Spekulation

1. Definition von Spekulation

Im wirtschaftswissenschaftlichen Sprachgebrauch bezeichnet S. das Ausnutzen von zeitlichen Kurs-, Preis- und Zinsschwankungen zum Zwecke der Gewinnerzielung. Das wesentliche Merkmal besteht darin, dass der Spekulant das Gut in keiner Weise verändert, verbessert oder einsetzt, um damit neue Produkte herzustellen. In einem bes. starken Ausmaß findet S. im Börsenhandel (Börsen) mit Hilfe verschiedener Finanzinstrumente statt. S. ist dabei streng vom Begriff der Arbitrage zu trennen. Arbitrage bezeichnet einen risikofreien Gewinn, oft Free Lunch genannt, der durch Preisunterschiede eines Gutes zu einem bestimmten Zeitpunkt an unterschiedlichen Orten möglich wird. Im Gegensatz dazu ist S.s-Handel risikobehaftet, da die zukünftige Preisentwicklung nicht vorhersehbar ist.

2. Auswirkungen von Spekulation

S. hat mehrere Funktionen innerhalb der Finanzmärkte. Zunächst erhöht S. die Markteffizienz, da die „begründeten Vermutungen“ der Spekulanten über zukünftige Preisentwicklungen in den Preisbildungsprozess einfließen. Zweitens erfüllen Spekulanten in Finanzmärkten eine Versicherungsfunktion, da sie willentlich Preisrisiken übernehmen. Das klassische Beispiel hierfür ist der Landwirt, der zum Zeitpunkt der Saat den Preis für seine Ernte nicht einschätzen kann und so einem hohen Ertragsrisiko ausgesetzt ist. Durch ein Termingeschäft kann er zum Zeitpunkt der Saat seine Ernte zu einem bereits festgelegten Preis verkaufen. Der Spekulant übernimmt hierbei das Risiko des Landwirts und übt somit eine Versicherungsfunktion aus. Empirische Untersuchungen zeigen, dass diese Effekte die Volatilität in Märkten verringern.

Neben diesen positiven Effekten wird in der Forschung der Hypothese nachgegangen, dass bei einer relativ zur Menge der Marktteilnehmer großen Anzahl an Spekulanten bzw. eines hohen Anteils spekulativer Investments der Preisbildungsmechanismus nicht korrekt funktioniert, da Angebot und Nachfrage nicht mehr durch die marktlichen Fundamentaldaten getrieben werden. So können Preise zustande kommen, die Produzenten und/oder Endverbrauchern schaden.

3. Öffentliche Akzeptanz von Spekulation

S., insb. in Aktienmärkten, wird von der Öffentlichkeit oft negativ wahrgenommen. Auf der einen Seite wird S. verantwortlich gemacht für extreme Preissteigerungen zu Lasten der Konsumenten, insb. bei Nahrungsmitteln, zum anderen aber auch für Preisverfälle bei den Erzeugern. Dabei wird in der wissenschaftlichen Literatur die S. von den Begriffen Manipulation und Glückspiel (englisch Gambling) abgegrenzt. Manipulation beschreibt die konkrete (illegale) Handlung zur Veränderung des Preises zugunsten der Manipulatoren. Gambling bezeichnet S.s-Handel, der ohne begründete Aussicht auf einen erzielbaren Gewinn stattfindet. Während gegenüber S. aufgrund der oben beschriebenen Eigenschaften selten moralische Einwände erhoben werden, so sind Manipulation und Gambling in der Gesellschaft weithin verpönt.

4. Spekulationsblasen

Als S.s-Blasen werden Marktsituationen beschrieben, in denen die Preise für verschiedene Güter (bspw. Vermögensgegenstände oder Rohstoffe) zu stark erhöhten Preisen gehandelt werden, wobei diese ihren intrinsischen Wert übersteigen. Die Handelsmengen steigen dabei so lange an, bis Investoren aufgerufene Preise nicht mehr akzeptieren, womit eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt wird und in der Folge die Nachfrage einbricht. Auswirkungen können, v. a. in modernen vernetzten Märkten, global ausfallen und zum Zusammenbrechen ganzer Volkswirtschaften führen. Bspw. sei hier die Subprime-Krise 2007/08 genannt, wobei verbriefte Immobilienkredite der USA zu einer weltweiten Finanzkrise (Finanzmarktkrise) geführt haben.

Aber nicht nur in den weltweit stark vernetzten Volkswirtschaften der Neuzeit sind S.s-Blasen zu verzeichnen. Heraufbeschworen durch teilweise ausschließlich auf eine schnelle Renditeerzielung orientierte Investoren können sie starke Auswirkungen auf die nationale wie die internationale Wirtschaftsstabilität haben. Auch historisch betrachtet sind Auswüchse dieser zu beobachten, wie folgende zwei Beispiele zeigen.

4.1 Tulpenmanie

Das wohl bekannteste Beispiel für eine S.s-Blase ist die holländische Tulpenmanie in den Jahren 1634–37. Durch die Verbreitung in der gehobenen Gesellschaft avancierten die Tulpe zum Statussymbol, wodurch auf den zu Beginn ausschließlich kommerziellen Handel spekulative Anlagen folgten, sodass sich Tulpenzwiebeln zu einem S.s-Objekt entwickelten. Durch den lukrativen Handel mit Ostindien befanden sich die Niederlande zu Beginn des 17. Jh. am Beginn einer goldenen Periode, in der vermögende Kaufleute ihr Vermögen in stattliche Anwesen mitsamt riesigen Gartenanlagen nach italienischem Vorbild investierten. Durch den weltweiten großen Zufluss von Gold und Silber im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs waren stark inflationäre Tendenzen zu verzeichnen. Gepaart mit der Eigenschaft von Tulpenzwiebeln, relativ schwer reproduzierbar zu sein, wodurch die stark ansteigende Nachfrage nicht befriedigt werden konnte, kam es auch spekulationsbedingt zu einem sehr hohen Preisanstieg. Erst im Jahr 1637 verweigerten sich Investoren der Zahlung noch höherer Preise, sodass der Handel zusammenbrach.

4.2 Agrarspekulationen

In den Jahren 2007/08 und 2010–12 kam es auf den Märkten für Agrarrohstoffe zu rasanten Preissteigerungen, die global zu Hungersnöten führten. Hervorgerufen wurden diese einerseits durch verschiedene makroökonomische Faktoren. Die Nachfrage nach Nahrungsmitteln weltweit stieg durch eine wachsende Weltbevölkerung, eine weltweit ultra-expansive Geldpolitik und einen schwachen US-Dollar merklich an. Gepaart mit Missernten in Folge von Wetterereignissen und einer zunehmenden Nutzungskonkurrenz der landwirtschaftlichen Flächen durch Biokraftstoffe erfolgte ein starker Anstieg der Angebotspreise. Andererseits nutzten Spekulanten die Möglichkeit zur Renditeerzielung aus und trieben dadurch die hohen Preise weiter an. V. a. Index-basierte Termingeschäfte wurden von weiten Teilen der Öffentlichkeit stark kritisiert. In Folge der Diskussion wurde immer wieder an die soziale Verantwortung der Investoren appelliert und eine Regulierung des Rohstoffmarktes gefordert.