Pornographie

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Griechisch, wörtlich: Abbildung der (Tätigkeiten der) Hure, steht für die unverhüllte Darstellung sexueller Handlungen. Eine nähere Abgrenzung zur weniger expliziten Erotik bzw. zu ästhetischen Ausdrucksformen zwischenmenschlicher Intimität ist infolge der Auflösung von Grenzziehungskriterien kaum mehr möglich, weder aus wissenschaftlicher noch aus juristischer Perspektive. Somit ist pornographisch heute überwiegend das, was von der jeweiligen Beobachterposition als pornographisch verstanden wird (oder werden will); die einzig feststehende Variable scheint der Bezug zum Körper und zur deutlich sichtbaren Festschreibung je spezifischer körperlicher Facetten und Aktivitäten zu sein.

1. Entwicklung

Historisch werden bereits antike Wandmalereien, die im Entstehungszeitraum nicht unter Sanktionsbedrohung standen, (nachträglich) als P. deklariert. Infolge der Christianisierung und der damit einhergehenden repressiven Sexualmoral werden Verlautbarungen zum Intimleben zunehmend unterdrückt und pönalisiert. In der frühen Neuzeit tauchen insb. nach der Erfindung des Buchdrucks Pamphlete auf, die die subversive Kraft pornographischer Semantiken in Bildern, v. a. aber im Kontext des Mediums Schrift aufgreifen. Sie dienen überwiegend als heimliche Konsumquelle für den Lustgewinn der Leserschaft, was häufig durch eine Übertreibung bzw. Zuspitzung realen Sexualverhaltens gelingt: der nüchternen Wirklichkeit wird ein „Pornotopia“ gegenübergestellt, wo körperliches Begehren das zentrale Handlungsmotiv darstellt. Mitunter dient der pornographische Gehalt aber auch der Infragestellung etablierter Kulturprinzipien auf möglichst provokante Weise und übt somit eine – zunächst noch verschwiegene – gesellschaftspolitische Funktion aus (etwa im Werk des Donatien Alphonse François de Sade).

Die Relativität der P. zeigt sich an der geschichtlichen Entwicklung: Manche Erzählung fällt aufgrund expliziter Passagen zeitweilig unter den Bann der Zensur – und gilt heute als Weltliteratur (Ovid, Gustave Flaubert, James Joyce u. a.). Mit der technischen Entwicklung der Fotografie und später des Films werden pornographische Inhalte allmählich zum Massenphänomen. Die Variationsbreite der dargestellten Sexualtechniken nimmt zu und transzendiert die soziale Realität, wirkt aber andererseits inspirierend auf sie zurück. Erst in den 1970er Jahren, nicht zufällig im Gefolge von 1968, werden pornographische Produkte offiziell legalisiert, was zu großer Neugier und kurzlebigen Versuchen führt, Porno als Genresparte eigenen Rechts bspw. in Standardkinos zu etablieren. Mit dem Aufkommen des Videorekorders und der Videothek, aber auch dem Aufblühen von Sexshops finden pornographische Filme in den 1980er Jahren eine Existenznische, bis im Verlauf der 1990er Jahre das Internet die Verhältnisse drastisch beeinflusst. An die Stelle des früheren Zugangs für Erwachsene gegen Zahlung rückt nun eine freie Verfügbarkeit, die nicht nur die Produktions-, sondern auch die Rezeptionsstrukturen verändert. P. wird, als Online-Medienangebot, im Laufe weniger Jahre zu einem festen Bestandteil der digitalisierten Gesellschaft und damit zu einem eigenständigen Kulturaspekt, der längst auch als akademischer Untersuchungsgegenstand taugt.

2. Theoretische Betrachtung

Erfahrungen mit P. gelten heutzutage nicht als Ausnahme, sondern als Regel. Empirischen Studien zufolge gehören diesbezügliche Internetangebote zur normalen sexuellen Umgebung insb. Jugendlicher. Während P. vielfach zum Zweck der Stimulation verwendet wird, v. a. bei der Masturbation, scheint sie sich zugleich als Ergänzung (und eben nicht als Ersatz) der herkömmlichen Sexualität zu etablieren. Dabei lässt sich allerdings nicht von der P. per se sprechen, denn das Spektrum der Inhalte differenziert sich weiterhin aus. Während einerseits P. nach wie vor mit professionellen Mitteln das Phantasma einer auf Sexualität und Körperästhetik basierenden Scheinwelt ausbuchstabiert, floriert andererseits mit der sogenannten Amateur-P. eine (in sich ebenfalls segmentierbare) Darstellungsalternative, die die Authentizität des Gezeigten dadurch zu verbürgen trachtet, dass nicht die Inszenierung, sondern die Disposition der Darsteller und ihre außermedialen Beziehungen der Ausgang der Produktion sind.

Entscheidend ist bei der P. indes weder, ob die Darsteller tatsächlich Lust empfinden, noch die Lust der Betrachter, da beides wegen der Gliederung in zahlreiche Subgenres und Inhaltskategorien und aufgrund der damit verbundenen unterschiedlichen Rezeptionshaltungen nicht länger entscheidend für das Etikett P. sein kann. Es gibt P. im Kontext des Sadomasochismus, der Homoerotik, des Fetischismus und nahezu aller weiteren denkbaren Spielarten. P. liegt folglich auch dann vor, wenn das Gebotene so gestaltet ist, dass es potenziell erotisierend wirken kann, aber nicht muss. Die entsprechenden Angebote spielen die gesellschaftlich weit verbreitete Toleranz gegenüber subjektiven erotischen Interessen aus.

Der Reiz der P. besteht einerseits darin, intime Situationen zu bezeugen, die auf der körperlichen Ebene „echt“ sind, sich aber realiter dem neugierigen Beobachterblick entziehen. P. geht das Wagnis der Realisierung von Fantasieinhalten ein, die bei Rezipienten Sehnsüchte erzeugen, von ihnen selbst aber nicht umgesetzt werden (können) – sie wird so zu einer Stellvertretungshandlung, die passiv, d. h. als populärkulturelle Fremdinszenierung lediglich bezeugt werden kann. Dabei übertrifft P. die Alltagssexualität durch eine Vielzahl artifizieller Inhaltselemente, die sich ohnehin nur bedingt im Alltag der Zuschauer re-inszenieren lassen, zumal der Antrieb für das Gezeigte innerhalb der Darstellung häufig eben nicht das vorgespielte Begehren, sondern der ökonomische Anreiz ist. P. ist eine global vermarktete Ware mit Milliardenumsätzen, gleichwohl wird sie für gewöhnlich nicht als prostitutiver Mechanismus (Prostitution) angesehen.

Bemerkenswert ist der Aspekt des Geschlechterverhältnisses: In einer Zeit der zunehmenden Gleichberechtigung präsentiert P. eine heteronormative Illusion, in der Frauen sich von Männern freiwillig und vermeintlich mit persönlichem Gewinn objektivieren lassen. Die Pluralisierung der P. hat diese einseitige Ordnung allerdings fragwürdig gemacht und der P. damit eine Art Demokratisierungseffekt zugewiesen, da mittlerweile potenziell alle Begehrensformen pornographisierbar geworden sind. Als positiv wird in diesem Zusammenhang das „Empowerment“ von Minderheiten angeführt, die in der P. ebenfalls Lustgewinn ausagieren (bzw. dafür bezahlt werden) dürfen.

P. lebt von der Plakativität körperlicher Grenzüberschreitungen, die sich entlang des sozialen Wandels immer wieder verschieben; insofern korrespondiert P. mit Einstellungsentwicklungen in der Bevölkerung. Die deutliche Sichtbarkeit steht bei alldem stets im Vordergrund („Frenzy of the Visible“ [Williams 1989]). Davon abgesehen lassen sich in der Gegenwartsgesellschaft verbindliche Bewertungen nicht länger einholen, sodass die individuelle Haltung zur P. als Gradmesser der privaten moralischen Position verstanden werden kann. Eine „objektive“ Wahrheit über Wesen und Funktion der P. ist nicht mehr greifbar.