Alianza Bolivariana para los Pueblos de Nuestra América (ALBA)

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ALBA ist ein regionales Integrationsprojekt, das Venezuela, Kuba, Bolivien, Nicaragua, Dominica, Ecuador, Saint Vicent and the Grenadines, Saint Lucia sowie Antigua und Barbuda vereint. Venezuela spielt als größtes und ressourcenreichstes Land, das zudem die Entwicklung des Bündnisses stetig vorangetrieben hat, eine zentrale Rolle.

2004 als Alternativa in einem Vertrag zwischen den Präsidenten Kubas (Fidel Castro) und Venezuelas (Hugo Chávez) gegründet, wurde das Bündnis 2006 durch den Beitritt Boliviens erweitert. Im entsprechenden Vertrag wurde der Name in „Bolivarische Allianz für die Völker unseres Amerikas“ geändert und durch den Zusatz „Vertrag über Handel der Völker“ (Tratado de Comercio de los Pueblos, TCP) ergänzt.

Ab 2007 erlebte ALBA eine Phase der Ausdehnung, die 2010 mit dem Austritt Honduras nach dem Putsch gegen den linksgerichteten Präsidenten Manuel Zelaya ihr Ende fand. Die Zeit danach wird von einigen Experten verstanden als „Phase ideologischer Konsolidierung“ (Hernández/Chaudary 2015: 7), in der eine Radikalisierung und Zusammenführung mit dem „Sozialismus des 21. Jh.“ stattgefunden habe, andere sehen sie als Jahre der Stagnation.

1. Konzeption

ALBA wurde von H. Chávez schon 2001 als Alternative zur von den USA vorangetriebenen Amerikanischen Freihandelsassoziation formuliert. Sie ist als „explizit ideologisches Projekt regionaler Integration einzustufen“ (Muno 2015:413), das sich als anti-hegemonial, anti-imperialistisch, anti-kolonial und anti-neoliberal präsentiert. Ziel ist die Integration des gesamten Subkontinents und der karibischen Staaten unter Ausschluss der USA und Kanadas. Symbolisiert wird dies durch den Bezug auf Simón Bolívar, der das Ideal eines geeinten Lateinamerika (Lateinamerika und Karibik) als Patria Grande schon im 19. Jh. vertrat. Zugleich nimmt die uneingeschränkte Souveränität aller beteiligten Staaten einen zentralen Platz in dem ALBA zugrundeliegenden Denken ein.

Im ökonomischen Bereich sollen die Asymmetrien zwischen den einzelnen Teilnehmerländern erkannt und reduziert werden. Dies schlägt sich in erster Linie in Öllieferungen Venezuelas an andere Teilnehmer und Mitglieder der energiepolitischen Initiative PetroAmérica, nieder. Zudem ist der Tausch von Dienstleistungen gegen Waren zwischen den Mitgliedsstaaten möglich. Weder eine Freihandelszone noch eine Zollunion (Wirtschaftsgemeinschaften) sind vorgesehen, stattdessen soll der v. a. auf Betreiben des bolivianischen Präsidenten Evo Morales aufgenommene Zusatz „TCP“ die Konzeption als auf Solidarität, Komplementarität, Zusammenarbeit und die Reduktion von Asymmetrien konzentriertes Projekt verdeutlichen.

ALBA folgt der Idee multidimensionaler Integration, in der neben der Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums Sozial-, Bildungs-, Gesundheits- und Umweltpolitik und v. a. die energetische und infrastrukturelle Integration der Mitgliedsländer im Mittelpunkt stehen sollen. Das Projekt betont zudem die Bedeutung der direkten Partizipation der Bevölkerung.

2. Aufbau

ALBA verfügt über keinen Verfassungsvertrag; vielmehr bildet der ursprünglich zwischen Kuba und Venezuela geschlossene Vertrag den Rahmen für eine Vielzahl loser bi- oder multilateraler Verträge, aus denen auch die spezifischen intergouvernementalen Organe hervorgehen. Dem Rat der Staats- und Regierungschefs obliegt die politische Führung des Bündnisses. Der Consejo Político versammelt die Außenminister der Mitgliedsstaaten, zudem bestehen ein aus den jeweiligen Fachministern gebildeter Wirtschafts- sowie ein Sozialrat. Diese Ministerialversammlungen haben beratende und exekutive Aufgaben. Hinzu kommen ein Rat der Frauen und Rat der Sozialen Bewegungen mit ebenso beschränkten Funktionen, sowie zehn thematisch beratende Arbeitsgruppen. Außerdem wurde ein ohne eigene Kompetenzen ausgestattetes Generalsekretariat eingerichtet, sowie ein Komitee zum Umweltschutz und das Comité Permanente de Defensa y Soberanía, das die Verteidigungsminister versammelt.

Eine supranationale Struktur (Supranationalität) hat sich nicht entwickeln können. Dieser Umstand führt u. a. zu einer geringen Effizienz und Nachvollziehbarkeit der Aktivitäten der Allianz, sowie zu einer hohen Anfälligkeit bzgl. externer Einflüsse. So ist ALBA zu einem hohen Maße abhängig von den jeweiligen Regierungen der Mitgliedsstaaten. Geben diese den links-revolutionären Duktus und die damit verbundenen regionalen Politiken auf, gibt es weder Normen (Norm) noch Institutionen (Institution), die einer solchen Kurswende widerstehen könnten. Befürworter hingegen betonen, dass diese Struktur erst die Flexibilität des Projekts begründe.

Bes. der Consejo de Movimientos Sociales wird von Befürwortern als Beleg für die bedeutsame partizipative Komponente des Projekts und eine Abkehr vom staatszentrierten Regionalismus gesehen. Kritiker merken jedoch an, dass diese Ansprüche nur rhetorisch bedient werden, die Beschneidung der Räte und die starke Konzentration auf die Versammlung der Präsidenten und Regierungschefs sogar noch eher eine Konzentration der Entscheidungsfindung bei einigen wenigen Personen zur Folge haben.

Die verschiedenen inhaltlichen Bereiche ALBAs werden in eigenen bilateralen Projekten bearbeitet. So erfolgt die energiepolitische Integration (Energiepolitik) über PetroAmérica, sozial-, gesundheits- und bildungspolitische Projekte werden in Misiones genannten eigenen Initiativen erfolgreich vorangetrieben – teils auch außerhalb der eigentlichen Mitgliedsländer. Mit der Gründung eigener Radio- und Fernsehanstalten (Radio del Sur, TeleSur) sollen Gegenangebote zur bisherigen Berichterstattung geboten werden. Der Banco del Sur, eine eigene Entwicklungsbank, sowie v. a. der SUCRE, ein regionaler Verrechnungsmechanismus, der 2010 als virtuelle Währung eingeführt wurde, sollen eine „alternative Finanzarchitektur“ entstehen lassen.

3. Beziehung zu anderen regionalen Projekten

ALBA ist Teil einer Gruppe vergleichbarer Initiativen in Lateinamerika und der Karibik. Ähnlich gelagert sind die 2003 insb. auf Betreiben Brasiliens gegründete UNASUR, sowie die Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten (CELAC), gegründet 2010. Diese Initiativen werden als postliberal bezeichnet, da sie sich von neoliberalen (Neoliberalismus), wirtschaftszentrierten Vorstellungen abwenden und den Staat als zentralen Akteur betrachten – und vor diesem Hintergrund die Beteiligung der nordamerikanischen Nachbarn ablehnen. Diese neuen Regionalinitiativen entstanden in einem ohnehin durch eine Vielzahl verschiedener ähnlicher Projekte geprägten Umfeld (CAN, CAFTA, MERCOSUR, OAS, UNASUR). Die offene normative Struktur der Allianz erlaubt es den Mitgliedern, Mehrfachmitgliedschaften innezuhaben. Zwar betonen die Führungsfiguren der ALBA, das es keine Konkurrenz gebe, jedoch stellt sich dies in der konkreten Politik, z. B. was verteidigungspolitische Integration angeht, durchaus anders dar.

Innerhalb der Integrationslandschaft Lateinamerikas sticht ALBA durch die explizite ideologische Ausrichtung, die starke Abhängigkeit von Venezuela und die Repräsentation aller drei Subregionen hervor.

4. Bewertung

Die Urteile zu ALBA divergieren enorm. Während einige Beobachter in ihr tatsächlich eine „Morgenröte“ der unabhängigen Zusammenarbeit der lateinamerikanischen Völker sehen, ist es für Kritiker v. a. ein Mittel venezolanischer Außenpolitik, das keine unabhängige Wirkung entfalten kann. Projekte in den Bereichen Energie und Infrastruktur wurden zwar öffentlichkeitswirksam präsentiert, aber kaum erfolgreich umgesetzt. In den Bereichen Gesundheit und Bildung hingegen sind die Erfolge, insb. der Misiones, beachtlich: So gelang es lt. Hernández und Chaudary (2015), die Alphabetisierungsrate im ALBA-Raum bis 2012 auf 98 % zu heben, 94 % der Kinder im schulfähigen Alter besuchten die Grundschule. Der Tausch „Ärzte gegen Öl“ ermöglicht die kostenlose medizinische Grundversorgung sozial Benachteiligter in Venezuela und anderen Ländern durch kubanisches Personal.

Dem stehen jedoch tiefgreifende Probleme gegenüber: „Wirtschaftlich gesehen ist ALBA von geringer Bedeutung“ (Muno 2015:414), die Nutzung des SUCRE ist in den letzten Jahren wieder deutlich gesunken und die Abhängigkeit des Gesamtprojekts von Venezuela, was v. a. wirtschaftliche Ressourcen angeht, kann u. U. zu Krisen führen. Ein Großteil des intraregionalen Handels wird mit Venezuela abgewickelt. Die Versorgung der Mitglieder mit Öl zu Vorteilspreisen ist eines der Standbeine des Projekts, zudem finanziert Venezuela die gemeinsamen Projekte zum größten Teil.

Angesichts des Todes beider Initiatoren des Projekts, bes. aber der in Venezuela folgenden politischen und wirtschaftlichen Krise, scheint die Zukunft der ALBA ungewiss. Hinzu kommt, dass in vielen lateinamerikanischen Ländern in den letzten Wahlen linke Regierungen von liberalen und konservativen abgelöst wurden. Aufgrund der starken Abhängigkeit des Projekts von den Regierungen der Mitgliedsländer könnte dies zur größten Herausforderung der Bolivarischen Allianz werden.