Codex Iuris Canonici (CIC)

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1. Der CIC/1917

Die kaum zu überschauende Fülle kirchenrechtlicher Bestimmungen und Einzelfallentscheidungen und die Kodifikation des Rechts in manchen Staaten führten schon im Vorfeld des Ersten Vatikanisches Konzils (1869/70) zu dem Wunsch einer Revision des Kirchenrechts. Dieses Anliegen griff Papst Pius X. 1903 auf und beauftragte mit der Leitung der Arbeiten Pietro Gasparri. Papst Benedikt XV. promulgierte am 27.5.1917 den CIC (CIC/1917) in den AAS (Bd. 9, 1917, Teil II), der am 19.5.1918 in Kraft trat; neben diversen Separatdrucken ist die von P. Gasparri verantwortete Ausgabe mit Praefatio, Angabe der Quellen und Sachverzeichnis zu nennen. Die 2414 Cann. waren in Anlehnung an das römisch-rechtliche Schema personae – res – actiones in fünf Bücher eingeteilt (Allg.e Normen, Personen, Sachen, Prozesse, Straftaten, Strafen). Da viele dezidierte Vorschriften nur europäische Gegebenheiten im Blick hatten und der Horizont der societas perfecta-Lehre sich als unzureichend erwies, waren die Vorschriften nur zum Teil umsetzbar.

2. Der CIC/1983

2.1 Die Erarbeitung

Unzulänglichkeiten und sich wandelnde Gegebenheiten legten eine Revision des CIC nahe. Papst Johannes XXIII. kündigte daher am 25.1.1959 neben einem Ökumenischen Konzil auch die Überarbeitung des Kirchenrechts an. Zwar wurde 1963 eine Reformkommission eingesetzt, doch begannen die Arbeiten erst mit der Beendigung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965). Die römische Bischofssynode (Synode) verabschiedete 1967 hierfür zehn Leitlinien (Principia quae dirigant):

a) Der neue CIC müsse trotz theologischer Prägung und pastoraler Zielsetzung einen rechtlichen Charakter haben.

b) Innerer und äußerer Bereich („forum internum“, „forum externum“) sollten sorgfältig unterschieden, zugleich aber besser koordiniert werden.

c) Der dienende Charakter des Rechts müsse deutlich werden; es müsse dem Gläubigen helfen, in eigener Verantwortung den Weg zum Heil zu gehen.

d) Die umfassenden Vollmachten der Diözesanbischöfe (Bischof) seien zu normieren (Christus Dominus Art. 8).

e) Das Subsidiaritätsprinzip (Subsidiarität) solle in Gesetzgebung und Rechtsanwendung stärker berücksichtigt werden.

f) Vor jeder Unterscheidung sollten die Rechte und Pflichten aller Gläubigen kodifiziert werden. (7) Der Rechtsschutz solle verbessert werden.

g) Es sei zu bedenken, dass die Kirche zunächst eine Gemeinschaft der Glaubenden und nicht eine Institution sei.

h) Die kirchlichen Strafen sollten reduziert werden.

i) Die Systematik des CIC solle der Ekklesiologie des Konzils entsprechen.

International besetzte Studiengruppen erarbeiteten bis 1977 Entwürfe (Schemata) für zehn Rechtsgebiete, die Bischofskonferenzen, Römischer Kurie, kirchlichen Hochschulen und Ordensgeneraloberen zur Stellungnahme zugesandt wurden (Konsultationsphase). Nach Erörterung der Rückmeldungen lag am 29.6.1980 ein erster Gesamtentwurf vor, der von der erweiterten CIC-Reformkommission erneut beraten wurde (Revisionsphase). Eine am 25.3.1982 verabschiedete überarbeitete Fassung („Schema Novissimum“) unterzog Papst Johannes Paul II. mit einer kleinen Arbeitsgruppe einer letzten Revision (Entscheidungsphase). Die Leitung der Arbeiten oblag zunächst Pietro Kardinal Ciriaci, dann Pericle Kardinal Felici, deren Abschluss begleitete Erzbischof Rosalio Castillo Lara. Aufschluss über die Arbeiten geben die Protokolle der Arbeitsgruppen in dem seit 1969 erscheinenden Periodikum „Communicationes“.

2.2 Promulgation, Geltung, authentische Auslegung

Am 25.1.1983 promulgierte Johannes Paul II. den CIC mit der Apostolischen Konstitution „Sacrae Disciplinae Leges“; er trat am 27.11.1983 in Kraft. Der (allein verbindliche) lateinische Text wurde in einem eigenen Faszikel (Pars II) der AAS abgedruckt (Bd. 75, 1983; darin: „Sacrae Disciplinae Leges“ [S. VII-XIV] und „Praefatio“ [amtliches Vorwort: S. XV-XXX]; am 22.9.1983 wurde eine amtliche Berichtigung von Fehlern veröffentlicht). Der Text erschien auch als Separatdruck. 1989 gab die „Pontificia Commissio Codici Iuris Canonici Authentice Interpretando“ eine Ausgabe mit Rechtsquellen und Sachregister („CIC Fontium Annotatione et Indice Analytico-Alphabetico“) heraus. Dem Auftrag zur Erstellung zweisprachiger Ausgaben (mit landessprachlicher Übersetzung) kamen die Bischofskonferenzen des deutschen Sprachraumes 1983 nach.

Der CIC betrifft allein die lateinische Kirche (can. 1 CIC). Mit ihm traten sein Vorgänger, alle zu ihm in Widerspruch stehenden Normen sowie die Regelungen der durch ihn umfassend neu geordneten Rechtsmaterien außer Kraft (can. 6 § 1). Das ursprünglich geplante Projekt einer „Lex Ecclesiae Fundamentalis“ wurde um 1980 aufgegeben.

Eine authentische Interpretation kommt allein dem Gesetzgeber zu (can. 16 § 1). Hierzu richtete Johannes Paul II. 1984 die „Pontificia Commissio Codici Iuris Canonici Authentice Interpretando“ ein (AAS 76, 1984, 434 f.; Art. 154–158 Apostolische Konstitution „Pastor Bonus“ vom 28.6.1988, heute: „Pontificium Consilium de Legum Textibus Interpretandis“). Die Entscheidungen („responsa“) haben mit päpstlicher Billigung Gesetzeskraft und werden in den AAS promulgiert (can. 16 § 2).

2.3 Grundlage, Inhalt, Systematik

Der CIC rezipiert die Beschlüsse und Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils, die zum Teil schon in die nachkonziliare Gesetzgebung ad experimentum Eingang gefunden hatten. So betont Johannes Paul II., der neue CIC übertrage die Lehren des Konzils in die Sprache des Rechts; dessen Neuerungen seien die Neuerungen des Konzils („Sacrae Disciplinae Leges“). Bedeutende, durch dieses inspirierte Inhalte sind u. a.: ein Katalog von grundlegenden Pflichten und Rechten aller Gläubigen und der Laien (Laie) aufgrund ihrer Taufe (cann. 208–231); das Verhältnis zwischen Papst und Bischofskollegium (cann. 330–341); die Bischofssynode (cann. 342–348); die weitgehende Dispensvollmacht der Diözesanbischöfe (cann. 87 § 1, 381 § 1); die Bischofskonferenzen (cann. 447–459); die Betonung des missionarischen und des ökumenischen Auftrags der Kirche; die synodale Struktur der Kirche und die Beteiligung der Laien; die Ehelehre des Konzils (cann. 1055–1057); die Abkehr vom Benefizialwesen (can. 1272); die erhebliche Reduzierung kirchlicher Strafnormen. Eine bereits konzipierte Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde jedoch nicht umgesetzt.

Die Ekklesiologie des Konzils wirkt sich auch auf die Einteilung der 1752 Cann. des CIC in sieben Büchern aus, wovon die Bücher zwei bis vier theologisch einen „Kernbestand“ (Leiten, Lehren, Heiligen) bilden: 1. Allg.e Normen, 2. Volk Gottes, 3. Dienst der Verkündigung, 4. Dienst der Heiligung (v. a. Recht der Sakramente), 5. Zeitliche Güter, 6. Strafrecht, 7. Prozesse. Die erheblich geringere Zahl der Cann. resultiert aus der Ausgliederung (z. B. Organisation der Römischen Kurie, Heiligsprechungsverfahren) und Straffung (z. B. Strafrecht) mancher Rechtsmaterien sowie aus der Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips; so bleibt vieles der Regelung durch Bischofskonferenzen und v. a. Diözesanbischöfen überlassen, um die jeweiligen sozio-kulturellen Gegebenheiten berücksichtigen zu können.

3. Der Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (CCEO)

Die katholischen, d. h. mit Rom unierten Ostkirchen (mehr als 25 eigenberechtigte Kirchen, sog.e Ecclesiae sui iuris) sind ihrer je eigenen Tradition (alexandrinisch oder koptisch, antiochenisch oder westsyrisch, armenisch, chaldäisch oder ostsyrisch, konstantinopolitanisch oder byzantinisch: can. 28 § 2 CCEO) verpflichtet. Daher ist deren gemeinsames Gesetzbuch, der CCEO noch mehr als Rahmenrecht konzipiert als der CIC. Anstoß für die Kodifikation dieses Rechts war die Promulgation des CIC, doch bedurfte es zunächst der Sammlung und Edition der zahlreichen Rechtsquellen, mit dem das Pontificium Institutum Orientalium Studiorum betraut wurde. 1929 wurde eine Kardinalskommission unter dem Vorsitz von P. Gasparri eingesetzt. Ein erster Entwurf orientierte sich sehr stark am CIC und berücksichtigte die orientalischen Proprien unzureichend (Gefahr der „Latinisierung“). Papst Pius XII. setzte 1949–1957 in vier Motuproprien verschiedene Rechtsmaterien in Kraft.

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil nahm man 1972 die Redaktionsarbeit wieder auf und verabschiedete 1974 Leitlinien für die Arbeit. Zwischen 1978 und 1984 wurden acht Schemata zur Konsultation versandt und die eingehenden Bemerkungen geprüft, so dass 1986 ein Gesamtschema (Schema Codicis Iuris Canonici Orientalis, CICO) veröffentlicht werden konnte. Ein revidierter Text wurde 1988 der Plenaria der Kommission vorgelegt. Am 18.10.1990 promulgierte Johannes Paul II. den CCEO mit der Apostolischen Konstitution „Sacri Cann.“ (AAS 82, 1990, 1061–1364; das Pontificium Consilium de Legum Textibus Interpretandis gab 1995 eine Ausgabe heraus „Fontium Annotatione auctus“), der am 1.10.1991 in Kraft trat. Die Protokolle der Arbeitsgruppen finden sich in den „Nuntia“ (Rom 1975–1991).

Der CCEO gliedert seine 1546 Cann. in 30 Titeln. Dieser Aufbau erinnert an die Systematik der Sammlungen des byzantinischen Kirchenrechts, weist im Vergleich mit dem CIC aber auch andere Akzentsetzungen auf.