Die LINKE

1. Wurzeln der Partei

Die Linke ist eine 2007 aus der Fusion von PDS und der WASG entstandene Partei. Bereits 2005 kooperierten beide bei der vorgezogenen Bundestagswahl. Zu ihren Vorgängerparteien zählen KPD, SED, (SED-PDS), PDS und die 2005 in Linkspartei.PDS umbenannte PDS. Durch den Zusammenschluss mit der WASG hat die Linke ihre Perspektiven in Westdeutschland verbessert. Nach dem Eintritt des ehemaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine, der zunächst 2005 Mitglied der WASG wurde, konnte sich die PDS aus dem strukturellen Tief v. a. in den alten Bundesländern befreien. Sie zählt heute zu den etablierten Parteien.

Seit 2014 in Thüringen stellt sie zum ersten Mal einen Ministerpräsidenten in einer rot-rot-grünen Koalition. Seit 2009 ist sie in Brandenburg Koalitionspartner der SPD, von 2006 bis 2011 und von 2002 bis 2006 in Berlin. Die 2008 in Hessen angestrebte rot-grüne Minderheitsregierung unter Tolerierung der Linken scheiterte. Die Duldung von Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen mündete nach zwei Jahren 2012 in Neuwahlen.

Daran, dass es der Linken gelingen sollte, auf der Bundesebene koalitionsfähig zu werden, gibt es berechtigte Zweifel, v. a. wegen ihrer außenpolitischen Positionen. Dennoch hat die SPD nach der Bundestagswahl 2013 einen Parteitagsbeschluss gefasst, der eine Koalition mit der Linken zulassen würde.

Der Vereinigungsprozess von PDS und WASG wurde von einer bis 2014 reichenden Übergangssatzung orchestriert, der den Westlandesverbänden eine Überquote zusicherte, die schrittweise abgebaut wurde. Seit 2010 gibt es eine Geschlechter-Mindestquote bei den Parteivorsitzenden. Doch wie in vielen Parteien spielen bei der Zusammensetzung des Vorstandes auch unausgesprochene Regeln eine Rolle. Danach sollten sowohl die wesentlichen Strömungen und Vereinigungen der Partei repräsentiert und idealerweise auch eine Ost-West-Quotierung vorhanden sein.

Unübersehbar sind interne Führungs- und externe Kommunikationsschwächen seit dem Ausscheiden prominenter Politiker der Gründungszeit aus dem Vorsitz. Nach dem Rückzug von O. Lafontaine ist der Partei ein über Parteigrenzen hinweg mobilisierender Politiker abhandengekommen, ohne den die Wahlerfolge im Westen wahrscheinlich nicht erfolgt wären. Der Rückzug Lothar Biskys (aber auch der Verzicht Gregor Gysis auf den Fraktionsvorsitz) hatte hingegen eine erhebliche Reduzierung innerparteilich über die Lager hinweg integrierender und die Richtung der Partei beeinflussender Potenziale zur Folge. Die personifizierten Richtungen befinden sich in einem Stellungskrieg, die Auseinandersetzungen haben sich verhärtet, und eine programmatische Radikalisierung ist sichtbar.

2. Programmatik

Programmatisch zählt die Linke zu den postkommunistischen Parteien. Ihre Politik bewegt sich im Spannungsfeld zwischen dem sozialistischen Systemüberwindungsanspruch (Sozialismus) und der pragmatischen Gestaltung von Politik, sofern sie Verantwortung trägt. Basierend auf einer marxistisch (Marxismus) geprägten Kritik des Kapitalismus, ist ihr Ziel dessen Überwindung: ein unveräußerlicher Grundkonsens der Partei und ihrer Vorgänger. Insofern sind die programmatischen Grundlinien zwischen der Linken und der PDS unübersehbar. Die Linke erkennt zwar an, dass es demokratische „Errungenschaften“ gibt. Dies hindert sie jedoch nicht daran, diesen demokratischen Verfassungsstaat „überwinden“ zu wollen, da es sich um einen „kapitalistischen“ handelt. Damit bildet die orthodox-marxistische Interpretation der Klassengesellschaft das ideologische Korsett der Partei.

Gemäß dieser Grundhaltung ist die Veränderung der Eigentums- und damit der Machtverhältnisse essentiell und nur zusammen zu verstehen. Die Partei möchte gemäß ihres Programms aus dem Jahr 2011 „sämtliche Eigentumsformen emanzipatorischen, sozialen und ökologischen Maßstäben“ (Die LINKE 2011: 39) unterwerfen, also nach äußerst interpretationsoffenen Kriterien gestalten. Obwohl das GG die wirtschaftliche Verfasstheit offen lässt, würde dies nur durch den angestrebten Systemwechsel („Wir kämpfen für den Systemwechsel“) möglich sein, der in der Konsequenz eine freiheitliche Demokratie unmöglich machen würde. Denn die Forderung nach der „grundlegende(n) Veränderung der herrschenden Eigentums-, Verfügungs- und Machtverhältnisse“ (Die LINKE 2011: 29) trifft den Kern des demokratisch verfassten Staatswesens. Wer z. B. die Verfügungsgewalt über Medien hat und diese den genannten Kriterien unterwirft, wird keine großen Ansprüche an Meinungsfreiheit stellen. Mit der angestrebten umfassenden Veränderung der Machtverhältnisse geht die Partei davon aus, dass die „eigentlichen“ Mehrheitsinteressen z. B. durch Wahlen nicht zur Geltung kämen. Ob die von der Partei geplante Änderung des Macht- und Institutionengefüges demokratischen Grundsätzen entsprechen könnte, ist nicht überprüfbar, da nur allg.e Verlautbarungen vorhanden sind.

Auch wenn die Partei von einem Prozess der Systemveränderung mit „Reformschritten“ spricht, so sollen diese „Umwälzungen von revolutionärer Tiefe gekennzeichnet sein“ (Die LINKE 2011: 29). Zweifel an einer Verinnerlichung der demokratischen Werte – insb. der Freiheitsrechte – sind angebracht, nicht zuletzt, weil sie diese von der sozialen Lage abhängig macht.

Die konkreten politischen Forderungen der Linken in ihren Wahlprogrammen sind hingegen gemäßigter. Sie zielen in erster Linie auf eine Eigentumsumverteilung (Eigentum) und den Ausbau eines umfassenden Sozialstaates. Die Linke positioniert sich als „Friedenspartei“, die jegliches militärisches Engagement (auch mit UN-Mandat) sowie Waffenlieferungen ablehnt und die NATO gerne verlassen würde. Eine Positionsverschiebung durch die Konflikte in der Ukraine und in Syrien ist nicht erkennbar.

3. Wahlergebnisse

Seit der Kooperation und Fusion mit der WASG hat die Linke ihre Ergebnisse in den westlichen Bundesländern – wenn auch nicht kontinuierlich – ausbauen können. Sie ist nach wie vor eine Partei mit proportionalem Übergewicht in den östlichen Bundesländern. So gewann sie bei der Bundestagswahl 2013 (8,6 %) dort 22,7 % und im Westen 5,6 % der Stimmen. Dennoch verbucht sie in den alten Ländern mit ca. zwei Mio. Wählern mehr Stimmen als in den neuen (ca. 1,75 Mio. Stimmen).

Der Wahlerfolg ist schwankend und nach dem Aufschwung durch die Wahlkampfkooperation mit der WASG keineswegs mehr dynamisch. Die Partei hat, auch in den neuen Ländern, partiell erhebliche Verluste zu verzeichnen oder verharrt in Stagnation. In einige westliche Landtage, in die sie seit 2007 eingezogen war, wurde sie nicht erneut gewählt.

Die Sozialstruktur der Wähler hat sich gegenüber der PDS „prekarisiert“. Die PDS war zunächst v. a. die Partei der alten DDR-Eliten (Elite), die sich nach und nach in ihrer Sozialstruktur zu einer sozialen Volkspartei gewandelt hat. Der Vorgänger- und Nachfolgepartei gemeinsam ist die hohe Zustimmung bei konfessionslosen Wählern. Bei Arbeitslosen und Arbeitern (auch bei gewerkschaftsgebundenen Arbeitern) erfuhr sie deutlichen Zuspruch und schneidet seit 2005 überdurchschnittlich ab. Die Unterschiede zwischen den alten und den neuen Ländern sind inzwischen weitgehend eingeebnet. Auch in den Altersgruppen sind sie gering. Immerhin tendieren im Osten ältere Wähler und im Westen jüngere eher zur Linken. Die Ostberliner Wahlkreise gehören traditionell zu ihren Hochburgen.

4. Organisation

Die Linke hatte Ende 2015 etwa 59 000 Mitglieder. Wie fast alle Parteien, leidet sie an einem Mitgliederschwund, der gleichermaßen auf Überalterung wie auf zu niedrige Beitrittszahlen zurückzuführen ist. Über die Hälfte der Mitglieder sind älter als 60 Jahre. Durch die Fusion mit der WASG wurde die Partei verjüngt. Vorher waren etwa zwei Drittel über 60 Jahre alt. Nach wie vor leben etwa zwei von drei Mitgliedern in den östlichen Ländern.

In der regionalen Gliederung hat sie bundesweit die gleichen Strukturen wie andere überregional erfolgreiche Parteien. Sie unterhält die klassischen Organisationsebenen Bund, Land, Kreis und Ort. Die organisatorische Struktur der Linken weicht durch die Vielzahl der innerparteilichen Zusammenschlüsse und Gliederungen von anderen Parteien ab. Diese folgen einerseits klassischen Mustern wie „Alter“ oder „Geschlecht“ sowie Themen, andererseits formieren sie sich an ideologischen Bruchstellen. Ein Teil der Zusammenschlüsse wird von der Partei „anerkannt“. Sie können ab einer Mindestanzahl von 250 Mitgliedern beschlussfähige Delegierte auf Parteitage entsenden und erhalten auch finanzielle Zuwendung. Zu den Strömungen, die auf die programmatische Ausrichtung der Linken größeren Einfluss haben, zählen die AKL (Orthodoxe), das fds (Reformer) und die Ema.Li (zwischen den Hauptströmungen positioniert).

5. Extremismus

In der Wissenschaft umstritten ist die Frage, ob die Partei als linksextremistisch bewertet werden kann. Einige Forscher ordnen sie eher dem linksextremistischen Spektrum zu. Andere betonen eher den demokratischen Charakter. Beide Forschungsrichtungen erkennen die durchaus vorhandenen Ambivalenzen, bewerten diese jedoch unterschiedlich. So gehören z. B. – von der Partei auch nie infrage gestellt – linksextreme Zusammenschlüsse sowie Einzelpersonen zur festen Struktur und zum Erscheinungsbild. Die Linke fasst dies als Teil ihrer umfassenden Bündnispolitik auf. Dies liefert auch für die dennoch uneinheitliche Praxis der Verfassungsschutzämter (Verfassungsschutz) die Begründung zur Beobachtung. Da der Einfluss dieser Gruppierungen häufig als gering bewertet wird, erkennen einige Forscher die Linke als demokratische Partei an (z. B. Richard Stöss). Andere hingegen analysieren klassisch kommunistische bündnispolitische Strategien und mangelnde Abgrenzung gegenüber Extremismen (z. B. Harald Bergsdorf/Rudolf van Hüllen).

Die ideologischen Grundfesten (Ideologie) und programmatischen Ziele der Linken werden ebenfalls unterschiedlich gewichtet. Verkürzt wird die Forderung, das System (und den Kapitalismus) zu überwinden, einerseits als Beweis für das stillschweigende Einverständnis interpretiert, den demokratischen Verfassungsstaat zur Disposition zu stellen. Andererseits wird argumentiert, die Wirtschafts- und Sozialordnung des GG ließe dies zu. Aber auch bei fast allen Forschern, die eine extremistische Grundtendenz ausmachen, überwiegen ausgewogene Urteile. So unterscheiden Eckhard Jesse und Jürgen Lang bei Parteien zwischen einem „harten“ Extremismus, wie er z. B. bei der NPD aufzufinden ist, und einem „weichen“ Extremismus (Extremismus), wie er der Linken attestiert wird.

6. Fazit

Trotz vieler Unkenrufe hat sich die Linke etabliert und kann inzwischen Koalitionen führen oder in ihnen (meist) pragmatisch mitregieren. Innerparteilich wird sie – trotz eines widersprüchlichen Nebeneinanders unterschiedlicher Strömungen und harter Machtkämpfe – v. a. vom gemeinsamen Kampf gegen den Kapitalismus zusammengehalten. Verbunden mit Antiamerikanismus sind innere Widerstände gegenüber den „westlichen“ Demokratien maßgeblich.

Der alle Parteien betreffende Mitgliederschwund führt auch bei der Linken zu einer abnehmenden organisatorischen Kampagnenfähigkeit. Vergleichbar ist zudem die Herausforderung bei der Rekrutierung attraktiven Führungspersonals, nachdem prägende integrations-und mobilisierungsfähige Politiker der Gründerzeit nicht mehr zur Verfügung stehen. Wie die Wahlergebnisse der AfD zeigen, gibt es zwischen beiden Parteien ein nicht unerhebliches Wechselpotential, da die Linke auch immer Sprachrohr z. T. diffusen, z. T. konkreten Protestes war. Die Bewältigung dieser Aufgaben dürfte in Zukunft über die Wahlerfolge bestimmen.