Ausländerrecht

1. Begriff und Systematik

Unter der Bezeichnung A. werden alle gesetzlichen Regelungen zusammengefasst, die sich auf die Einreise, den Aufenthalt, die Ausweisung und die Integration von Personen beziehen, die keine deutschen Staatsangehörigen sind. Angesichts des Abgrenzungsmerkmals Staatsangehörigkeit besteht eine enge Beziehung zum Staatsangehörigkeitsrecht. Das A. hat sich historisch aus dem auch völkerrechtlich geprägten Fremdenrecht entwickelt und war zudem lange Zeit durch den Aspekt der Gefahrenabwehr geprägt („Ausländerpolizeirecht“), der zwar nach wie vor für das Rechtsgebiet relevant ist, aber an Bedeutung verloren hat. Spätestens seit dem Zuwanderungsgesetz aus dem Jahr 2005 ist das deutsche A. ebenso wie das einschlägige Unionsrecht durch die Zielsetzung der Steuerung der Zuwanderung sowie die Vermeidung der illegalen Einreise geprägt. Hinzu kommt die Schutzgewährung für politisch Verfolgte und subsidiär Schutzberechtigte. Da die Unionsbürger einen freizügigkeitsrechtlichen Sonderstatus besitzen (Freizügigkeit), bestehen für sie abweichende gesetzliche Regelungen (das als EU-Freizügigkeitsgesetz bezeichnete deutsche Gesetz nach EU-Vorgaben).

Die mit der Unionsbürgerschaft verbundene statusrechtliche Differenzierung hat zur Folge, dass das A. in drei große Themenbereiche zu untergliedern ist:

– Das die Unionsbürger betreffende Freizügigkeitsrecht, das neben Einreise und Aufenthalt auch die grundsätzliche Gleichberechtigung in der gesamten staatlichen Rechtsordnung mit sich bringt. Die entsprechenden Regelungen finden sich im Freizügigkeitsgesetz der EU sowie besonderen Rechtsakten der EU.

– Die Regelungen zu Einreise und Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen, die sich im Aufenthaltsgesetz sowie ebenfalls in besonderen Rechtsakten der EU (u. a. Visakodex) finden.

– Die Regelungen zur Schutzgewährung für politisch Verfolgte (Asylbewerber, Flüchtlinge; Flucht und Vertreibung) und subsidiär Schutzberechtigte, die sich im Asylgesetz (Asyl), besonderen Rechtsakten der EU sowie in völkerrechtlichen Verträgen (Genfer Flüchtlingskonvention, EMRK) finden.

Die drei Materien sind grundsätzlich formal und inhaltlich eigenständig geregelt und nur an wenigen Stellen durch Verweisungen miteinander verknüpft.

2. Völkerrechtlicher Kontext

Das Völkerrecht weist die Entscheidung darüber, welchen Nichtstaatsangehörigen Zugang zum eigenen Staatsgebiet gewährt werden soll, der einzelstaatlichen Souveränität zu. Diese wird indes punktuell durch zwingende völkerrechtliche Rechtssätze (ius cogens) sowie durch Völkervertragsrecht begrenzt.

Da mit der Staatsangehörigkeit ein Aufenthaltsrecht im Heimatstaat verbunden ist, ergeben sich erste Beschränkungen für die einzelstaatliche Gesetzgebung aus dem völkerrechtlichen Grundsatz, dass kein Staat seine Staatsangehörigkeit willkürlich ausdehnen und Drittstaatsangehörigen mit dem eigenen Staatsangehörigkeitsrecht zugleich ein Aufenthaltsrecht verleihen darf, weil dadurch die Interessen des bisherigen Heimatstaates verletzt würden. Dies betrifft indes nur seltene Fälle einer aggressiven „Einbürgerungspolitik“ und ist für die deutsche Rechtspraxis ohne Bedeutung.

Das sogenannte völkerrechtliche Fremdenrecht normiert Mindeststandards, die die Einzelstaaten gegenüber Ausländern (Fremden) einhalten müssen, die sich in ihrem Staatsgebiet rechtmäßig aufhalten.

Große rechtliche und praktische Relevanz für das A. besitzen v. a. Menschenrechtspakte und vergleichbare völkerrechtliche Verträge, soweit diese die Vertragsstaaten verpflichten, bestimmten Personen Schutz zu gewähren (insbes. die Genfer Flüchtlingskonvention) oder Einreise und Aufenthalt zu ermöglichen bzw. zu erleichtern (u. a. Verzicht auf Visa). Zudem können die Staaten zur besonderen Rücksichtnahme in Bezug auf bestimmte Personengruppen im Zusammenhang mit der Anwendung des A.s verpflichtet sein (z. B. die UN-Kinderrechtskonvention).

Auf eine bes. Personengruppe bezieht sich schließlich das Abkommen über die Rechtsstellung von Staatenlosen vom 28.9.1954 (BGBL. II 1976, 473), das auf die Gleichstellung von Staatenlosen mit rechtmäßig aufhältigen Ausländern abzielt.

3. Unionsrechtliche Vorgaben

Das Recht der EU (Europarecht) prägt inzwischen weite Bereiche des A.s, wobei zwischen den materiellen primärrechtlichen Vorgaben, die sich v. a. auf Unionsbürger beziehen, und den Rechtsetzungskompetenzen für das Aufenthalts- und Asylrecht, die zum Erlass von zahlreichen Richtlinien und Verordnungen geführt haben, zu unterscheiden ist.

Primärrechtlich sind für Einreise und Aufenthalt von Unionsbürgern v. a. die in den personenbezogenen Grundfreiheiten enthaltenen Freizügigkeitsgarantien (Freizügigkeit) bedeutsam, die seit dem Vertrag von Maastricht durch ein allgemeines Freizügigkeitsrecht in Art. 21 AEUV ergänzt werden, über dessen Voraussetzungen (Sicherung des Lebensunterhalts) und Grenzen intensiv gestritten wird. Unter den zahlreichen sekundären Rechtsakten, die die EU zur Ausgestaltung der Unionsbürgerfreizügigkeit und für Drittstaatsangehörige auf der Grundlage des Art. 79 AEUV erlassen hat, sind insbes. die Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG) und der Visakodex (VO Nr. 810/2009) zu erwähnen.

4. Das deutsche Ausländerrecht

4.1 Verfassungsrecht

Während für das Asylrecht (Asyl) durch Art. 16a GG ein klarer verfassungsrechtlicher Rahmen vorgegeben wird, lassen sich für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen nur aus allgemeinen Regelungen verfassungsrechtliche Vorgaben ableiten. Bedeutsam ist in erster Linie Art. 6 GG (Ehe und Familie) für die gesetzliche Regelung des Ehegatten- und Familiennachzugs. Hinzu kommen die Vorgaben aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Persönlichkeitsrechte) des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, die zugleich aus Art. 8 EMRK ableitbar sind. Daraus werden insbes. rechtliche Begrenzungen bei Ausweisungsentscheidungen abgeleitet.

4.2 Aufenthaltsgesetz

Die gesetzgeberische Ausgestaltung des A.s wurde 2005 mit dem Zuwanderungsgesetz neu ausgerichtet und ist seither stärker an der gezielten Steuerung der Zuwanderung sowie der Integration ausgerichtet. Dabei kommt der Förderung der Zuwanderung von Fachkräften einerseits und der wirksamen Ausgestaltung der Ausweisung und Abschiebung von illegal aufhältigen Personen eine bes. Bedeutung zu.

Die Einreise von Drittstaatsangehörigen ist nur mit einem Aufenthaltstitel zulässig (§ 4 AufenthG), wobei für den Kurzaufenthalt Ausnahmen von der Visapflicht im Verhältnis zu einigen Staaten bestehen.

Abgesehen vom Visum (§ 6 AufenthG), das der Steuerung und Kontrolle der Einreise dient und durch die Botschaften und Konsulate (bei kurzfristigen Aufenthalten bis zu drei Monaten nach Maßgabe des EU-Visakodex) erteilt wird, werden die Aufenthaltstitel i. d. R. zunächst befristet (§ 7 AufenthG) und für einen bestimmten Zweck (§§ 16 bis 38a AufenthG) erteilt und können verlängert werden (§ 8 AufenthG). Nach einem längeren rechtmäßigen Aufenthalt können Daueraufenthaltstitel erteilt werden. Für die bes. begehrte Gruppen von Fachkräften sieht das Gesetz davon abweichend die Möglichkeit der direkten Erteilung eines unbefristeten Daueraufenthaltstitels vor (§§ 19, 19a AufenthG).

Durch das Zuwanderungsgesetz wurde der Steuerungsanspruch erweitert und auch die Integration von Zuwanderern geregelt. Neben der abstrakten Zielvorgabe („Fördern und Fordern der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Integration“) wurden auch die Instrumente (Integrationskurse, § 43 ff. AufenthG und Integrationsbeauftragte, §§ 92 ff. AufenthG) näher geregelt.

Der Rechtsrahmen für die Aufenthaltsbeendigung, insbes. die Ausweisung (§§ 53 ff. AufenthG) wurde 2015 grundlegend neu geregelt und den Vorgaben der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK angepasst. Bei der Ausweisung und der daran ggf. anschließenden Abschiebung einschließlich einer möglichen Anordnung von Abschiebungshaft (§§ 62 f. AufenthG) sind die Vorgaben der EU-Rückführungsrichtlinie zu beachten.

Bes. umstritten sind die Regelungen zur Duldung (§ 60a AufenthG) insbes. wenn es zu sogenannten Kettenduldungen kommt. Zur Beendigung der damit verbundenen Unsicherheiten der Aufenthalts- und Lebensperspektive der betroffenen Personen hat der Gesetzgeber mehrfach sogenannte Bleiberechtsregelungen erlassen (§§ 104a, b AufenthG) die inzwischen durch die Regelungen in § 25a und § 25b AufenthG ersetzt wurden.

4.3 Rechtspolitische Perspektive

Die weitere Entwicklung des A.s ist einerseits durch das Interesse an einer verstärkten Fachkräftezuwanderung und andererseits durch die Sicherstellung der Integration v. a. von Flüchtlingen sowie die Gewährleistung der inneren Sicherheit determiniert. Auch die grundlegende Neuordnung des rechtlichen Rahmens durch den Erlass eines Einwanderungsgesetzes und die Etablierung neuer Steuerungsinstrumente stehen zur Diskussion.