Integration

  1. I. Soziologie
  2. II. Wirtschaftswissenschaft
  3. III. Rechtswissenschaft

I. Soziologie

Abschnitt drucken

1. Integration – Bedeutung und Definition

I. bezeichnet zunächst ganz grundlegend einen Prozess der Eingliederung oder Einbindung eines Teils in ein größeres Ganzes, sodann aber auch das Ergebnis eines solchen Prozesses. Im Alltagsverständnis schwingt dabei fast immer eine normative Komponente mit. I. wird mit einem Zustand der Stabilität, des Gleichgewichts, der relativen Problemlosigkeit, vielleicht sogar der Harmonie assoziiert, sofern der Begriff nicht durch anderweitige Kennzeichnungen – etwa Zwangs-I. – eine kritische Wendung erfährt. Drei Perspektiven sind dabei von Bedeutung: erstens die individuelle Erfahrung der Gruppenzugehörigkeit, zweitens die Einbindung von Gruppen und Institutionen in die Funktionssysteme einer Gesellschaft, und drittens die Vermittlung bzw. Koordination der Leistungen von gesellschaftlichen Subsystemen. Es geht also bei I. um sozialen Zusammenhalt, um eine Art von Vergemeinschaftung, um die Kohäsion eines Gemeinwesens, um die Kohärenz einer sozialen Ordnung, um primordiale Interdependenzgeflechte und nicht zuletzt auch um einen Fundus an allgemein geteilten ethischen Normen und Werten. I. kann damit einerseits relativ statisch als Lösung des Ordnungsproblems moderner Gesellschaften betrachtet oder andererseits dynamisch als Prozess auf dem Weg zur Herstellung einer solchen Ordnung verstanden werden.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen lässt sich I. in modernen Gesellschaften als das – bestimmten Kriterien genügende – Zusammenspiel systemspezifischer Steuerungsmechanismen und Modi der Sozial-I. im Rahmen eines ineinander verschachtelten Gefüges von Gesellschaften verstehen, das von der lokalen Ebene bis hin zur Weltgesellschaft reicht. Sind Systeme unter dem Gesichtspunkt einer instrumentellen Rationalität primär leistungsbezogen, so ist die Sozial-I., basierend auf kulturellen Praktiken und Sozialisation, primär wertbezogen. Allgemeiner Bezugspunkt systemischer I. ist eine ökonomische und politisch-rechtliche Ordnung, die gesellschaftlich definierten Rationalitätsgesichtspunkten genügt; allgemeiner Bezugspunkt der Sozial-I. ist eine sozio-kulturelle Ordnung, zu deren grundlegenden Werten sich Individuen und Gruppen bekennen und sich damit emphatisch einer darauf gegründeten imaginierten Gemeinschaft zurechnen. In dem Maße wie die systemische Rationalität und die sozio-kulturelle Ordnung als komplementär und sich gegenseitig bedingend gedacht werden, kann eine Gesellschaft als integriert gelten. I.s-Prozesse bestehen letztlich aus sich wechselseitig beeinflussenden Abläufen, die nur in komplexen Mehrebenen- und Multifaktorenanalysen hinreichend erfasst werden können.

2. Funktionale Aspekte der Integration

Moderne Gesellschaften mit ihrem extrem hohen I.s-Bedarf haben vielfältige, plurale I.s-Mechanismen ausgebildet. Dazu zählen auf der einen Seite rechtlich-institutionelle Vorkehrungen wie die Garantie bestimmter Grundrechte, die demokratisch legitimierte und zeitlich begrenzte Einsetzung von politischen Entscheidungsträgern, ein ausdifferenziertes System zur Austragung und Beilegung von Konflikten (Soziale Konflikte), staatliches Gewaltmonopol, Minderheitenschutz (Minderheiten), aber auch die Praxis öffentlicher Diskurse über strittige gesellschaftspolitische Fragen. Diese Vorkehrungen ermöglichen es, konkurrierende Interessen und Normkonflikte auf nicht destruktive Weise auszutragen, zumindest deren Koexistenz zu gewährleisten. Auf der anderen Seite finden sich, wie schon in vormodernen Zeiten, Bekräftigungen gesellschaftlicher Einheit durch Symbole, Gründungsmythen (Mythos), kulturelle Stereotypisierungen und dgl. mehr.

In theoretischer Perspektive lassen sich im Hinblick auf die Funktionsmuster von I. vier wesentliche Begründungsstränge unterscheiden:

a) Wertbezogene Theorien sehen in einer gemeinsam geteilten Wertebasis das zentrale I.s-Mittel. Elemente dieser Theorien finden sich bereits in der schottischen Moralphilosophie (z. B. Adam Smiths moral sentiments), in Émile Durkheims Differenzierung zwischen mechanischer und organischer Solidarität, bei den amerikanischen Pragmatisten (z. B. John Dewey, George Herbert Mead, Pragmatismus) und den Kommunitaristen (z. B. Amitai Etzioni, Charles Taylor; Kommunitarismus).

b) Vertragstheorien betonen dagegen den allseitigen Nutzen eines friedlichen und geordneten Zusammenlebens auf der Basis eines fiktiven Gesellschaftsvertrags. Hier bilden Vernunft und Recht die Grundlagen für die Möglichkeit sozialer I. Entsprechende Überlegungen nehmen ihren Ausgangspunkt schon bei Thomas Hobbes und reichen bis zu modernen Rational Choice-Theoretikern (Rational Choice Theory) und – wenngleich ohne explizite Betonung der Kategorie des Vertrags – zu Jürgen Habermas.

c) Strukturfunktionalistische und funktionalistische Systemtheorien sehen den integrierenden Modus für die Gesellschaft in spezifischen Vermittlungsmechanismen und wechselseitigen Abhängigkeiten innerhalb und zwischen funktional ausdifferenzierten Teilsystemen. Hier reicht eine Linie von Herbert Spencer über Talcott Parsons und Niklas Luhmann bis hin zu Richard Münch. Märkte, Bürokratien und Assoziationen sind etwa bei T. Parsons grundlegende integrierende Mechanismen für je spezifische Teilsysteme der Gesellschaft, für den sozialen Zusammenhalt ist bei ihm zudem ein gemeinsam geteilter Wertekatalog unerlässlich.

d) Konflikt- und Anerkennungstheorien (Anerkennung) gehen von prinzipiellen Spannungen und Ungleichheiten in Gesellschaften aus, sehen aber in der produktiven Be- und Verarbeitung von Konflikten bzw. der Anerkennung von Differenz die entscheidende Möglichkeit zu sozialer I. Ansätze dazu finden sich schon frühzeitig bei Karl Marx, später dann bei Lewis Coser und Ralf Dahrendorf, und schließlich bei den anerkennungstheoretischen Schriften von Helmut Dubiel und Axel Honneth.

3. Herausforderungen für Integration: Krisendiagnosen

Wenn auch moderne Gesellschaften einerseits über beträchtliche I.s-Potenziale verfügen und Lebens-, Partizipations- und Zugehörigkeitschancen bieten, so ist doch andererseits die zunehmende Krisenanfälligkeit integrativer Vergesellschaftungsmuster infolge von Strukturkrisen, Regulierungskrisen und Kohäsionskrisen kaum zu übersehen. Herausforderungen für I. lassen sich über die folgenden zeitgenössischen Krisendiagnosen (Krise) analysieren:

Die Desintegrationstheorie zielt auf Zustands- oder Prozessbeschreibungen, die mit I. überwunden oder vermieden werden können oder Erosionsprozesse von I. andeuten sollen. Dazu zählen etwa die Auflösung bzw. das Schwächerwerden von sozialen Bindungen, gesellschaftliche Desorganisation und Unordnung bis hin zur Anomie, gesellschaftliche Zerfallsprozesse und soziale Fragmentierung, und damit zusammenhängend Erscheinungen wie Entsolidarisierung, Partikularismus, negative I., Exklusion, etc. Auf der Grundlage von Ungerechtigkeit, Erniedrigung, Missachtung oder Deprivation führen Desintegrationsprozesse schließlich zu Phänomenen wie Sinnverlust, Orientierungslosigkeit, Identitätsstörungen, Entfremdung und Indifferenz gegenüber Mitmenschen. Verantwortlich dafür sind letztlich rasche Modernisierungs- und Individualisierungsprozesse, welche die ökonomische, politische und kulturelle I. sukzessive gefährden und zu dramatischen Defiziten hinsichtlich der Vergemeinschaftungsaspekte (kulturell-expressive Formen der Sozial-I.), der Vergesellschaftungsaspekte (kommunikativ-interaktive Formen der Sozial-I.) und der funktionalen System-I. (sozialstrukturelle Ebene) führen – mit der Folge von Gewalt und Extremismus.

I.s-Herausforderungen ergeben sich auch durch demographische Prozesse bzw. Konflikte. Der demographische Wandel als Zusammenspiel von Geburtenraten, Mortalitätsraten und Wanderungsbewegungen gilt in mehrfacher Hinsicht als Problem für gesellschaftliche I. In schrumpfenden Gesellschaften wie der BRD stellt er aufgrund seiner negativen Auswirkungen für das ausdifferenzierte System des Wohlfahrtsstaates und der erreichten sozialen Demokratie nicht nur klassische I.s-Versprechen in Frage, sondern führt auch zu Wohlstandskonflikten und harten politischen Konfrontationen über Legitimationsfragen (Legitimation). In vielen rasch wachsenden Gesellschaften der sogenannten Dritten Welt sorgt der demographische Wandel hingegen für eine beträchtliche Überforderung, weil die Massen an jungen Menschen nicht so rasch in die ökonomischen, politischen und soziokulturellen Funktionssysteme der Gesellschaft integriert werden können, so dass sich in der Folge Deprivations- und Ausgrenzungserfahrungen, gewaltsame Konflikte und Fluchtbewegungen (Flucht und Vertreibung) einstellen. Schließlich stellen freiwillige oder erzwungene Migrationsbewegungen (Migration), wie etwa Flucht oder Einwanderung, die betroffenen Gesellschaften vor große I.s-Erfordernisse. Hier geht es um einen adäquaten Umgang mit den „Fremden“, um ihre Rechte und Pflichten sowie die daraus erwachsenden Herausforderungen für eine nationale Identität. Die sich aus den transnationalen Migrationsströmen ergebenden neuen ethnischen und religiösen Reibungsflächen beschwören vielgestaltige Kulturkonflikte, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus herauf und unterminieren traditionelle Muster sowohl der Sozial- wie auch der System-I.

Eine dritte große Herausforderung für die I.s-Fähigkeit moderner Gesellschaften ergibt sich schließlich aus der Globalisierung und den sie begleitenden neuen Ungleichheitsmustern. Mit den rasanten Globalisierungsprozessen der letzten Jahrzehnte und dem Übergang zu einer in den Konturen noch vagen Weltgesellschaft werden die Kohäsionskräfte des Nationalstaates geschwächt, ohne dass sich bislang auf transnationaler Ebene vergleichbare kompensatorische I.s-Mechanismen abzeichnen. Der Verlust an durchsetzungsfähigen und legitimen Staatsstrukturen geht also mit einer institutionellen Unterentwicklung des internationalen Systems einher. Dieser Prozess gewinnt noch dadurch an Dramatik, dass die rasanten Modernisierungsprozesse der letzten 30 Jahre zu einer beträchtlichen Renaissance marktliberaler Prinzipien nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Gesellschaft geführt haben. Die umfassenden Liberalisierungs-, Flexibilisierungs- und Deregulierungspolitiken haben soziale Ungleichheiten und Krisenprozesse beträchtlich verschärft, so dass die Gegensätze zwischen Arm und Reich größer geworden sind und in der Folgezeit Konkurrenz- und Verteilungskämpfe im nationalen wie internationalen Rahmen deutlich zugenommen haben. Erwerbslosigkeit und Prekarität, aber auch andere Aspekte einer regressiven Modernisierung, haben die I.s-Frage wieder höchst aktuell werden lassen.

4. Resümee

Resümierend bleibt festzuhalten, dass gelungene I. in ihren unterschiedlichen Dimensionen für moderne Gesellschaften voraussetzungsreich ist, in ihrer Bedeutung jedoch nicht unterschätzt werden sollte. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass I. ein graduelles Konzept ist, das immer nur mehr oder weniger realisiert ist. Art und Ausmaß ihrer Verwirklichung wandeln sich historisch. Selbst lange Phasen vermeintlicher gesellschaftlicher Stabilität sind letzten Endes keine Garantie gegen mögliche Krisenprozesse oder Desintegrationstendenzen. Auch wenn gegenwärtig die äußere Stabilität der Gesellschaft nicht in Frage steht, weil offene Desintegrationsprozesse bislang ausgeblieben sind, so steht doch die innere Qualität der demokratischen Gesellschaft angesichts beträchtlicher Normverletzungen, der Rechtfertigung von Ungleichheitsideologien, der Abwertung solidarischer Orientierungen, einer Vielzahl fremdenfeindlicher Einstellungen und diskriminierender Verhaltensweisen (Diskriminierung), interethnischer Konflikte und Feindseligkeiten sowie der Bedrohung durch Gewalt gegenwärtig auf dem Prüfstand.

II. Wirtschaftswissenschaft

Abschnitt drucken

Beim Begriff der I. ist zu unterscheiden zwischen politischer, sozialer und wirtschaftlicher I. Die wirtschaftliche I. bezieht sich auf die Beseitigung von Handelshemmnissen und die Verbesserung der Effizienz in den internationalen Austauschbeziehungen. Die wirtschaftliche I. ist eng mit der Entstehung und der Wirkung von internationalen Organisationen verbunden – etwa der WTO. Das erfolgreichste Anwendungsbeispiel ist die Europäische I. mit derzeit 28 Staaten in einem gemeinsamen Markt.

1. Globale versus regionale Wirtschaftsintegration

Nach dem Zweiten Weltkrieg, der Stunde Null wirtschaftlicher I., begann die globale Wirtschafts-I. 1947 in Genf mit der Gründung des GATT, das die Senkung der tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnisse zum Ziel hatte. Kernpunkte des GATT waren die Meistbegünstigungs- und die Nicht-Diskriminierungs-Klausel. Dem Grundsatz nach besagen diese, dass ein Land, welches einem Handelspartner eine Vergünstigung einräumt, diese grundsätzlich auch allen anderen Handelspartnern einräumen muss. Aus dem erfolgreichen GATT entwickelte sich später die WTO, die 1995 begründet wurde.

Parallel zur globalen haben sich zahlreiche regionale Projekte zur Vertiefung der regionalen I. gegründet – etwa die EU oder die NAFTA. Dies erscheint zunächst als Widerspruch zu den Prinzipien der Nicht-Diskriminierung der WTO, denn eine regionale I. ist ein klassisches Clubgut i. S. v. James McGill Buchanan mit Ausschlußeffekten für Nicht-Mitglieder. Die Rechtfertigung hierfür ist pragmatischer Natur: Regionale I.en werden quasi als Zwischenschritt auf dem Weg zu einer weltweiten Beseitigung von Handelshemmnissen und Zöllen gesehen und gelten deshalb als WTO-konform.

2. Wirtschaftliche Integrationsstufen

Wirtschaftliche I. verläuft nach bestimmten Mustern. Die I.s-Schritte wären erstens eine Freihandelszone, zweitens eine partielle oder vollständige Zollunion, drittens ein gemeinsamer Markt, viertens eine koordinierte Wirtschaftspolitik und fünftens eine Währungsunion, die gleichsam als Krönung ober Abschluss einer wirtschaftlichen I. angesehen werden kann.

Die einfachste Form der Wirtschafts-I. ist die Gründung einer Freihandelszone. Zwei Länder oder I.s-Räume beschließen, im gegenseitigen Handel keine Zölle mehr zu erheben und Handelshemmnisse zu beseitigen. Üblicherweise werden durch eine Freihandelszone sogenannte handelsschaffende Effekte ausgelöst. Allerdings können auch Drittstaaten durch sogenannte handelsumlenkende Effekte negativ betroffen sein. Die Gesamteffizienz der Freihandelszone hängt davon ab, ob die handelsschaffenden die handelsumlenkenden Effekte überwiegen. Grundsätzlich ist die Freihandelszone eine vergleichsweise kostengünstige I.s-Form und empfehlenswert. In der Realität können gleichwohl schwierige institutionelle und rechtliche Fragen entstehen, wie die kontroversen Diskussionen um die Schiedsgerichte in der geplanten europäisch-amerikanischen Freihandelszone (TTIP) dokumentieren.

Aufbauend auf der Freihandelszone wäre der nächste I.s-Schritt eine Zollunion, bei der sich die Freihandelspartner auf ein gemeinsames Zollniveau gegenüber Drittstaaten einigen. Dies kann für alle Güter und Leistungen gelten (vollständige Zollunion) oder aber nur für bestimmte Sektoren und Produkte (partielle Zollunion). Je umfassender die Zollunion geplant ist, desto umfangreicher sind die institutionellen Fragestellungen, die hiermit verbunden sind.

Bei einer vollständigen Zollunion ist das Handelsoptimum zwischen zwei Ländern erreicht. Gleichwohl sind die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital immer noch national verankert. Dies ändert sich erst im gemeinsamen Markt, wenn auch für die Produktionsfaktoren vollständige Freizügigkeit gilt und die Gesamtallokation der Produktionsfaktoren optimiert wird. So gelten etwa in der EU die vier Grundfreiheiten, nämlich der freie Güter-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr. Grundlegend ist hier die Zusammengehörigkeit der vier Freizügigkeiten.

Als nächster regionaler I.s-Schritt ist die Wirtschaftsunion zu nennen. In dieser I.s-Stufe geht es um die Harmonisierung von Ordnungsbedingungen, um die Bedingungen für grenzüberschreitenden Handel für Menschen und Unternehmen zu vereinfachen. Allerdings kann eine übertriebene Harmonisierung zu einer Beschränkung des Wettbewerbs und des Innovationspotentials werden. Das Spannungsfeld zwischen Wettbewerb und Harmonisierung ist durch kluge Ordnungspolitik auszugleichen.

Die am weitesten fortgeschrittene I.s-Stufe ist die Währungsunion. Deren Funktionsfähigkeit ist an Vorbedingungen geknüpft, wie sie etwa im Falle der EU in den Stabilitätskriterien von Maastricht festgeschrieben sind. Die Währungsunion ist das Währungssystem, das am besten zu einem Binnenmarkt (Europäischer Binnenmarkt) passt. Den Vorteilen einer Währungsunion – etwa den gesunkenen Transaktionskosten und den stabilisierten Erwartungen – stehen allerdings auch Kosten gegenüber. Ländern in einer akuten Wirtschaftskrise steht das Abwertungsinstrument der Wechselkurse nicht mehr zur Verfügung. In diesen Ländern konzentriert sich die Anpassungslast primär auf die Fiskal- und Sozialpolitik.

3. Optimale Integrationsräume

Die Frage, welche I.s-Form für welches Land empfehlenswert ist, kann nicht generell beantwortet werden, sondern bedarf einer Einzelfallentscheidung. Die wirtschaftliche I. ist dann bes. erfolgversprechend, wenn die institutionellen Voraussetzungen (Rechtssystem, Sprache, Kultur) in den teilnehmenden Ländern relativ harmonisch sind. Aus diesem Blickwinkel können bspw. die Gründungsstaaten der EU als relativ guter I.s-Raum angesehen werden. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, können andere wirtschaftliche Kooperationsformen gewählt werden.

III. Rechtswissenschaft

Abschnitt drucken

1. Allgemeines

Aus rechtswissenschaftlicher Perspektive findet der Begriff der I. kategorial unterschiedliche Verwendung. So ist I. auf der einen Seite Thema wissenschaftlicher Theorie, genauer: Sujet der Verfassungstheorie (I.s-Lehre), auf der anderen Seite Gegenstand des positiven Rechts. Dessen Normen erfassen die I. in ganz unterschiedlichen Bezügen – von der I. behinderter Menschen als Anliegen des SGB IX (Behinderung) bis zur europäischen I. als Ziel des EUV (EU). Im Vordergrund rechtlicher Regelungen steht indes die innere I.

2. Innere Integration als Gegenstand des positiven Rechts

2.1 Begriff und Bedeutung

Ausgehend von ihrem allgemeinen Verständnis, in dem I. sowohl den Prozess als auch das Resultat der Einfügung eines Teils in ein größeres Ganzes umschreibt, bezeichnet innere I. die Eingliederung des Einzelnen in Gesellschaft und staatliche Rechtsgemeinschaft. Im freiheitlichen Verfassungsstaat erfolgt sie unter der Bedingung individueller Freiheit. Angesichts dessen ist sie hier in Umfang wie Tiefe von vornherein beschränkt. Sie verlangt und strebt nicht nach einem Aufgehen des Individuums in einem gesellschaftlichen oder staatlichen Verbund, sondern lediglich nach jenem Maß an Eingliederung, das sowohl für das beständige Gelingen des gesellschaftlichen Zusammenlebens als auch für das dauerhafte Gelingen einer freiheitlichen Verfassungsstaatlichkeit unerlässlich ist. Mit dieser Maßgabe richtet sich die I. im Innern auf der einen Seite auf die bewusste Bejahung der Zugehörigkeit zu einer von Geschichte, Kultur und einem Minimum gemeinsamer Werte geprägten Gesellschaft, auf der anderen Seite auf die aktive Annahme der grundgesetzlichen Verfassungsordnung, näherhin auf die Affirmation des Verfassungskonsenses, die Verwirklichung von Rechtstreue sowie die Entfaltung von Freiheitsbereitschaft und Freiheitsfähigkeit. Die Bedeutung des Gelingens innerer I. wächst mit der zunehmenden Pluralität einer Gesellschaft.

2.2 Kondominiale Aufgabe von Gesellschaft und Staat

Im freiheitlichen Verfassungsstaat ist innere I. vorrangig ein Prozess gesellschaftlicher Selbstregulierung, insofern primär Aufgabe der Gesellschaft. Demgemäß ist der Einzelne – mit und ohne Migrationshintergrund – in grundrechtlicher Freiheit dazu berufen, sich in Gesellschaft und Staat einzugliedern und seinen Beitrag zum Gelingen der I. zu leisten. Ergänzend eröffnet sich indes hier auch dem freiheitlichen Verfassungsstaat ein Betätigungsfeld, dies umso mehr, als er mit der Förderung der I. zugleich die Bedingungen seiner eigenen Wirkmacht und seines dauerhaften Bestandes pflegt. Daher ist innere I. auch Staatsaufgabe. Insgesamt betrachtet, stellt sie vor diesem Hintergrund eine kondominiale Aufgabe von Gesellschaft und Staat dar. Eine gleichartige Aufgabe bildet sie für Gesellschaft und Staat jedoch nicht, da die gesellschaftlichen I.s-Leistungen in individualrechtlicher Freiheit, die staatlichen Unterstützungsleistungen indes in verfassungsrechtlicher Bindung erbracht werden.

2.3 Rechtliche Grundlagen staatlicher Integrationsförderung

Das GG enthält zwar keine ausdrückliche Regelung der inneren I., wohl aber ein implizites Staatsziel, das die verfassungsrechtliche Grundlage der staatlichen Pflicht zur I.s-Förderung bildet: das Staatsziel der Vitalität und Dauerhaftigkeit der freiheitlichen Verfassungsordnung. In dessen Zentrum steht das Gelingen der I. im Innern. Die hieraus resultierende Verpflichtung des Staates äußert sich einerseits in einem Verbot staatlicher I.s-Behinderung, andererseits in einem Gebot staatlicher I.s-Unterstützung. Auch wenn sie alle drei Staatsgewalten erfasst, ist ihr primärer Adressat der einfache Gesetzgeber. Dieser macht von seiner Regelungsbefugnis unter dem Eindruck zunehmender Zuwanderung in jüngerer Zeit verstärkt Gebrauch. In der Konsequenz föderaler Kompetenzaufteilung (Föderalismus) finden sich integrationsgesetzliche Bestimmungen heute sowohl auf Bundes- wie auch auf Landesebene. Auf der Ebene des Bundes bestehen seit 2005 aufenthaltsgesetzliche Regelungen, die seit ihrer Modifikation 2007 dem Grundsatz des „Förderns und Forderns“ folgen. Sie sehen vor, die I. von rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben u. a. durch staatliche I.s-Kurse zu unterstützen, in denen Sprachkenntnisse sowie Wissen über die Rechtsordnung, Kultur und Geschichte Deutschlands vermittelt werden (§§ 43 ff. AufenthG, IntkursV). Die bundesrechtlichen Maßgaben werden ergänzt durch integrationsgesetzliche Regelungen auf Landesebene. Diese lassen z. T. deutlich voneinander abweichende Akzentuierungen der I.s-Konzepte erkennen. So legt das PartIntG BW aus dem Jahre 2015 seinen Schwerpunkt auf eine „gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens“ (§ 2 PartIntG BW), während es Ziel des BayIntG von 2016 ist, Migranten „das Leben in dem ihnen zunächst fremden und unbekannten Land zu erleichtern (I.s-Förderung), sie aber zugleich auf die im Rahmen ihres Gast- und Aufenthaltsstatus unabdingbare Achtung der Leitkultur zu verpflichten und dazu eigene Integrationsanstrengungen abzuverlangen (Integrationspflicht)“ (Art. 1 S. 2 BayIntG).

2.4 Instrumente staatlicher Integrationsförderung

Obgleich der Staat das Gelingen des I.s-Prozesses nicht zu gewährleisten vermag und die Steuerungskraft seines Rechts beschränkt ist, stehen ihm vielfältige Instrumente zur unmittelbaren wie auch zur mittelbaren Einflussnahme auf den Vorgang der I. zur Verfügung. Die unmittelbare Einflussnahme erfolgt durch präventiv-freiheitsschonende Einwirkung und äußert sich primär durch Information und Werbung, insb. in der öffentlichen Schule und in I.s-Programmen, subsidiär durch reaktiv-repressives Tätigwerden, namentlich im Rahmen der wehrhaften Demokratie. Auch dort, wo seine unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten enden, bleibt dem Staat ein mittelbares Einwirken auf die innere I. durch materielle Unterstützung eines integrationsfreundlichen Freiheitsgebrauchs des Einzelnen, mithin durch leistungsstaatliche Förderung jener gesellschaftlichen Kräfte, die zum Gelingen der I. beitragen. Weil der Staat im Lichte seiner Pflicht zur I.s-Förderung nur ihnen seine Unterstützung gewähren darf, folgt daraus im Einzelfall die Notwendigkeit leistungsstaatlicher Differenzierung.