deutschland nahezu vollständig richterrechtlich geprägt. Dabei stellt die Rechtsprechung Arbeitskampfmaßnahmen heute nicht mehr – wie ursprünglich noch (vgl. BAGE 1, 291) – in ihrer zivilrechtlichen Problematik, (namentlich also als organisierte Vorenthaltung einer vertraglich geschuldeten Leistung), in den Mittelpunkt. Vielmehr erscheinen sie heute als eine von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete originäre Freiheitsbetätigung, die nur noch im Erfordernis einer spezifischen Zweckverfolgung und im – naturgemäß vagen – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen findet. Dies hat äußerst problematische Ausweitungen mit sich gebracht: Arbeitskämpfe sollen heute etwa grundsätzlich auch zur Unterstützung fremder Tarifauseinandersetzungen geführt werden dürfen („Unterstützungsstreik“, s. BAGE 123, 134). Und die Gewerkschaften werden auch nicht mehr auf den Streik als Kampfmittel verwiesen, sondern sollen ebenso etwa Flashmobs in bekämpften Betrieben organisieren dürfen (BAGE 132, 140 BVerfG, NZA 2014, 493). Noch nicht in Frage gestellt sind demgegenüber die Verbote politischer und „wilder“, d. h. nicht gewerkschaftlich organisierter Streiks. Auch dürfen sich Streiks nicht gegen originäre Unternehmerentscheidungen, wie etwa Betriebsverlagerungen oder -schließungen, richten. Nicht in Frage gestellt ist auch die Friedenspflicht als Grenze der Arbeitskampfbefugnis. Diese wirkt allerdings grundsätzlich nur „relativ“ und hindert somit nicht Arbeitskämpfe um Gegenstände, die von dem friedensstiftenden Tarifvertrag nicht erfasst sind.
d) Anders als beim Tarifvertrag lässt sich die unmittelbare und zwingende Wirkung von Betriebsvereinbarungen (§ 77 Abs. 4 BetrVG) nicht auf eine mandatarische Legitimation stützen. Sofern in einem Betrieb mit mindestens fünf Arbeitnehmern (§ 1 BetrVG) ein Betriebsrat (Mitbestimmung) gewählt wurde (§§ 13 ff. BetrVG), konstituiert die Betriebsverfassung einen Zwangsverband, dem sich der im Arbeitsverhältnis stehende Arbeitnehmer weder durch Fernbleiben noch durch Austritt entziehen kann. Richtigerweise kommt den Betriebsparteien deshalb entgegen st.r Rspr. von vornherein nur eine sachlich begrenzte und nicht eine grundsätzlich umfassende Regelungsmacht zu. Normative Regelungsbefugnisse der Betriebsparteien bedürfen einer besonderen gesetzlichen Grundlage und sind als Mittel zu verstehen, um das ansonsten dem Arbeitgeber mit dem Direktionsrecht (§ 106 GewO) zukommende Alleinbestimmungsrecht gleichsam demokratisch zu brechen. Durchsetzungsmittel ist hier auch nicht der Arbeitskampf (s. § 74 Abs. 2 BetrVG), sondern die Erzwingbarkeit eines verbindlichen Spruchs der paritätisch besetzten Einigungsstelle (§ 76 BetrVG). Solche zwingenden Mitbestimmungsrechte kommen dem Betriebsrat v. a. in den sogenannten sozialen Angelegenheiten zu (s. § 87 BetrVG). Vielfach beschränken sich seine Befugnisse aber auch auf Informations-, Anhörungs-, Beratungs- sowie sachlich begrenzte Zustimmungsverweigerungsrechte. Das gilt insb. für die Beteiligung in personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten (§§ 92 ff., 106 ff. BetrVG).
5. Individualarbeitsrechtliche Flankierungen zur Eindämmung arbeitgeberseitiger Fremdbestimmungsmacht
a) Die Marktmacht, die der Arbeitnehmer durch Assoziierung in Gewerkschaften erreichen kann, wäre höchst brüchig, könnte ihn der Arbeitgeber jederzeit und ohne Grund gegen einen anderen, nicht assoziierten Arbeitnehmer austauschen. Aber auch eine individuell bereits hinreichend hohe Durchsetzungsfähigkeit von Arbeitnehmern schwindet mit der Dauer des Arbeitsverhältnisses erfahrungsgemäß. Spezialisierung, Familiengründung, soziale Verwurzelung, zunehmendes Alter etc. beeinträchtigen die „Marktgängigkeit“ und würden so die faktischen Fremdbestimmungsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei jederzeitiger grundloser Kündbarkeit des Arbeitnehmers erheblich anwachsen lassen. Dies erfordert ein Kündigungsschutzrecht, das eine auf bloßen Austausch des Arbeitnehmers gerichtete Entlassung möglichst verhindert. Folgerichtig gestattet das KSchG in seinem Anwendungsbereich (s. §§ 1 Abs. 1, 14, 23 f.) eine ordentliche Kündigung nur aus personenbedingten, verhaltensbedingten oder betriebsbedingten Gründen (§ 1 Abs. 2 KSchG, zum Erfordernis einer Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen s. § 1 Abs. 3 – 5 KSchG). Die außerordentliche („fristlose“) Kündigung bedarf ohnehin eines wichtigen Grundes (§ 626 BGB).
b) Die Wirksamkeit des Kündigungsschutzes verlangt ihrerseits flankierende gesetzgeberische Maßnahmen. Ohne weitere Einschränkungen der vertraglichen Gestaltungsfreiheit ließe sich dieser Schutz kautelarjuristisch problemlos aushebeln. Dies führt folgerichtig zu Beschränkungen der Befristungsmöglichkeiten im TzBfG (insb. Verbot sachgrundloser Kettenbefristungen, § 14 TzBfG) und zur Reglementierung der Arbeitnehmerüberlassung, mittels derer Kündigungsschutz und Befristungsrecht umgangen werden könnten. Gleiches gilt schließlich für das Recht des Betriebsübergangs. Denn ohne den von § 613a BGB angeordneten Übergang der Arbeitsverhältnisse auf einen Betriebserwerber und das ergänzende Kündigungsverbot ließen sich die Beschränkungen des KSchG und des TzBfG durch eine kreative Kombination gesellschaftsrechtlicher Gestaltungen (Gesellschaftsrecht) mit sogenannten asset deals unschwer ihrer Wirkung berauben.
c) Ergänzend ist der Gesetzgeber im Zuge der sogenannten Schuldrechtsreform auch durch die grundsätzliche Erstreckung der AGB-Kontrolle (§§ 305 ff. BGB, s. § 310 Abs. 4 BGB; AGB) auf Arbeitsverträge tätig geworden. Die Rechtsordnung dämmt so die faktische Fremdbestimmungsmacht des Arbeitgebers durch unmittelbare Beschneidung seiner individualrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten ein und schafft dadurch für die accidentialia negotii ein generalklauselartiges Schutznetz speziell für solche Arbeitnehmer, die nicht einmal indirekt, also über einzelvertragliche Bezugnahmeklauseln, von dem durch das kollektive A. vermittelten Schutz vor faktischer Fremdbestimmung profitieren. Konzeptionelle Freiheitsverluste werden hier dadurch vermieden, dass ausgehandelte Individualabreden zulässig bleiben (§ 305 b BGB).
6. Die zunehmende sozialrechtliche Inanspruchnahme des Arbeitsrechts
Nicht wenige bekannte arbeitsrechtliche Regelungen schaffen Belastungen für den Arbeitgeber, die sich nur schwer noch auf die ursprünglichen Entstehungsgründe des A.s zurückführen lassen: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (EntgeltfortzahlungsG), Zuschuss zum Mutterschaftsgeld (MuSchG), Arbeitsplatzgarantie während Eltern- und Pflegezeiten (BEEG, PflegeZG, FamPfZG), Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit bei Teilzeitinteresse (TzBfG sowie auch nach BEEG, PflegeZG, FamPfZG) etc. können z. T. kaum mehr als Maßnahmen begriffen werden, die den besonderen Integritätsgefährdungen im Arbeitsverhältnis oder dem strukturellen Verhandlungsungleichgewicht zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern geschuldet sind. Allenfalls vereinzelt mag man in solchen Normierungen die gesetzliche Substitution einer Regelung erblicken, die unter paritätischen Verhältnissen auch der Markt hervorgebracht hätte. Vielfach wird man jedoch davon ausgehen müssen, dass der Gesetzgeber aus sozialpolitischen Gründen (Sozialpolitik) gehandelt hat, so dass die materiellen Grenzen des Privatrechts bereits überschritten sind, weil es im Kern um die Realisierung öffentlicher Interessen geht. Bes. deutlich wird das bei dem jüngst durch das MiLoG eingeführten allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn (s. o. 1. b). Ginge es hier allein um Vertragshilfe für strukturell zu schwache Arbeitnehmer, müsste die Regelung mindestens tarifdispositiv ausgestaltet sein und Ausnahmeregelungen für Arbeitsplätze enthalten, deren Produktivität erwiesenermaßen unterhalb des Mindestlohns liegt.
Diese zunehmende sozialrechtliche Inanspruchnahme des A.s erscheint hoch problematisch. Sie verwischt die historisch gewachsene arbeitsteilige Trennung zwischen privatem Arbeits- und öffentlichem Sozialrecht. Das berührt nicht nur formale Systemfragen, sondern auch materiale Gerechtigkeitsfragen (Gerechtigkeit). Denn die Verwirklichung öffentlicher Interessen durch Indienstnahme des Privatrechts führt vielfach zu entschädigungslosen Sonderopfern einzelner privater Gruppen und verstößt folglich gegen das Prinzip der Belastungsgleichheit.
7. Ausblick
Auch das A. wird in immer stärkerem Maße durch europäische, insb. unionsrechtliche Vorgaben geprägt (Europarecht). Das gilt neben weiteren Bereichen v. a. für das Antidiskriminierungsrecht (s. Art. 157 AEUV, RL 2000/43/EG, RL 2000/78/EG; RL 2006/54/EG), das Recht des Betriebsübergangs und der Massenentlassung (s. RL 2001/23/EG und RL 98/59/EG), das Befristungsrecht (s. RL 1999/70/EG) sowie auch für das Arbeitszeit- und Urlaubsrecht (s. RL 2003/88/EG). Für zentrale Bereiche, namentlich das Recht der Entgeltfestsetzung, das Koalitions- und das Arbeitskampfrecht, fehlt der EU allerdings nach wie vor die Kompetenz (s. Art. 153 Abs. 5 AEUV). Wo solche Kompetenzen bestehen, verfolgt die Union heute eine integrierte Strategie zur gleichzeitigen Stärkung von Flexibilität und Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt („Flexicurity“). Versteht man dies als einen übergreifenden, neben dem A. insb. auch das Sozialrecht, die Arbeitsmarkt- und die Bildungspolitik umfassenden Ansatz, muss das die problematische sozialpolitische Inanspruchnahme des A.s nicht zwangsläufig weiter befördern. Man darf nur nicht jedes Rechts- und Politikfeld auf ein wertungsoffenes „Sowohl-als-auch“ verpflichten. Vielmehr lässt sich die Gewährleistung von möglichst viel Freiheit und Sicherheit gerade auch durch ein arbeitsteiliges Zusammenwirken der verschiedenen Felder organisieren. Das A. im engeren Sinne wäre dabei entsprechend seiner Zugehörigkeit zum Privatrecht primär als Feld der Freiheit zu begreifen. Denn seine oben dargestellten Entstehungsgründe finden sich, wie gesehen, nicht in diffusen und auf grenzenlose Ausdehnung gerichteten Arbeitnehmerschutzbedürfnissen. Sie finden sich – und damit auch ihre Grenzen – vielmehr in dem Ziel, das bürgerlich-rechtliche Fundamentalprinzip der Gleichwertigkeit der Person und der gleichen Freiheit zur Selbstbestimmung in der besonderen Situation des Arbeitsverhältnisses Realität werden zu lassen. Lädt man das A. darüber hinaus mit immer weiteren und privatrechtsferneren Zielsetzungen auf, provoziert man nicht nur die genannten Gerechtigkeitsfragen. Man gefährdet auch die ursprünglichen Schutzziele dieses Rechtsgebiets. Denn man befördert so nur die „Flucht aus dem A.“ hin zu einer Beschaffung von Diensten auf der Basis selbständiger oder auch gesellschaftsrechtlicher Vertragsbeziehungen.
Literatur
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Empfohlene Zitierweise
T. Lobinger: Arbeitsrecht, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Arbeitsrecht (abgerufen: 23.11.2024)