Economic Cooperation Organization (ECO)
1. Historische Perspektive
Die ECO wurde 1985 von dem Iran, Pakistan und der Türkei als intergovernementale, regionale Organisation gegründet. Sie gehört damit in den weiten Bereich der Internationalen Organisationen, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt wurden. Ziel der ECO war es, durch Kooperation auf Staatenebene und Beseitigung von Handelshemmnissen die Wirtschaftsintegration der beteiligten Mitglieder zu fördern und damit zu einer wirtschaftlichen und politischen Stabilisierung der Region beizutragen. Die wirtschaftlichen Erfolge der europäischen Integration (Europäischer Integrationsprozess) nach 1957 waren dabei Vorbild und Motivation zugl., eine vergleichbare Zusammenarbeit zu realisieren, was allerdings bisher noch nicht zufriedenstellend realisiert wurde. Die ECO verdeutlicht zugl., welche wichtige Brücken- und Vermittlungsfunktion die Türkei zwischen den Staaten des Westens und des mittleren Ostens einnimmt.
2. Mitglieder
Neben den Gründungsmitgliedern Iran, Pakistan und der Türkei sind Afghanistan, Aserbeidschan, Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan gegenwärtig Mitglieder. Aus der Heterogenität der Mitglieder wird bereits ersichtlich, wie unterschiedlich die Interessen verteilt sind. Während die Türkei als potentieller EU-Beitrittskandidat und wichtiger Verbündeter der NATO stark im Westen verankert ist, war der Iran aufgrund seiner religiös fundierten Ein-Parteien-Herrschaft über viele Jahrzehnte durch ein Wirtschaftsembargo der USA isoliert und geschwächt. Afghanistan ist nach dem durch ein UN-Mandat gedeckten Einmarsch der westlichen Allianz 2001 quasi unter den Schutzschirm der internationalen Staatengemeinschaft gezogen worden, während viele der ehemaligen Sowjetrepubliken noch immer stark unter dem Einfluss Russlands stehen. Auch die Wirtschaftsordnungen und die politischen Systeme (Politisches System) der Mitglieder sind sehr divergent. Zudem erweist sich die Existenz vieler nationaler Währungen (Währung) als ein fortwährendes Handelshemmnis, so dass diese Staaten zumeist auf internationale Hartwährungen wie den Euro oder den US-Dollar ausweichen, was allerdings aufgrund der Devisenknappheit schwierig ist.
3. Die theoretische Begründung regionaler Wirtschaftsintegration
Die ECO ist ökonomisch betrachtet eine regionale Wirtschaftsintegration in einem frühen und noch nicht weit entwickelten Stadium. Von einem Binnenmarkt wie in Europa oder gar einer Währungsunion ist die ECO noch weit entfernt. Grundsätzlich ist eine allgemeine Wirtschaftsliberalisierung, wie sie in den WTO-Prinzipien der Nicht-Diskriminierung und der Meistbegünstigung festgeschrieben sind, einer regionalen Wirtschaftsintegration ordnungspolitisch vorzuziehen, weil sie die weitergehende und allg.ere Regel wäre. Eine regionale Integration ist im Sinne der Theorie James Buchanans als Club-Gut zu interpretieren, das seinen Mitgliedern Vorteile bringt, logischerweise aber zu Ausschlusseffekten für Nicht-Mitglieder führen kann. Allerdings könnte eine regionale Wirtschaftsintegration – wie bspw. die EU oder die NAFTA – als Zwischenschritt zu einer umfassenden Liberalisierung durchaus zweckmäßig sein. Dies ist dann der Fall, wenn die handelsschaffenden Effekte einer regionalen Integration die handelsumlenkenden Effekte überwiegen. Wenn die regionale Integration dabei grundsätzlich offen für neue Mitglieder bleibt, kann von einer Handelsausweitung ausgegangen werden.
Im Falle der ECO ist die regionale Integration zu begrüßen, weil sie auch politisch einen wichtigen Beitrag zur potentiellen Stabilisierung einer strategisch wichtigen Region leistet. Die diplomatische Zusammenarbeit in solchen Organisationen verringert signifikant die Wahrscheinlichkeit militärischer Konflikte. Grundsätzlich ist das Potential für zukünftige wirtschaftliche Entwicklung in dieser Region noch nicht ausgeschöpft.
4. Struktur und Organe der ECO
Die ECO hat eine Struktur mit Organen, wie sie auch in anderen Internationalen Organisationen anzutreffen sind. Der Ministerrat ist das höchste Gremium der ECO, bei der sich die jeweiligen Fachminister i. d. R. einmal jährlich treffen. Es gibt – ähnlich wie in der EU – verschiedene Direktorate, die sich den Themen Transport und Kommunikation, Handel und Investitionen, Landwirtschaft, Industrie und Tourismus, Energie und Umwelt, internationale Beziehungen, Wirtschaft und Statistik und dem Humankapital und der nachhaltigen Entwicklung widmen. Die Zahl der Direktorate ist deutlich geringer als etwa in der EU, was auch auf den geringeren wirtschaftlichen Integrationsgrad schließen lässt. Das Sekretariat der ECO hat seinen Sitz in Teheran.
5. Aufgaben und Tätigkeitsbereiche der ECO
Die wichtigsten Aufgaben der ECO liegen in der Anbahnung und Vermittlung wirtschaftlicher Zusammenarbeit in einem grundsätzlich schwierigen politischen Umfeld. Die ECO unterhält eine eigene Handelskammer und bietet auch Versicherungen an, um die Handelshemmnisse zu reduzieren. Da viele ECO-Mitglieder über große Rohstoffvorkommen verfügen, ist auch eine ingenieurwissenschaftliche Beratung zur Erschließung der Rohstoffe wichtiger Teil der Wirtschaftsentwicklung. Eine eigene Entwicklungsbank mit Sitz in der Türkei (Istanbul) wurde 2005 ergänzt, um Projekte in den Mitgliedsländern zu unterstützen.
6. Entwicklungsperspektiven der ECO
Die ECO könnte zukünftig eine deutlich wichtigere Rolle einnehmen, wenn es erstens gelänge, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern zu intensivieren und Elemente des Binnenmarktes zu etablieren. Zweitens könnte die ECO zusätzliche Bedeutung erlangen, wenn es gelänge, einige der „gescheiterten Staaten“ (Failed state) – etwa Syrien, Libyen oder den Irak – zu stabilisieren und einzubinden. Die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen den Iran durch die Obama-Administration im Jahre 2015 könnte sich mittelfristig positiv bemerkbar machen. Eine bessere wirtschaftliche Entwicklung dürfte der wichtigste Baustein für eine politische Stabilisierung der Region sein. Auch hier könnte die europäische Integration (Europäischer Integrationsprozess) eine Vorbildfunktion einnehmen, weil es dort gelang, kurz nach einem militärischen Konflikt durch wirtschaftliche Kooperation (Monnet-Plan) zu politischer Stabilität zu gelangen. Das erfolgreiche Prinzip der 70er Jahre, durch Handel zu politischem Wandel und zu Stabilität zu gelangen, dürfte auch für die ECO Gültigkeit besitzen.
Literatur
D. Wentzel (Hg.): Internationale Organisationen: Ordnungspolitische Grundlagen, Perspektiven und Anwendungsbereiche, 2013 • K. Freistein/J. Leibinger (Hg.): Handbuch internationale Organisationen – Theoretische Grundlagen und Akteure, 2011 • J. Buchanan: An Economic Theory of Clubs, in: Economica, N.S. 32/125, 1965, 1–14.
Empfohlene Zitierweise
D. Wentzel: Economic Cooperation Organization (ECO), Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Economic_Cooperation_Organization_(ECO) (abgerufen: 21.11.2024)