Autarkie
1. Begriff
Autark sein bedeutet wirtschaftlich unabhängig, sich selbst versorgend, auf niemanden angewiesen sein. Dieses Wort ist dem Griechischen autos (selbst) sowie arkein (ausreichen oder genügen) entlehnt. Angewandt wird dieser Begriff vorwiegend auf Staaten (Staat), aber auch auf einzelne Unternehmen, Familien und Einzelpersonen. Neuerdings wird auch im Zusammenhang mit dem Energieverbrauch von A. gesprochen. In diesem Sinne ist ein Haus autark, wenn es durch Sonnenenergie sowie Isolierung weitgehend seinen Energiebedarf so reduziert hat, dass in normalen Zeiten keine externen Energiequellen bezogen werden müssen.
In volkswirtschaftlicher Hinsicht kann sich A. auf das gesamte Inlandsprodukt, oder auf einzelne lebenswichtige Güterarten (Güter) wie Energiequellen, Rohstoffquellen, früher auch Goldvorräte als Tauschmittel beziehen.
2. Autarkie in der Wirtschaftstheorie
Die Idee einer Volkswirtschaft, die keines Außenhandels bedarf, taucht in der Wirtschaftstheorie an zwei Stellen auf. Auf der einen Seite wird zu Modellierungszwecken häufig von einer geschlossenen – und damit autarken – Volkswirtschaft ausgegangen. Hierbei wird von allen außenwirtschaftlichen Beziehungen abgesehen. Insb. wird sowohl vom Import wie auch vom Export von Waren und Dienstleistungen abstrahiert, es sind keine Freizügigkeit und kein Kapitalverkehr über die Grenzen (Grenze) hinaus vorgesehen. Diese Art der Modellierung dient allerdings weder zur Rechtfertigung von A. noch wird hiermit die These verbunden, A. sei eine wichtige Erscheinungsform von Volkswirtschaften. In einem zweiten Schritt werden dann diese wirklichkeitsfremden Annahmen aufgehoben, um die Bedeutung der außenwirtschaftlichen Beziehungen besser zu erkennen.
Autarke Systeme werden zweitens im Rahmen der Theorie optimaler Wirtschaftsräume analysiert. Nach Andreas Predöhl entsteht Außenhandel dadurch, dass Staatsgrenzen die natürlichen Wirtschaftsräume durchschneiden. Ein natürlicher Wirtschaftsraum wird dadurch bestimmt, dass Unternehmungen sich im Raum ausdehnen, bis die Transportkosten so hoch werden, dass sie nicht mehr mit ihren Konkurrenten mithalten können. Wenn jedoch diese Räume durch Staatsgrenzen durchschnitten werden, entsteht ein Bedarf an Außenhandel. Umgekehrt gilt, dass Wirtschaftsräume, die nicht durch Staatsgrenzen durchschnitten werden, keines Außenhandels bedürfen und in diesem Sinne autark sind. Wenn die Staatsgrenzen den Grenzen natürlicher Wirtschaftsräume entsprechen würden, würde eine optimale Allokation erreicht.
3. Ziele
Die Forderung nach A. wird zumeist damit begründet, dass auf diese Weise Abhängigkeit eines Staates von anderen vermieden wird. Verfüge z. B. ein Staat nicht über die lebensnotwendigen Rohstoffe, so könne er von ausländischen Staaten erpresst werden und die eigene Volkswirtschaft gerate in Abhängigkeit von Staaten, welche über diese Rohstoffe verfügen.
Das Ziel einer weitgehenden A. ist v. a. in Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen (Krieg) oder schwerwiegenden diplomatischen Verstimmungen von Bedeutung. Auf der einen Seite besteht hier die Gefahr, dass ein Staat nicht über die Rüstungsgüter verfügt, die er zur Verteidigung gegenüber feindlichen Mächten benötigt. Auf der anderen Seite wird eine Nation auch dadurch bedroht, dass der Bevölkerung nicht genügend Nahrungsmittel zum Überleben verbleiben. Es ist deshalb ein Mittel der Kriegsführung, Gegner von den Rohstoffbasen abzuschneiden. Umgekehrt bemühen sich die Staaten darum, sich möglichst mit solchen Staaten zu verbünden, welche ihnen die notwendigen Rohstoffe liefern können.
4. Verwirklichung
Es gibt verschiedene Wege, A. zu erlangen. Auf der einen Seite kann ein Staat bestrebt sein, sich soweit auszudehnen, dass alle benötigten Rohstoffe im eigenen Land produziert werden können. Die Politik der Kolonialisierung (Kolonialismus) der wichtigsten Großmächte wie Großbritannien, Frankreich, aber auch Portugal, Spanien und die Niederlande im 18. und 19. Jh. war ein beliebtes Mittel, notwendige Rohstoffbasen zu besetzen.
Wenn es nicht möglich ist, durch Ausweitung des eigenen Territoriums A. zu erreichen, kann sich ein Staat darum bemühen, den Bedarf der Bevölkerung von jenen Gütern abzulenken, welche Inputs benötigen, über welche der eigene Staat nicht verfügt. Statt Bohnenkaffee wird die Bevölkerung z. B. aufgefordert, Kaffee aus selbst gesuchten Eicheln herzustellen, statt aus Oliven gepresstes Speiseöl wird Öl aus Bucheckern gewonnen, etc.
Zum Teil lassen sich Rohstoffe wie z. B. Gummi auch durch technisch erzeugte Ersatzstoffe wie z. B. Synthesekautschuk ersetzen. Da Außenhandel i. d. R. nicht vollkommen unterbunden werden kann, bemühten sich Staaten im Rahmen des Merkantilismus durch Importbeschränkungen eine aktive Leistungsbilanz zu erzielen und den Export von Rohstoffen mit Zöllen zu belasten (Außenwirtschaftspolitik). Auch im 21. Jh. sind solche Bemühungen zur Erreichung von partieller A. – v. a. durch nicht-tarifäre Handelshemmnisse – nach wie vor verbreitet.
5. Kosten
Die Verwirklichung der A. ist zumeist mit sehr hohen gesamtwirtschaftlichen Kosten verbunden. Auf der einen Seite sind die meisten Ersatzstoffe keine vollwertigen Alternativen und können deshalb zumeist den Nutzen der natürlichen Rohstoffe nur zum Teil erreichen. Auf der anderen Seite haben die ökonomischen Klassiker, v. a. David Ricardo im Rahmen seiner Theorie der komparativen Kostenvorteile, gezeigt, dass durch internationale Arbeitsteilung und Spezialisierung hohe Produktivitätsgewinne erzielt werden, welche allen am Internationalen Handel beteiligten Volkswirtschaften zufließen – und nicht nur denjenigen Staaten, welche die höhere Produktivität aufweisen. Auf diese Vorteile verzichtet eine autarke Volkswirtschaft.
6. Alternative
Das Ziel, möglichst unabhängig zu bleiben, kann ein Staat auch auf anderem Wege als durch A. erreichen. So kann eine plötzliche Ölknappheit dadurch gemildert werden, dass vorher Öllager angelegt wurden, die einen vorübergehenden Ausfall von Öl überbrücken helfen. Dadurch, dass Rohstoffe nicht nur von einem einzigen Land bezogen werden (also der Bezug diversifiziert wird), kann Abhängigkeit verringert werden. Auch kann die Verbindung von Rohstoffimporten mit der Lieferung von Industrieprodukten, welche der Handelspartner genauso benötigt wie das eigene Land die Rohstoffe, die Abhängigkeit vermindern helfen. Auf A. kann auch dort verzichtet werden, wo in kurzer Zeit stillgelegte Wirtschaftszweige wiederum zum Leben erweckt werden können. So ist es möglich, sich in normalen Zeiten die benötigten Güter auf dem Importwege zu besorgen und in Zeiten der Bedrohung relativ schnell auf Eigenproduktion dieser Güter umzusteigen.
Literatur
G. Warnke: Wege zur Energie-Autarkie. Mit Home-Energy-Harvesting zur häuslichen Energie-Selbstversorgung, 2014 • E. Teichert: Autarkie und Großraumwirtschaft in Deutschland 1930–1939, 1984 • K. H. Sohn: Sicherung der deutschen Rohstoffversorgung. Wirtschaft von morgen, Ängste von heute?, 1981 • H. Möller: Auslandsabhängigkeit von Nationalwirtschaften in: F. Neumark (Hg.): Strukturwandlungen einer wachsenden Wirtschaft, Bd. 1, 1964, 331–348.
Empfohlene Zitierweise
B. Külp: Autarkie, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Autarkie (abgerufen: 21.11.2024)