Frauenrechte

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Die im deutschen GG gewährleisteten Grundrechte stehen Männern und Frauen gleichermaßen zu. Diese Aussage gilt ebenso für die Grundrechtsverbürgungen der Staaten Europas, weiterer westlicher Staaten und vieler weiterer Grundrechtsgarantien in Staaten weltweit. Sie alle gewährleisten Menschenrechte, die ohne Ansehen des Geschlechts gelten. In diesem Sinne sind Menschenrechte auch F. Entsprechendes ist für die EMRK (Inkrafttreten 1953) sowie für die EuGRC (Inkrafttreten 2009), die beiden zentralen gemeineuropäischen Grundrechtskataloge, festzustellen. Die im Jahr 1948 verkündete AEMR enthält wie der im Jahr 1966 entstandene IPbpR ebenfalls menschenrechtliche Gewährleistungen, die sowohl Männern als auch Frauen zustehen. Viele Grundrechtskataloge enthalten zudem einen allgemeinen Gleichheitssatz und/oder Diskriminierungsverbote, die eine Gleichbehandlung von Männern und Frauen gebieten sowie Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts verbieten. Grund- und Menschenrechte stehen somit regelmäßig Personen ganz unabhängig von ihrem Geschlecht zu. Das entspr. dem Anspruch der Menschenrechte auf universelle Geltung. In historischer Perspektive musste die Frauenbewegung zunächst erstreiten, dass die mühsam errungenen Menschenrechte nicht nur Männern, sondern auch Frauen zustehen. Insb. die Einforderung politischer Rechte, konkret des Wahlrechts, und gleicher Rechte im Familienrecht waren Forderungen, die erst im Laufe des 20. Jh. sukzessive durchgesetzt werden konnten.

Ob allerdings Frauen tatsächlich die gleichen Rechte wie Männer genießen, ob also die im nationalen (Verfassungs-)Recht oder den internationalen Verbürgungen enthaltenen Rechte, in gleicher Weise für Männer und Frauen umgesetzt sind, ist vielfach noch heute zweifelhaft. Insofern sind mehrere Ebenen zu unterscheiden: Grund- und Menschenrechte verlangen zunächst, dass der Gesetzgeber Männer und Frauen gleich behandelt und ihnen gleiche Rechte und Pflichten auferlegt. Nach dem Geschlecht differenzierende gesetzliche Bestimmungen können nur dann verfassungskonform sein, wenn sie bereits in der Verfassung vorgesehen sind. So besteht etwa in Österreich aufgrund einer Verfassungsbestimmung eine Wehrpflicht für männliche Staatsbürger, während Staatsbürgerinnen nur freiwillig im Bundesheer Dienst als Soldatinnen leisten (vgl. Art. 9a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz öBGBl 1920/1 idF öBGBl. I 2016/41). Darüber hinaus kommen nach dem Geschlecht differenzierende gesetzliche Regelungen in Betracht, wenn sie aus biologischen Gründen nur Männer oder Frauen treffen können. Beispielhaft kann hier die Gewährleistung von Mutterschutz genannt werden. Gesetze müssen außerdem durch Gerichte und Verwaltungsbehörden ohne Ansehen des Geschlechts einer Person angewendet werden. Die dritte Ebene ist jene der Schaffung von Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die individuelle Gestaltung von Lebensentwürfen von Männern und Frauen, die auch als die Inanspruchnahme von Freiheitsrechten verstanden werden kann. Insofern bestehen insb. in gesellschaftlicher und ökonomischer Hinsicht für Männer und Frauen vielfach unterschiedliche Bedingungen, die z. T. traditionellen Wertvorstellungen geschuldet sind, z. T. durch gesellschaftliche Strukturen gefördert werden. Rechts- und verfassungspolitisch, aber auch allgemeinpolitisch werden Grund- und Menschenrechte dafür herangezogen, um auch eine Gleichheit in den Lebensbedingungen und Voraussetzungen der Entfaltung einzufordern. In der klassischen Dogmatik der Grund- und Menschenrechte werden solche Forderungen, die regelmäßig mit Leistungsansprüchen an den Staat verbunden sind, als Rechtsansprüche abgelehnt, ohne dass damit ein Urteil über ihre politische Berechtigung getroffen wäre.

Die Diskussion von F.n nimmt aber auch die Situation in den Blick, dass Frauen in bestimmten Situationen und Strukturen leichter Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden, wobei sowohl an Rechtsverletzungen durch den Staat als auch an Rechtsverletzungen durch Private zu denken ist, denen der Staat durch angemessene präventive und repressive Maßnahmen zu begegnen hat. In dieser Perspektive zeigt die Hervorhebung von F.n die Notwendigkeit auf, dass der Staat diesen besonderen Gefährdungen von Frauen(-rechten) wirksam begegnet. Frauen sind statistisch häufiger Opfer von sexueller und anderer körperlicher Gewalt, aber auch von Unterdrückung (psychischer Gewalt) als Männer. Zwangsheirat, Menschenhandel, Zwangsarbeit, insb. Zwangsprostitution, und andere Formen der Unterdrückung treffen nicht nur, aber häufiger Frauen als Männer. Gesellschaftliche Traditionen und Strukturen sowie die bes. Situation von Müttern mit Kindern können dazu beitragen, dass Frauen stärker als Männer gefährdet sind, Opfer von erheblichen Rechtsverletzungen zu werden. Ohne dass Frauen regelmäßig und ohne weitere Differenzierung als „vulnerable“ Gruppe verstanden werden sollten, ist es vor dem Hintergrund der Gewährleistung der Menschenrechte überhaupt Aufgabe und Pflicht des Staates, effektive Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefährdung von Frauen wirksam zu begegnen. So befinden sich etwa Frauen auf der Flucht in einer bes. verletzlichen Situation. Sie drohen, insb. wenn sie mit Kindern flüchten, Opfer von sexuellen Übergriffen, sonstiger körperlicher und seelischer Gewalt zu werden, und sind damit einer bes. hohen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt. Angemessene Versorgung mit Nahrung und medizinischen Leistungen, bes. Wohnmöglichkeiten für Frauen mit und ohne Kinder sind insofern Maßnahmen zum Schutz gerade von Frauen. Ein strafrechtlich sanktioniertes Verbot der Zwangsheirat verbunden mit Aufklärung, Beratung und Bildung schützt vor allem Frauen vor einer Verheiratung (häufig als Minderjährige) gegen ihren Willen. Zum Schutz insb. von Frauen in der oder vor der Prostitution haben verschiedene Staaten ganz unterschiedlich Modelle von gesetzlichen Regelungen und sozialer Unterstützung entwickelt.

Auch wenn bereits die AEMR von 1948 das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorsah, sah man auf internationaler Ebene die Notwendigkeit, die tatsächliche Gewährleistung von Rechten für Frauen zu einer zentralen politischen Forderung und zum Thema zu machen. In den Jahren 1975 (Mexico-Stadt), 1980 (Kopenhagen), 1985 (Nairobi) und 1995 (Peking) fanden UN-Weltfrauenkonferenzen statt, die die Thematik der F. auf die internationale Agenda setzten und damit Aufmerksamkeit schafften. 1979 verabschiedete die Generalversammlung der UN das „UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ (CEDAW). Es hob zum einen bereits bestehende Bestimmungen, wie insb. das in der AEMR enthaltene Verbot der Diskriminierung nach dem Geschlecht, hervor und ergänzte sie zum anderen, indem es die Verantwortlichkeit der Vertragsstaaten für Rechtsverletzungen auf nicht-staatliche Akteure erweiterte. In einem Aktionsprogramm verpflichteten sich die Vertragsstaaten, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich umzusetzen. Auch im Rahmen der UN-Weltmenschenrechtskonferenz 1993 in Wien wurde das Thema F. diskutiert. Die Abschlusserklärung verurteilte Gewalt gegen Frauen und Mädchen als Menschenrechtsverletzung. In weiterer Folge wurde noch im Jahr 1993 die „Erklärung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen“ verabschiedet, die eine Reihe von spezifischen Gewalttaten gegen Frauen (körperliche und sexuelle Gewalt im Haushalt und in der Ehe, sexuelle und anderweitige Ausbeutung von Frauen, Frauenhandel, Zwangsprostitution, weibliche Genitalverstümmelung u. a.) als Menschenrechtsverletzungen brandmarkt. Zur Umsetzung der in der Erklärung verankerten F. wird seit 1994 ein UN-Sonderberichterstatter über Gewalt gegen Frauen, deren Gründe und Auswirkungen eingesetzt (Res. 1994/45). Im Jahr 1999 wurde zur Umsetzung des CEDAW ein Fakultativprotokoll aufgelegt, das Individualbeschwerden an den UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau ermöglicht, wenn die in dem Abkommen gewährleisteten Rechte verletzt werden (in Deutschland 2001 ratifiziert, BGBl 2001 II: 1237 f.; in Österreich 2000, öBGBl III 2000/206). Die praktische Wirksamkeit dieses Beschwerderechts gerade für Frauen, deren finanzielle Möglichkeiten, (rechtliche) Bildung oder Status nach innerstaatlichem Recht beschränkt sind, wird trotz Vertretungsmöglichkeiten teilweise kritisch gesehen.