Finanzaufsicht

Die im Jahr 2007 ausgebrochene Finanzkrise (Finanzmarktkrise) ist neben anderen Ursachen auf eine unzureichende Finanzmarktregulierung und -aufsicht zurückzuführen. Weltweit haben Regierungen, Aufsichtsbehörden und Zentralbanken daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass sich eine effektive Finanzmarktaufsicht über alle Teile des Finanzsystems erstrecken muss: Finanzinstitute (z. B. Banken), Finanzmärkte (z. B. Derivatemärkte), Finanzinstrumente (z. B. Verbriefungen) sowie finanzielle Infrastrukturen (z. B. zentrale Gegenparteien, die sich an Märkten als zentrale Kontrahenten zwischen zwei Vertragspartner stellen und die Erfüllung der Verträge garantieren). Eine sektorspezifische Ausrichtung ohne Beachtung von Wechselwirkungen ist dabei ebenso wenig zielführend wie eine rein nationale. Speziell die makroprudenzielle Überwachung, die – in Abgrenzung zur mikroprudenziellen Aufsicht – den Blickwinkel der Überwachung von der Stabilität einzelner Finanzinstitute auf das Finanzsystem als Ganzes erweitert, sollte gestärkt werden. Ihre Aufgabe ist die Wahrung von Finanzstabilität durch die möglichst frühzeitige Identifikation und zielgenaue Bekämpfung systemischer Risiken. In diesem Zusammenhang wurden in Europa ein Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) und in Deutschland auf Basis des Anfang 2013 in Kraft getretenen FinStabG der „Ausschuss für Finanzstabilität“ errichtet.

1. Das Europäische System für die Finanzaufsicht

In der EU hat als Konsequenz dieser Überlegungen das „Europäische System für die Finanzaufsicht“ (ESFS) seine Tätigkeit Anfang 2011 aufgenommen. Es soll sowohl die mikro- als auch die makroprudenzielle Überwachung des Finanzsystems gewährleisten. Zu dem System zählen die „Europäische Bankenaufsichtsbehörde“ (EBA), die „Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung“ (EIOPA), die „Europäische Aufsichtsbehörde für Wertpapiere und Märkte“ (ESMA) sowie der ESRB. Weiter gehören dazu der „Gemeinsame Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden“ (CESR) sowie die zuständigen Aufsichtsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten.

Zu den Aufgaben der „Europäischen Bankenaufsichtsbehörde“ (EBA) zählen insb. die Normsetzung für die EU-Bankenaufsicht, die Entwicklung eines einheitlichen Aufsichtshandbuchs sowie die Durchführung von Stresstests. Gemeinsam mit den nationalen Aufsichtsbehörden soll die EBA dazu beitragen, die Qualität und Kohärenz der Bankenaufsicht in Europa zu verbessern, die Beaufsichtigung grenzüberschreitend tätiger Bankengruppen zu stärken und ein einheitliches europäisches Regelwerk für die Finanzinstitute einzuführen. Eine weitere wichtige Funktion der EBA besteht in der Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten der nationalen Aufsichtsbehörden im Rahmen der Beaufsichtigung von EU-weit tätigen Bankengruppen. Darüber hinaus soll die EBA im Krisenfall die nationalen Aufsichtsbehörden unterstützen. Unter bestimmten Umständen ist es ihr sogar erlaubt, direkte Durchgriffsrechte auf einzelne Institute wahrzunehmen.

Die EIOPA ging aus einem Ausschuss hervor, der nur unverbindliche Leitlinien und Empfehlungen verabschieden durfte. Ihr Tätigkeitsbereich erstreckt sich auf Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen sowie Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung und Versicherungsvermittler. Darunter fallen auch Fragen der Unternehmensführung, der Rechnungsprüfung und der Finanzkontrolle. Die EIOPA kann bindende Einzelentscheidungen beschließen und ebenfalls bei Meinungsunterschieden zwischen nationalen Aufsichtsbehörden schlichtend eingreifen.

Aufgaben der ESMA sind es, zum Schutz der Stabilität und Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte die Europäische Kommission bei der Erarbeitung von Rechtsvorschriften zu beraten und rechtlich unverbindliche Empfehlungen abzugeben sowie technische Standards zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang kann sie auch gegenüber nationalen Behörden und einzelnen Marktteilnehmern direkt aktiv werden. So ist die ESMA bspw. für die Zulassung von Ratingagenturen in der EU zuständig.

Der ESRB übt in der EU die Aufsicht über das Finanzsystem insgesamt aus und versucht, systemische Risiken möglichst frühzeitig zu erkennen (makroprudenzielle Überwachung). Unter systemischem Risiko versteht man das Risiko, dass durch die Zahlungsunfähigkeit eines Marktteilnehmers andere Marktteilnehmer so stark in Mitleidenschaft gezogen werden, dass sie ihrerseits nicht mehr in der Lage sind, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Im Zuge einer Kettenreaktion kann es dann zu Liquiditäts- oder Solvenzproblemen kommen, die die Stabilität des Finanzsystems insgesamt bedrohen. Der Ausschuss ist bei der EZB angesiedelt. Er setzt sich u. a. aus Vertretern der EZB, nationaler Zentralbanken, Aufsichtsbehörden und der EU-Kommission zusammen. Dementsprechend ist insb. seine Aufgabe, die Expertise der europäischen Zentralbanken und der mikroprudenziellen Aufsichtsbehörden zu bündeln. Identifiziert der ESRB Risiken im europäischen Finanzsystem, kann er Warnungen aussprechen und Empfehlungen für das Ergreifen geeigneter Maßnahmen zur Sicherung der Finanzstabilität abgeben. Entscheidet sich der ESRB für eine Empfehlung, müssen die adressierten europäischen oder nationalen Behörden dieser nachkommen oder detailliert erklären, warum sie ihr nicht folgen (sogenanntes comply or explain). So initiierte die Ende 2011 verabschiedete Empfehlung zu dem makroprudenziellen Mandat der nationalen Behörden in Deutschland die Einrichtung des „Ausschusses für Finanzstabilität“ (AFS).

2. Spezielle Regelungen in Deutschland

Der AFS verzahnt die mikroprudenzielle Aufsicht mit der makroprudenziellen Überwachung in Deutschland. Ihm gehören jeweils drei Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen, der BaFin und der Deutschen Bundesbank sowie ein nicht-stimmberechtigtes Mitglied der Finanzmarktstabilisierungsanstalt an.

Das FinStabG hat den AFS mit „Warnungen“ und „Empfehlungen“ ausgestattet, sodass das deutsche Gremium im Kern über die gleichen Möglichkeiten verfügt wie der ESRB auf europäischer Ebene. Dabei lassen sich die verfügbaren Werkzeuge grundsätzlich in weiche, mittlere und harte Instrumente unterteilen. Demnach ist die Kommunikation mit der Öffentlichkeit ein weiches makroprudenzielles Instrument, das keine Rechtsverbindlichkeit genießt, jedoch Erwartungen und damit Verhalten beeinflussen kann. Warnungen und Empfehlungen, denen die jeweiligen Adressaten im Rahmen des „comply or explain“-Verfahrens unterliegen, zählen zu den mittleren Instrumenten des AFS. Dabei können insb. Empfehlungen den Einsatz starker makroprudenzieller Instrumente einleiten, bei denen es sich um direkte Eingriffe in die Geschäftstätigkeit der Finanzmarktakteure handelt. Diese umfassen die Aktivierung von Kapitalpuffern, die Vorgabe von Liquiditätsanforderungen oder von Kapitalzuschlägen für systemrelevante Finanzinstitute. Solche starken Instrumente bedürfen einer rechtlichen Grundlage und ihre Anwendung demokratischer Kontrolle. In der für Deutschland beschlossenen Aufgabenteilung sind Eingriffsinstrumente im Bankensektor daher bei der BaFin angesiedelt.

In Deutschland ist auf mikroprudenzieller Ebene durch das Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht vom April 2002 die BaFin als Allfinanzaufsichtsbehörde für die F. zuständig (in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank). Ihre Aufsichtsbefugnisse erstrecken sich auf Banken, Finanzdienstleistungsinstitute, Versicherungen, Fonds und Kapitalanlagegesellschaften. Das Gesetz stärkte die Rolle der Bundesbank in der Aufsicht über Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, um ihre Expertise und Kontakte zu den Banken und Finanzmärkten zu nutzen. Die BaFin trägt mit ihrer Solvenzaufsicht dazu bei, die Zahlungsfähigkeit von Kreditinstituten, Versicherern und Finanzdienstleistern sicherzustellen. Durch diese Marktaufsicht setzt sie zudem Verhaltensstandards durch, die das Vertrauen der Anleger in die Finanzmärkte wahren sollen. Zum Anlegerschutz gehört es auch, dass die BaFin gegen unerlaubt betriebene Finanzgeschäfte vorgeht. Durch die europäische Bankenunion hat die BaFin allerdings die Kompetenz für die Überwachung der großen systemrelevanten Institute in Deutschland verloren, da diese auf die EZB überging. Eine Bank oder Bankengruppe gilt als systemrelevant, wenn ihre Zahlungsunfähigkeit das Funktionieren des inländischen Finanzsystems oder wesentlicher Teile davon gravierend beeinträchtigt und zudem negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft hat. Unter die weniger bedeutenden Institute, die unter der nationalen Aufsicht der BaFin bleiben, fallen v. a. die Sparkassen sowie die Volks- und Raiffeisenbanken. Die EZB kann allerdings auch bei den nicht systemrelevanten Banken die direkte Aufsicht übernehmen, wenn sie dies zur Sicherstellung einheitlicher Aufsichtsstandards als nötig erachtet. Die Hauptaufgabe der EZB und der nationalen Aufseher, welche in einem integrierten System zusammenarbeiten, ist es sicherzustellen, dass die Bankenvorschriften eingehalten und mögliche Schwierigkeiten frühestmöglich erkannt und behandelt werden.

3. Globale Regelungen

Auf globaler Ebene koordinieren auf Beschluss der Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) vom April 2009 der Finanzstabilitätsrat (FSB) und der IWF die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Überwachung des globalen Finanzsystems. Dem FSB gehören Vertreter von Zentralbanken, Finanzministerien, Aufsichtsbehörden und internationalen Organisationen an. Das Sekretariat des FSB ist bei der BIZ angesiedelt. Seine Koordinierungsfunktion bedeutet auch, dass er keinerlei rechtlich bindende Vorschriften erlassen kann. Ziel ist es, sich auf Mindeststandards für die Finanzstabilität zu einigen, die dann auf nationaler Ebene umgesetzt werden sollen. Dabei wendet der FSB einen dreistufigen Ansatz an. Die erste Stufe beinhaltet eine Schwächen- und Anfälligkeitsanalyse des globalen Finanzsystems. Eine Konzentration erfolgt auf Entwicklungen, die das Potenzial für internationale Übertragungseffekte besitzen und somit für nationale Aufsichtsbehörden schwer zu identifizieren sind. Auf der zweiten Stufe geht es um die Erarbeitung von Politikvorschlägen und die Koordination mit den nationalen Aufsichtsbehörden. In diesem Zusammenhang wurden z. B. Vorschläge zur Regulierung des Schattenbankensektors, der Reform der nicht-standardisierten außerbörslichen Derivatemärkte (OTC) und der Systemrelevanz einzelner Institute (too-big-to-fail) gemacht. Die Überwachung der Umsetzung der vereinbarten Reformmaßnahmen erfolgt auf der dritten Stufe. Dafür wurde ein Berichtswesen auf G20-Ebene eingeführt. Auf der obersten Prioritätenebene stehen dabei die Vorschriften des „Basler Ausschusses für Bankenaufsicht“, Regelungen zu Schattenbanken, global systemrelevante Finanzinstitute, die Abwicklung insolventer Banken und die Reform der OTC-Derivatemärkte.

Bes. Bedeutung auf Ebene der G20 erlangten die vom „Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht“ verabschiedeten Regelungen. Aktuell geht es um die 2010 beschlossenen Vorschriften „Basel III“. Deren Ziel ist die Reduzierung der Anreize zur übermäßigen Risikoübernahme von Banken und die Schaffung eines widerstandsfähigeren Finanzsystems durch verschiedene Maßnahmen. Die Regelungen sollen zum Jahresbeginn 2019 vollständig in Kraft treten.

3.1 Stärkung der Qualität, Quantität und Transparenz des Eigenkapitals

Die Finanzkrise 2007/08 hatte gezeigt, dass die Marktteilnehmer dem bankaufsichtsrechtlichen Eigenkapitalbegriff nicht ausreichend vertrauten. Der Baseler Ausschuss hat deshalb das aufsichtsrechtlich relevante Eigenkapital neu definiert mit einer harten Kernkapitalquote von 4,5 %, einer Kernkapitalquote von 6,0 % und einer Mindesteigenkapitalquote von 8,0 % der risikogewichteten Aktiva (RWA). Dadurch wird die Fähigkeit eines Instituts, Risiken einzugehen, begrenzt. Das Risikogewicht spielt allerdings eine entscheidende Rolle. Staatsanleihen werden dabei weiterhin mit einem Risikogewicht von Null berücksichtigt. Kernkapital kann Verluste unter der Annahme der Unternehmensfortführung auffangen, da es quasi „bedingungslos“ dem Institut zur Verfügung steht. Ergänzungskapital ist von geringerer Qualität, da es nur im Falle der Unternehmensauflösung Verluste absorbieren soll. Ergänzt werden die Quoten um einen Kapitalerhaltungspuffer von 2,5 %, der ebenfalls mit hartem Kernkapital zu erfüllen ist. Die Eigenkapitalqualität wird zudem deutlich verbessert durch strengere Anerkennungskriterien für Kapitalinstrumente und schärfere Regeln für Abzugspositionen.

3.2 Strengere Kapitalanforderungen für risikoreiche Produkte und außerbilanzielle Geschäfte

Die Mindestkapitalanforderungen für Kontrahentenausfallrisikopositionen bei Forderungen aus Derivatetransaktionen sowie aus Wertpapierpensions- und -leihegeschäften werden erhöht. Außerdem wird die sogenannte Asset value correlation (AVC), die bei der Berechnung der Kapitalanforderungen berücksichtigt wird, für Forderungen gegenüber großen Instituten mit einer Bilanzsumme von mehr als 100 Mrd. US-Dollar und gegenüber unregulierten Finanzintermediären (im Wesentlichen Hedgefonds) erhöht. Die AVC ist ein Maß dafür, wie stark die Verlustwahrscheinlichkeiten der einzelnen Positionen in einem Portfolio zusammenhängen.

3.3 Minderung der prozyklischen Wirkung von Basel II

Die Institute müssen einen zusätzlichen Kapitalerhaltungspuffer über das geforderte Mindesteigenkapital hinaus halten. Zusätzlich kann unter Berücksichtigung der makroökonomischen Entwicklung ein antizyklischer Puffer in einer Bandbreite von 0–2,5 % der RWA, der ebenfalls mit hartem Kernkapital zu erfüllen ist, festgesetzt werden.

3.4 Ergänzung um eine Verschuldungskennziffer/Leverage Ratio

Die Leverage Ratio setzt das aufsichtliche Kernkapital einer Bank in Beziehung zu ihrem Gesamtengagement. Sie dient als Untergrenze für die risikogewichtete Kapitalunterlegung mit dem Ziel, eine exzessive Verschuldung zu verhindern. Seit 2015 ist sie von den Instituten offenzulegen. Als verbindliche Mindestanforderung ist eine Höhe von 3% vorgesehen.

3.5 Bestimmung eines globalen Liquiditätsstandards

Die kurzfristige Liquiditätsdeckungskennziffer (Liquidity Coverage Ratio) basiert auf einem akuten Stressfall, bei dem der über einen Monat kumulierte Nettozahlungsmittelabfluss mit qualitativ hochwertigen und liquiden Aktiva abgedeckt werden soll. Die zweite Mindestliquiditätskennziffer (Net Stable Funding Ratio) soll für den Einjahreshorizont eine stabile Refinanzierungsstruktur gewährleisten (Inkrafttreten 2018).

3.6 Aufsichtliche Behandlung systemrelevanter Banken

Aufbauend auf den Empfehlungen des Finanzstabilitätsrats zu systemrelevanten Finanzinstituten hat der Baseler Ausschuss ein Rahmenwerk zur Sicherstellung einer höheren Verlustabsorptionsfähigkeit von global systemrelevanten Banken (G-SIBs) verabschiedet. Anhand von fünf Kriterien (Größe, globale Aktivität, Vernetzung, fehlende Substituierbarkeit, Komplexität) wird aus einer Stichprobe der weltweit größten Banken jährlich ein Ranking erstellt. Abhängig vom Grad ihrer Systemrelevanz werden identifizierte G-SIBs jeweils einer von vier Klassen zugeordnet, welche mit Kapitalaufschlägen zwischen einem und 2,5 Prozentpunkten an zusätzlichem hartem Kernkapital belegt sind. Eine fünfte, derzeit leere Klasse mit einem Aufschlag von 3,5 % dient als Negativanreiz gegen eine weitere Ausweitung der systemischen Relevanz.

Der Baseler Ausschuss besitzt keine Rechtsetzungsbefugnis. Er überprüft allerdings mittels des „Basel III Implementation Monitoring“ regelmäßig, inwieweit die Mitgliedsländer den Baseler Standard zeitgerecht und konsistent umsetzen und veröffentlicht die Ergebnisse.