Katastrophenschutz

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  1. I. Rechtliche Aspekte
  2. II. Politische, gesellschaftliche und pragmatische Aspekte

I. Rechtliche Aspekte

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1. Begriffliches

K. ist die Abwehr unmittelbar bevorstehender und die Bekämpfung bereits eingetretener Katastrophen. Aus dem Altgriechischen kommend, bedeutet Katastrophe „Umwendung“ (meist zum Schlechten). Die Definitionen der landesrechtlichen Regelungen zum K. weisen zwei Hauptmerkmale einer Katastrophe auf: Katastrophen sind Großschadensereignisse mit einer großen Zahl von Betroffenen und/oder einem sehr großen Schaden einerseits und die Überforderung der an sich zuständigen Verwaltungsebene andererseits. Der Großschadensfall wird also erst dann zu einer Katastrophe im Rechtssinn, wenn die grundsätzlich zuständige staatliche Verwaltungsebene bei der Bewältigung einer Katastrophe im konkreten Fall überfordert ist. Durch dieses Unterscheidungsmerkmal wird die Zuständigkeit der nächsthöheren Verwaltungsebene als K.-Behörde begründet. Abgrenzungsprobleme können sich zu den sich teilweise überschneidenden Begrifflichkeiten wie dem öffentlichen Notstand, Unglücksfall, Größter Anzunehmender Unfall (GAU) und Störfall ergeben.

Katastrophen werden typisierend eingestuft in natürlich verursachte Katastrophen (Naturkatastrophen) und in menschlich verursachte Katastrophen (s. auch Art. 116 Abs. 1 AEUV, ferner Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG). Zu den Naturkatastrophen werden Katastrophen gezählt, welche durch Naturgewalten sowie durch Plagen und Seuchen entstehen. Die menschlich verursachten Katastrophen werden durch das aktive Tun oder das pflichtwidrige Unterlassen von Menschen verursacht. Menschlich verursachte Katastrophen sind etwa durch Menschen herbeigeführte Gebäudebrände, Anlagenunfälle, Verkehrsunfälle (auf der Straße, Schiene, in der Luft und zur See) sowie Zusammenbrüche von Gebäuden, Brücken und von kritischen Infrastrukturen (bspw. Stromunterbrechungen). Katastrophen durch sogenanntes technisches Versagen zählen regelmäßig ebenso hierzu. Von Menschen willentlich verursachte Katastrophen sind etwa Kriege, Genozide, Terrorismus und Attentate, sowie Cyber-Attacken. Oftmals ist eine trennscharfe Unterscheidung zwischen natürlichen und menschlich verursachten Umweltkatastrophen, z. B. Fukushima, nicht möglich. Durch ein Zusammenwirken natürlicher Vorgänge und menschlichen Verhaltens haben sich Mischformen herausgebildet. Zudem können natürliche und menschlich verursachte Katastrophen zu Folgekatastrophen wie massiven Fluchtbewegungen, Hunger und Obdachlosigkeit führen.

2. Entwicklung

Das Polizeirecht mit seiner Möglichkeit der Inanspruchnahme des Nichtstörers, das Brandschutz- und das Brandbekämpfungsrecht, das Deichrecht, das Rettungsdienstrecht sowie insb. auch die v. a. auf dem Land herrschende Kultur der Hilfsbereitschaft der Bevölkerung haben lange Zeit zur Abhilfe in Katastrophenfällen gereicht. Der moderne Rechtsstaat fordert jedoch eine gesetzliche Grundlage, insb. dann, wenn im Falle einer Katastrophe in die Rechtspositionen der Bürger eingegriffen oder Verwaltungsstrukturen essentiell modifiziert werden. Dies hat maßgeblich zur Ausbildung des Katastrophenrechts beigetragen.

Der Zivilschutz wurde v. a. im Zweiten Weltkrieg entwickelt (z. B. „Luftschutz“), als Kriegshandlungen sich systematisch auch gegen die Zivilbevölkerung richteten und somit deren Schutzbedürftigkeit im Krieg offenkundig wurde. Zu einer weiteren Verrechtlichung des K.es führte die fortschreitende Technologisierung der Industrie und das damit einhergehende steigende Risiko technisch-bedingter Katastrophen. Trotz seiner erheblichen Bedeutung spielt das Katastrophenrecht an den deutschen juristischen Fakultäten bisher praktisch keine Rolle (Ausnahme insb. Humboldt-Universität zu Berlin).

3. Aufbau des Katastrophenrechts

Als nicht menschlich gesteuerte und nicht beherrschbare Ereignisse sind Naturkatastrophen an sich dem Zugriff des Rechts entzogen, weil die Natur nicht Normadressatin sein kann. Das Recht des K.es kann nicht die Entstehung und den Ablauf von Naturkatastrophen regeln, sondern nur das Verhalten von Menschen vor, während und nach einer Naturkatastrophe. Der Eintritt und der Ablauf technischer und menschlich verursachter Katastrophen können hingegen bis zu einem gewissen Umfang Gegenstand rechtlicher Normierungen sein.

Im deutschen Recht wird zwischen dem „normalen“ Katastrophenrecht in Friedenszeiten und dem Zivilschutzrecht im Verteidigungsfall unterschieden.

Das Katastrophenrecht umfasst das Recht der Katastrophenprävention i. S. d. Katastrophenverhütung bzw. -vermeidung, die Katastrophenvorsorge i. S. d. Vorbereitung der Katastrophenbekämpfung, die Katastrophenbekämpfung selbst sowie die Katastrophennachsorge, welche nach Katastrophenende eintritt.

Im Katastrophenfall bleiben zwar alle Gesetze, insb. die sicherheitsrechtlichen Gesetze, in Kraft, büßen aber u. U. faktisch ihre Wirksamkeit teilweise ein. Das deutsche Recht kennt nicht den Grundsatz „Not kennt kein Gebot“, sondern bekennt sich vielmehr zu dem Prinzip: „Not kennt Gebot“. Dieser Einsicht entspringt der Regulierungsbedarf des K.es. Katastrophenrechtliche Regelungen finden sich auf Bundesebene im Verfassungsrecht (z. B. Art. 35 Abs. 2 und 3 GG), auf der Ebene der Parlamentsgesetze, aber auch auf der Ebene von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften. Wichtig sind auch die Regelungen auf Landes-, Unions-, sowie auf völkerrechtlicher Ebene.

Die Zuständigkeit im Katastrophenrecht ist in der BRD zwischen Bund und Ländern geteilt. Dabei geht es um die Verteilung der Bundes- und Landeskompetenzen in den Bereichen der Gesetzgebung, Verwaltung und Finanzierung. Der Bund hat die Gesetzgebungskompetenz nur für den Zivilschutz (Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG). Nach dem Prinzip des GG vollziehen die Länder zwar grundsätzlich die Bundesgesetze (Art. 83 GG). Im Bereich des Zivilschutzes führt der Bund jedoch die Gesetze zum verteidigungsbedingten Schutz der Bevölkerung in bundeseigener Verwaltung selbst aus oder lässt sie von den Ländern im Auftrag des Bundes ausführen (Art. 87b Abs. 2 GG).

Den Ländern hingegen steht grundsätzlich die Kompetenz zur Regelung des K.es in Friedenszeiten zu (Art. 30, 70 GG). Damit ist das Katastrophenrecht maßgeblich landesrechtlich geprägt. Von ihrer Gesetzgebungskompetenz im K. haben alle Bundesländer Gebrauch gemacht und landeseigene Gesetze zum K., sowie teilweise Brandschutzgesetze bzw. Feuerwehrgesetze und Rettungsdienstgesetze erlassen. Teilweise haben die Länder integrierte Regelungen getroffen, die den K., den Brandschutz und das Rettungsrecht in einem Gesetz zusammenführen. Die Länder (einschließlich der Gemeinden) vollziehen ihre Gesetze selbst.

Auf Bundesebene regelt das ZSKG den Zivilschutz und die Zusammenarbeit von Bund und Ländern im K. Aufgabe des Zivilschutzes ist es, durch nichtmilitärische Maßnahmen die Bevölkerung, ihre Wohnungen und Arbeitsstätten, lebens- oder verteidigungswichtige zivile Dienststellen, Betriebe, Einrichtungen und Anlagen sowie das Kulturgut vor Kriegseinwirkungen zu schützen und deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern (§ 1 Abs. 1 ZSKG). Das Bundesamt für Zivilschutz und Katastrophenhilfe in Bonn nimmt dabei übergreifende Verwaltungsaufgaben des Bundes wahr.

Auf Bundesebene gibt es neben dem ZSKG zahlreiche andere Gesetze zum K. (i. S. d. Katastrophenbekämpfung). Dazu zählen bspw. das THW-HelfRG, das InfSchG, das PTSG, das WHG, das WasSiG und das EVG. Rein quantitativ macht das Katastrophenvermeidungsrecht des Bundes den größten Teil aus. Vorschriften hierzu sind v. a. im Sicherheits-, Anlagenzulassungs- und Umweltrecht zu finden.

Auf Landesebene haben die Länder jeweils eigene Gesetze zum Katastrophenrecht (einschließlich Brandschutz- und Rettungsdienstgesetze) erlassen, in denen u. a. auch die administrativen Handlungsebenen der Länder im K. und die Befugnisse der Landes-K.-Behörden festgelegt wurden. Sie regeln die Maßnahmen der Katastrophenbekämpfung, der Katastrophenvorsorge und der Katastrophenabwehr. Zudem regulieren sie die Mitwirkung von privaten Hilfsorganisationen und freiwilligen Helfern im Katastrophenfall.

Das Katastrophenrecht wird geprägt und begrenzt durch verfassungsrechtliche Prinzipien, z. B. durch den Gesetzesvorbehalt und durch die Grundrechte. Im Katastrophenfall bedarf es einer effektiven und gleichermaßen rechtsstaatlichen und demokratischen Katastrophenbewältigung. Der Katastrophenfall als Ausnahmezustand gebietet gerade in dieser Situation die Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze. Bei der Einschränkung von Grundrechten zum Schutz der Bevölkerung ist insb. im Katastrophenfall das Übermaßverbot zu beachten.

4. Strukturmerkmale und Instrumente

Das Katastrophenrecht weist als verselbstständigter Teil des allgemeinen Sicherheitsrechts eigene Strukturmerkmale auf. Hierzu gehören Subsidiaritäts- und Koordinationsstrukturen, Informationsstrukturen und Präventionsstrukturen. Das Vorliegen einer Katastrophe begründet die behördliche Zuständigkeit der nächsthöheren Verwaltungsebene (Subsidiarität), wenn die an sich zuständige Verwaltung den K. im konkreten Fall nicht leisten kann. Ein Teil der Regelungen zum K. normiert die kooperative Zusammenarbeit verschiedener behördlicher Stellen und gesellschaftlicher, nicht behördlicher Akteure. Das Katastrophenrecht ist ferner durch seine informationsrechtliche Komponente geprägt: Die Regelungen zum K. enthalten u. a. Regelungen bzgl. einschlägiger Informationsbeziehungen des Staates zu anderen Hoheitsträgern im In- und Ausland, zu Hilfeträgern und zur Öffentlichkeit sowie gegenüber Betrieben und Individuen (Informationen, Warnungen und Empfehlungen). Vorschriften, die der Katastrophenvermeidung dienen, wirken präventiv (Katastrophenprävention). Demgegenüber dient die Katastrophenvorsorge v. a. der Vorbereitung auf den Einsatz im Katastrophenfall (insb. durch die Katastrophenübungen und durch die Bereitstellung von K.-Material).

Die Wirkstrukturen des Katastrophenrechts gelangen durch die gesetzlich verankerten Instrumente insb. des Verwaltungsrechts zur praktischen Anwendung. Die K.-Behörden der Länder bedienen sich feststellender Instrumente, aber v. a. vielgestaltiger Eingriffs- und Leistungsinstrumente. Die zuständige K.-Behörde stellt bspw. Eintritt und Ende des Katastrophenfalles fest. Zudem kann sie im Rahmen der verfassungsmäßigen Schranken in Grundrechte zum Zwecke des K.es eingreifen, indem sie bspw. die Einrichtung von Sperrgebieten erklärt. Gegen die zuständigen K.-Behörden können sich bei Vorliegen einer Katastrophe Leistungsansprüche des Bürgers ergeben, wie etwa Rechte auf Notversorgung oder Rettung. Diese Leistungen können insb. durch die Behörde durch Eigenvornahme, durch Verwaltungshelfer des Staates, durch finanzielle Hilfen, durch Kostentragung oder durch Entschädigungen erbracht werden. Zur Katastrophenvorsorge und später beim K. selbst sind die informationellen und planungsrechtlichen Instrumente wie die Erstellung von K.-Plänen bedeutend. In diesen Plänen sind insb. die Alarmierungsverfahren, die im Katastrophenfall zu treffenden Sofortmaßnahmen sowie die Einsatzkräfte und -mittel auszuweisen.

5. Europäischer Katastrophenschutz

Anders als im deutschen Katastrophenrecht verwendet das europäische Recht einen einheitlichen Katastrophenbegriff und unterscheidet nicht zwischen dem K. in Friedenszeiten und dem Zivilschutz in Kriegszeiten. Der K. auf europäischer Ebene bezieht sich auf alle Arten von Großschadensereignissen, wobei das europäische Recht zwischen Naturkatastrophen und vom Menschen verursachte Katastrophen differenziert. Durch den Lissabonner Vertrag wurde mit Art. 196 AEUV auf primärrechtlicher Ebene eine Zuständigkeit der EU im K. geschaffen, mit der die Union die mitgliedstaatlichen Maßnahmen im Bereich des K.es koordinieren, unterstützen und ergänzen soll. Art. 196 AEUV begründet jedoch keine originäre Unionszuständigkeit für den K. Daher werden nationale Regelungen durch europarechtliche Regelungen nicht ersetzt, sondern nur ergänzt.

Im Rahmen ihrer Zuständigkeit hat die EU das Unionsverfahren für den K. eingeführt. Dieses Verfahren erleichtert und unterstützt die Mobilisierung der Rettungsdienste bei der Soforthilfe für teilnehmende Länder, die von Katastrophen, wie etwa Waldbränden, betroffen oder bedroht sind. Teilnehmende Länder am EU-K.-Verfahren sind nicht nur die EU-Mitgliedstaaten, sondern auch Island, Liechtenstein, Norwegen, Montenegro, Mazedonien, Serbien und die Türkei. Das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen in Brüssel ist das zentrale Organ des K.es auf europäischer Ebene, da es für die Koordinierung der operativen K.-Maßnahmen im Rahmen des EU-K.-Verfahrens zuständig ist. Es ersetzt nunmehr das vorherige „Beobachtungs- und Informationszentrum“. Zudem wurden auf Ebene der EU ein Finanzierungsinstrument für den K. und ein Solidaritätsfonds für den Katastrophenfall eingeführt und Richtlinien geschaffen. Die „RL zu Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen“ (Seveso III-RL) ist zentral für das europäische Katastrophenrecht und enthält insb. Bestimmungen für die Verhütung schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen und für die Begrenzung der Unfallfolgen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Ziel der Seveso III-RL ist es, auf abgestimmte und wirksame Weise in der ganzen Union ein hohes Schutzniveau im Fall von schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen zu gewährleisten (Art. 1 Seveso III-RL).

6. Internationaler Katastrophenschutz

Um einen staatenübergreifenden und grenzüberschreitenden K. zu gewährleisten, hat sich ein internationales Geflecht völkerrechtlicher Verträge als wichtigster Teil eines internationalen Katastrophenrechts herausgebildet. Das Katastrophenrecht auf völkerrechtlicher Ebene wird in humanitäres Kriegsvölkerrecht und in sonstiges Völkerrecht zum K. unterteilt. Der Krieg als „Urkatastrophe“ hat zu einschlägigen multilateralen Rechtsakten des internationalen K.es in Kriegszeiten geführt, die sich seit 1977 auch auf innerstaatliche bewaffnete Konflikte erstrecken: die „Genfer (Rot-Kreuz) Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken der Streitkräfte im Felde“, die „Genfer (Rot-Kreuz) Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See“, die „Genfer (Rot-Kreuz) Konvention über die Behandlung der Kriegsgefangenen“ und die „Genfer (Rot-Kreuz) Konvention über den Schutz der Zivilpersonen in Kriegszeiten“ (Genfer Konventionen). Neben dem humanitären katastrophenbezogenen Kriegsvölkerrecht besteht partiell ein allgemeines humanitäres Katastrophenvölkerrecht, das bei nicht kriegsbedingten Katastrophen (Großunfälle, Terroranschläge, Hungerkatastrophen, Seuchen und Naturkatastrophen) zur Anwendung kommt. Auf multilateraler Ebene zählen hierzu das „Internationale Übereinkommen vom 25. Januar 1924 zur Errichtung eines Internationalen Tierseuchenamts in Paris“, das „Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe“ von 1973 und das „Internationale Übereinkommen über Maßnahmen auf Hoher See bei Ölverschmutzungs-Unfällen vom 29. November 1969“. Daneben wurden zahlreiche bilaterale Abkommen als Ausdruck der Nachbarschaftshilfe abgeschlossen. Diese sind Teil des sonstigen Völkerrechts zum K. Für Katastrophenflüchtlinge wie für Umweltflüchtlinge stehen adäquate völkerrechtliche Lösungen noch aus.

Nur langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass ein Staat, der bei der Bekämpfung bzw. Nachsorge von Katastrophen breitflächig versagt, leicht zu einem „failing state“ (Failed state) werden kann.

7. Hilfsorganisationen und freiwillige Helfer

Eine sinnvolle Miteinbeziehung der Bevölkerung und die Regulierung kooperativer Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft sind zentral für eine erfolgreiche Bewältigung von Katastrophen. Der K. ist eine durch den Staat nicht allein zu bewältigende Aufgabe. Die gesellschaftlichen Träger leisten im K. neben dem Staat einen unverzichtbaren Beitrag. Auf gesellschaftlicher Ebene werden im Katastrophenfall unterschiedliche Akteure tätig, und zwar private, aber auch öffentlich-rechtliche Organisationen. Zu den öffentlich-rechtlichen Organisationen gehören die Feuerwehr und das THW, zu den privaten karitativen Organisationen zählen insb. der ASB, die DLRG, das DRK, die JUH und der MHD. Das Landeskatastrophenrecht nennt neben den K.-Behörden auch private Organisationen als Aufgabenträger; einige Landesgesetze zum K. beinhalten daneben Dienstverpflichtungen gegenüber der Bevölkerung sowie teilweise Regelungen zur Stellung des individuellen freiwilligen Helfers im Katastrophenfall. Diese ehrenamtlichen Helfer (Freiwilligenarbeit) sind für den K. in Deutschland essentiell.

II. Politische, gesellschaftliche und pragmatische Aspekte

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1. Politische Aspekte

K. bezeichnet Maßnahmen, die in Friedenszeiten Gefahren für Leben, Gesundheit, Umwelt und Sachwerte vorbeugen und abwehren und damit die existenziellen Lebensgrundlagen der Bevölkerung als auch die Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge funktionsfähig erhalten und ggf. wieder ertüchtigen. K. in Deutschland ist stark geprägt durch die nach dem Zweiten Weltkrieg verfasste Sicherheitsarchitektur, die vor dem Hintergrund der damaligen sicherheitspolitischen Lage und der geopolitischen Situation im beginnenden Kalten Krieg konstruiert wurde und welche eine Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit – Krieg und Frieden – manifestiert sowie durch das Ressortprinzip und den Föderalismus bestimmt ist. Eine tragende Säule dieser Sicherheitsarchitektur ist das Notfall- und Hilfeleistungssystem der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Aufgabenteilungen zwischen Bund und Ländern sind für den K. grundsätzlich die Länder zuständig; der Bund hat gemäß Art. 73 Abs. 1 GG nur eine thematisch enge Zuständigkeit für den K. in militärischen Lagen, also für den Zivilschutz, der einen Unterfall der Verteidigung darstellt. Die Länder deligieren Aufgaben im K. in der Regel auf die kommunale Ebene. Die Landkreise und kreisfreien Städte (Gemeinde), sowie (sofern vorhanden) die Bezirksregierungen als mittlere K.-Behörden bzw. die Landesämter als obere K.-Behörden und die Innenministerien der Länder als oberste K.-Behörden bilden als Gesamtheit der K.-Behörden die K.-Verwaltung. Bei der aktiven Schadensbekämpfung und -abwehr stützen sich die Kommunen zunächst auf die Feuerwehren, die als Kräfte zur allgemeinen und täglichen Gefahrenabwehr in jeder Gemeinde vorgehalten werden müssen, sowie auf die Hilfsorganisationen, die im Wesentlichen für das Rettungs-, Sanitäts- und Betreuungswesen Verantwortung übernehmen. An erster Stelle stehen hier die Freiwilligen und Berufs-Feuerwehren, das DRK, der MHD, die JUH, der ASB und die DLRG. Darüber hinaus können in den Kommunen durch mit eigenen Kräften besetzte Regieeinheiten aufgestellt werden. Im Bereich der deutschen Hochseegewässer ist primär die DGzRS für Aufgaben der Seenotrettung zuständig. Im K. wirken alle an der Gefahrenabwehr beteiligten Behörden, Organisationen und Einrichtungen unter einheitlicher Führung durch die örtlich zuständige K.-Behörde zusammen. Der Bund, der im Verteidigungsfall für die Zivile Verteidigung einschließlich des Zivilschutzes zuständig ist, leistet im Falle einer Katastrophe auf Anforderung mit eigenen Einrichtungen und Kräften, bspw. des BBK, des THW, der Bundespolizei und der Bundeswehr sowie deren spezifischen Fähigkeiten und Mitteln im Zuge der Katastrophenhilfe Unterstützung (Subsidiaritätsprinzip; Subsidiarität) und kann auf Antrag eines Landes oder mehrerer Länder koordinierende Funktionen übernehmen. Zudem können die den Ländern zum Zwecke des Zivilschutzes überlassenen Mittel, die der Bund finanziert und für die er die Ausbildung übernimmt, auch im K. zum Einsatz gebracht werden (Doppelnutzen). Somit gibt es keine Parallel- und Doppelstrukturen. Die Länder nutzen die bundesseitigen Ergänzungen bei friedensmäßigen Katastrophen und Unglücksfällen. Der Bund stützt sich im Verteidigungsfall auf den K. der Länder. Ziel ist die optimierte Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Vorbereitung und Bewältigung von national bedeutsamen Gefahren- und Großschadenslagen.

Nach dem Ende des Ost-West-Konlikts, dem Zerfall der UdSSR und der Auflösung des Warschauer Paktes, wurden in der BRD wesentliche Vorkehrungen des Zivilschutzes nicht nur nicht weiter verfolgt, sondern z. T. auch aufgegeben. Parallel dazu wurden auch in den Ländern Maßnahmen des K.es abgebaut. Die Anschläge in den USA am 11.9.2001 sowie das Elbehochwasser 2002 offenbarten eine neue Dimension von Schadenszenarien, vor deren Hintergrund eine Revision des bisherigen K.es vorgenommen wurde. Zwischen Bund und Ländern wurde im Rahmen einer „Neuen Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ mit der Arbeit von „Modernem Krisenmanagement“ eine Reihe von neuen Kooperationsverfahren vereinbart, um großflächige Schadenslagen oder solche von nationaler Bedeutung bewältigen zu können. Die Verunsicherungen des internationalen politischen Systems durch bewaffnete Konflikte in Osteuropa und die Annexion der Krim durch Russland im März 2014 führten dazu, neben dem K. durch eine neue „Konzeption Zivile Verteidigung“ (KZV) die Fähigkeiten zum Schutz der Zivilbevölkerung vor Kriegsgefahren wieder zu ertüchtigen.

2. Gesellschaftliche Aspekte

K. ist auf der einen Seite Ausdruck der Verantwortung des Staates zum Schutz seiner Bürger. Anderseits lebt er vom freiwilligen und ehrenamtlichen Engagement (Freiwilligenarbeit). Damit folgt er der traditionellen Auffassung, dass der Staat vom Bürger getragen wird und erst dadurch seine ganze Kraft zum Wohl der Gemeinschaft entfalten kann. Diese Wechselwirkung zwischen staatlicher Schutzpflicht und Eigenverantwortung der Bürger findet auch ihren Ausdruck in den jeweiligen Landesgesetzen zum K., nach denen im Katastrophenfall grundsätzlich „Jedermann“ zur Hilfeleistung herangezogen werden kann. Darüber hinaus sollen Bürger zum Selbstschutz und zur Selbsthilfe in Not- und Katastrophenlagen motiviert werden. Neben der demographisch negativen Entwicklung hat allerdings die Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht und damit auch des zivilen Ersatzdiensts im K. Auswirkungen auf die personelle Stärke, Rekrutierungspotenzial, Einsatzbereitschaft und Durchhaltefähigkeit des K.es.

3. Pragmatische Aspekte

Zivil- und K. werden unter dem nicht legaldefiniertem Oberbegriff Bevölkerungsschutz zusammengefasst, der für die ressort- und ebenenübergreifende Zusammenarbeit steht und somit Ausfluss eines funktionalen Verständnisses (ratio legis) ist. Diese Bezeichnung folgt insb. der allgemeinen Erkenntnis aus den Anschlägen des 11.9.2001 in den USA, dass innere und äußere Sicherheit nicht mehr so einfach zu trennen sind und dennoch die Behörden und Organisationen auf den unterschiedlichen Ebenen des föderativen Systems der BRD im Sinne eines vernetzten Ansatzes zielorientiert zusammenwirken müssen. Daher bedarf es angesichts des qualitativ außerordentlichen Gefahrenpotenzials von Katastrophen einer umfassenden Verzahnung der öffentlichen Verwaltung und anderen (staatlichen) Sicherheitsakteuren. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um Natur-, Umwelt- – oder durch von Menschen – fahrlässig oder vorsätzlich verursachte Katastrophen, einen Terroranschlag (Terrorismus) mit katastrophischen Folgen oder kriegerische Ereignisse handelt. Dem Ansatz vernetzter Sicherheit kommt vor dem Hintergrund zunehmender Hybrider Bedrohungen eine wesentliche Bedeutung zu, da bspw. Angriffe im Cyberspace z. B. auf Kritische Infrastrukturen wegen der Schwierigkeit einer eindeutigen Zuordnung (Attributationsproblematik) und der damit verbundenen rechtlichen Qualifikation (Angriff i. S. d. Völkerrechts? Strafrechtlicher Tatbestand?) sowie der sich hieraus ergebenden entsprechenden Zuständigkeit (des Bundes zur Landesverteidigung oder der Länder zur polizeilichen Gefahrenabwehr), möglicherweise keine klare Kompetenz der Sicherheitsakteure mit den ihnen zugeordneten Befugnissen erkennen lassen (Ambiguitätsproblematik). Ein funktionierender K. ist gerade für hochzivilisierte Staaten, wie die BRD mit technologisch führenden Wirtschaftsunternehmen im globalen Wettbewerb ein wesentlicher Stabilitätsfaktor für Wirtschaft und Investitionen.