Wasser

  1. I. Rechtswissenschaftlich
  2. II. Politikwissenschaftlich

I. Rechtswissenschaftlich

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Das W.-Recht umfasst die beiden Teilbereiche des Rechts der W.-Wirtschaft und des W.-Wegerechts. Das Recht der W.-Wirtschaft behandelt den Schutz der natürlichen Funktionen der Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts und als ökologischer Lebensraum, den Schutz vor Hoch-W. und die geordnete Nutzung der Gewässer für die W.-Versorgung, die Industrie und die Landwirtschaft. Beim W.-Wegerecht geht es darum, die Verkehrs- und Transportfunktion der schiffbaren Gewässer herzustellen und aufrechtzuerhalten, wobei sich zwischen beiden Materien immer wieder Abgrenzungsprobleme ergeben.

1. Geschichtliche Entwicklung

W. ist einer der elementaren und ältesten Gegenstände des Rechts. Mit der Sesshaftwerdung der Jäger- und Sammlergesellschaften und dem Einsetzen von Ackerbau und Viehzucht stellte sich in vielen menschlichen Gesellschaften die Notwendigkeit, die Nutzung und Verteilung des W.s verbindlich zu regeln. V. a. in solchen Klimazonen, in denen der Niederschlag für die Landwirtschaft allein nicht ausreichte, wurde das Bedürfnis nach einer zusätzlichen Bewässerung zu einem Motor des Aufbaus komplexer gesellschaftlicher Strukturen und Rechtsnormen.

So enthielt bereits der babylonische Codex Hammurapi aus der Zeit um 1750 v. Chr. Bestimmungen über die nachbarliche Haftung bei unachtsamem Umgang mit W.-Ressourcen, Strafen für die Zerstörung von Bewässerungsanlagen sowie die Stundung der Steuerzahlungspflicht, wenn aufgrund von W.-Knappheit keine Ernte erzielt wurde. In diesem strafbewehrten Privatrecht spiegelten sich die Existenzbedingungen des altbabylonischen Reiches, in dem die Verfügbarkeit von W. eine Geschäftsgrundlage der meisten rechtlichen Verpflichtungen darstellte. Ein anderes Regelungsmodell bildete die partielle Verstaatlichung der W.-Verwaltung im römischen W.-Recht, die im Zuge der Kanalisierung der Städte und ihrer Versorgung durch Aquädukte erfolgte. Die traditionellen Rechte der Grundeigentümer zur Entnahme von W. wurden dabei schrittweise aufgehoben und das W. schließlich hoheitlich bewirtschaftet.

Diese Normen gerieten mit dem Ende des weströmischen Reiches in Vergessenheit. W. war im Mittelalter nach überliefertem Gewohnheitsrecht zunächst eine für alle nutzbare Allmende, während höhere Nutzungsarten wie die Errichtung von Mühlen und Fähren dem Landesherrn zustanden. Nach dem späteren gemeinen Recht umfasste das Grundeigentum auch das Recht zur Nutzung der auf dem Grundstück vorhandenen W.-Ressourcen, während die „fließende Welle“ überwiegend als nicht eigentumsfähig angesehen wurde. Den auch damals bereits bekannten Problemen der W.-Verschmutzung und den daraus resultierenden Krankheitsepidemien stand diese Rechtsordnung hilflos gegenüber oder bekämpfte sie mit untauglichen Mitteln wie dem Straftatbestand der Brunnenvergiftung. Im Hinblick auf Navigationsfragen hingegen waren die schiffbaren Ströme in Deutschland im frühen Mittelalter allgemein befahrbare „Straßen des Reichs“ in königlicher Verwaltung. Im Zuge der Schwächung der Zentralmacht kam es jedoch auch zu einer Erosion der königlichen Verfügungsgewalt über diese Verkehrswege.

Erst das 19. Jh. knüpfte wieder an die römische Gesetzgebung an. 1852 erließ Bayern umfassende Regelungen über die Benutzung des W.s und wurde dadurch zum Vorreiter der deutschen Rechtsentwicklung. Ab 1900 setzte in allen Ländern des Deutschen Reiches eine Kodifikationswelle ein, die im Preußischen W.-Gesetz von 1913 ihren Höhepunkt erreichte. Kompetenzen des Reichs wurden erst durch Art. 97 WRV begründet, der vorsah, die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen in Eigentum und Verwaltung des Reichs zu übernehmen. Für das Recht der W.-Wirtschaft hingegen wies erst Art. 75 Nr. 4 GG a.F. dem Bund eine Rahmengesetzgebungskompetenz für den W.-Haushalt zu. Sie führte 1957 zum Erlass des WHG, das als Rahmengesetz jedoch der Ausfüllung durch Landeswassergesetze bedurfte.

2. Ausgangsparameter des Verfassungsrechts

Mit der Föderalismusreform 2006 erlangte der Bund die heutige konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für den W.-Haushalt nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG. Relativiert wird dieser Kompetenzzuwachs durch Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 GG, wonach die Länder vom Bundeswasserrecht abweichende Regelungen treffen können. Auf dieser Grundlage erging 2009 das Gesetz zur Neuregelung des W.-Rechts mit einem neuen WHG. Trotz seines Anspruchs, das W.-Wirtschaftsrecht zu vereinheitlichen, bleiben weite Teile – ersichtlich aus Sorge vor einer Abweichung der Länder – auf Bundesebene nicht oder nur ausschnittweise geregelt. Auch das neue WHG ist daher auf Ergänzung durch das Landesrecht angelegt und bleibt in vieler Hinsicht dem alten Rahmenrecht verhaftet.

Damit ist das deutsche W.-Recht für Oberflächengewässer wie für das Grundwasser weiterhin durch ein Ineinandergreifen des W.-Rechts des Bundes und der ergänzenden oder partiell auch abweichenden Landesgesetze geprägt. Beide Gruppen von Gesetzen werden nach Art. 83 GG durch die Länder vollzogen. Da im W.-Wirtschaftsrecht trotz immer dichterer gesetzlicher Vorgaben traditionell erhebliche Vollzugsspielräume bestehen, steht auch die mit diesen Spielräumen verbundene Bewirtschaftungshoheit den Ländern zu. Ihnen bleibt es daher überlassen, das nach wie vor prägende Bewirtschaftungsermessen der W.-Behörden im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben sachgerecht auszuüben. Faktisch führen diese Spielräume zu durchaus divergierenden Vollzugsniveaus nach Maßgabe der jeweiligen Umweltpolitik des Landes.

Soweit hingegen die Gewässer in ihrer Funktion als Verkehrswege betroffen sind, verfügt der Bund nicht nur über die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG, sondern zugleich nach Art. 89 GG über die Zuständigkeit, das auf dieser Grundlage erlassene WaStrG auch selbst durch bundeseigene Verwaltung zu vollziehen.

3. Leitprinzipien des modernen Wasserrechts

Im Laufe des 20. Jh. hat sich das deutsche W.-Recht weit von dem eigentumsbezogenen Ansatz des mittelalterlichen Rechts entfernt. Zwar unterliegen die Gewässer – wie in den meisten Rechtsordnungen – im Grundsatz einem Geflecht aus sowohl öffentlich-rechtlichen wie auch privatrechtlichen Vorgaben. Das Bewirtschaftungssystem des heutigen WHG ist jedoch im Wesentlichen öffentlich-rechtlicher Natur, und das W. ist letztlich wieder – wie zu römischer Zeit – in staatliche Verwaltung genommen. Dementsprechend ist das auf oder unter einem Grundstück befindliche W. gemäß § 4 Abs. 2 und Abs. 3 WHG nicht mehr Teil des Grundeigentums, sondern unterliegt einer vom Grundstück losgelösten öffentlichen Ordnung, in der alle wesentlichen Nutzungen und Umgestaltungen der Gewässer von einer Genehmigung abhängig sind. Durch ihre Auskopplung von der Privatautonomie (Autonomie) soll die Bewirtschaftung der Gewässer dem Gemeinwohl dienen und einen Ausgleich konfligierender Interessen herbeiführen.

Der Einzelne darf innerhalb dieses öffentlich-rechtlichen Bewirtschaftungssystems zwar in manchen Gewässern noch ohne Genehmigung baden, doch bedürfen die eigentlichen Gewässerbenutzungen i. S. v. § 8 WHG – bspw. wesentliche W.-Entnahmen oder Einleitungen von Stoffen in Gewässer – durchweg einer Erlaubnis durch die W.-Behörden. Dabei werden den Antragstellern grundsätzlich keine festen Genehmigungsansprüche zuerkannt. Vielmehr genießt die W.-Behörde gemäß § 12 Abs. 2 WHG ein weites Bewirtschaftungsermessen, auf dessen Grundlage sie in der Lage ist, die wasserwirtschaftlich relevanten Belange vor Beeinträchtigungen zu bewahren. Im Mittelpunkt dieser wasserrechtlichen Bewirtschaftungsentscheidung stehen die Festlegung der in mengen- und gütewirtschaftlicher Hinsicht verfügbaren Ressourcen und die hoheitliche Verteilung dieser Ressourcen auf konkurrierende Nutzungserwerber oder überindividuelle Belange.

Allerdings wird der behördliche Spielraum v. a. durch die ökologischen Vorgaben des modernen europäisierten W.-Rechts eingeschränkt. Eine bes. wichtige zwingende Vorgabe stellt § 57 WHG dar, nach dem eine Erlaubnis für das Einleiten von Abwasser nur erteilt werden darf, wenn die Schadstofffracht des Abwassers so gering gehalten wird, wie dies bei Einhaltung der jeweils in Betracht kommenden Verfahren nach dem Stand der Technik möglich ist. Auf dieser Grundlage werden – konkretisiert durch die AbwV – Mindestanforderungen an den Abbau von Schadstoff- und Nährstofffrachten im Abwasser gestellt, um vorsorglich Schadstoffemmissionen zu verringern und damit auch Gefährdungspotentialen für die Gewässer entgegenzutreten. Typische Anforderungen sind bei Klärwerken mindestens die sogenannten drei Reinigungsstufen (mechanisch, biologisch, chemisch). Dementsprechend wird mittlerweile praktisch das gesamte deutsche Abwasser einer Reinigung zugeführt, die dem Stand der Technik entspricht.

Weitere wichtige Instrumente des Gewässerschutzes sind u. a. die Festsetzung von W.-Schutzgebieten, die nach § 51 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WHG insb. im Interesse der bestehenden oder künftigen W.-Versorgung ausgewiesen werden können, sowie die teils auf Bundes-, teils auf Landesrecht gestützte Erhebung von Abwasserabgaben und W.-Entnahmeabgaben.

V. a. auf Grund seiner Prägung durch Vorgaben der EU wird das moderne deutsche W.-Recht heute überwiegend als ökologisches Gewässerschutzrecht angesehen, welches das W. vor allem als schützenswertes Umweltmedium und Teil des Naturhaushalts behandelt. Aus dieser Perspektive stehen die ökologischen Schlüsselfunktionen im Vordergrund, die Gewässer im und für den Naturhaushalt erfüllen. Dennoch darf auch jene ältere Funktion nicht übersehen werden, die an die Ursprünge des W.-Rechts als Ressourcenbewirtschaftungsrecht und an die soziale Bedeutung des W.s als Voraussetzung unzähliger menschlicher Tätigkeiten anknüpft. Das weite Spektrum ökologischer und sozialer Ansprüche an die Ressource W. macht deutlich, dass die aufgeworfenen Zielkonflikte nicht eindeutig i. S. einer der beiden isolierten Sichtweisen gelöst werden können.

4. Das Wasserrecht der Europäischen Union

Die durch das überkommene deutsche W.-Recht eingeräumten Bewirtschaftungsspielräume werden mittlerweile in erheblichem Umfang durch Vorgaben des Unionsrechts überlagert: Die W.-Rahmenrichtlinie 2000/60/EG vom 23.10.2000 hat – in Übernahme von Regelungstechniken des Völkerrechts – ein Regelungsmodell für die Gestaltung des W.-Rechts in den Mitgliedstaaten vorgegeben, welches die bis dahin verstreuten wasserrechtlichen Regelungen der EU systematisch zusammenfasst und konzeptionell weiterentwickelt. Die Richtlinie erfasst Flüsse, Seen, Übergangsgewässer, Küstengewässer und Grundwasservorkommen, und zielt auf deren umfassende ökologische Sanierung.

Dabei soll nach der maßgeblichen Umsetzungsbestimmung in § 27 Abs. 1 Nr. 2 WHG für alle Oberflächengewässer innerhalb bestimmter Fristen der nach bestimmten Referenzbeschreibungen gute Zustand erreicht werden, der sowohl einen guten ökologischen Zustand als auch einen guten chemischen Zustand umfasst. Während der ökologische Zustand vorrangig biologische Komponenten in den Blick nimmt, betrifft der chemische Zustand unmittelbar stoffliche Qualitätsanforderungen. Ein guter chemischer Zustand liegt vor, wenn kein Schadstoff in einer über die Vorgaben der einschlägigen Umweltqualitätsnormen hinausgehenden Konzentration vorliegt. Für das Grundwasser ist nach § 47 Abs. 1 WHG demgegenüber nicht auf ökologische Aspekte, sondern auf den mengenmäßigen und chemischen Zustand abzustellen.

Verwaltungstechnisch werden die Gewässer zu Flussgebietseinheiten unter Einbeziehung der Grundwasservorkommen zusammengefasst. Für die Einzugsgebiete sind Bewirtschaftungspläne zu erstellen, aus denen Maßnahmenprogramme zu entwickeln sind, deren Umsetzung wiederum unionsweit den guten Gewässerzustand herbeiführen soll. Die Umsetzung dieses Auftrags ist derzeit das Kernanliegen des deutschen W.-Rechts.

5. Internationales Wasserrecht

Auch das Völkerrecht, ein Recht, das v. a. zwischen den Staaten gilt, hat sich von je her mit wasserbezogenen Fragen befasst. Manches deutet sogar darauf hin, dass W. im 21. Jh. zu einem der wichtigsten Gegenstände des Völkerrechts überhaupt werden könnte: W. ist in weiten Teilen der Erde zu einer knappen Ressource und einer drängenden Konfliktquelle geworden. So ist die Verteilung des W.s des Jordan eine Schlüsselfrage des Israelisch-Palästinensischen Konflikts (Nahostkonflikt).

Angesicht der massiven Probleme bei der Verteilung der W.-Ressourcen haben die Staaten z. T. extreme völkerrechtliche Standpunkte entwickelt. Die bekannteste dieser Theorien ist die berühmte Harmon-Doktrin, die die Vereinigten Staaten 1895 entwickelten, nachdem sie zuvor weite Teile des Rio Grande abgeleitet hatten, sodass in Mexiko kaum mehr W. ankam. Nach dieser Rechtsbehauptung enthielt das Völkerrecht keine Verpflichtung, aus Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer Staaten den W.-Verbrauch im eigenen Land einzuschränken. Meist handelte und handelt es sich bei solchen Aussagen um aus taktischen Gründen bezogene Verhandlungspositionen.

Tatsächlich wurde jedoch bereits seit der Antike eine Vielzahl völkerrechtlicher Verträge über grenzüberschreitende W.-Ressourcen geschlossen. Solche Abkommen bestehen etwa seit 1906 auch zwischen den USA und Mexiko für den Rio Grande, und ebenso für das Mekongdelta, für Donau, Rhein, Nil, Niger oder Sambesi. Dabei haben die beteiligten Staaten durchweg Einschränkungen ihrer Souveränität zugestimmt, Kompromisse gefunden, gegenseitige Rechte anerkannt und Regelungen zur Vermeidung von Verschmutzungen getroffen. Diesen Verträgen wird zudem eine relativ gute Befolgungsquote attestiert, sogar in Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen. Auch die internationale Rechtsprechung hat mittlerweile bestätigt, dass die in all diesen Verträgen enthaltene Kooperationsverpflichtung einen Bestandteil des universellen Völkergewohnheitsrechts bildet.

Die Grundsätze haben in einem mittlerweile hochkomplexen Völkervertragsrecht ihren Niederschlag gefunden. Die für Deutschland maßgeblichen Vorgaben ergeben sich aus dem universell geltenden „Übereinkommen der über das Recht der nichtschifffahrtlichen Nutzung internationaler Wasserläufe“ der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1997, aus dem „Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen“ der UNECE aus dem Jahr 1992 und aus einer Reihe regionaler völkerrechtlicher Übereinkommen für einzelne grenzüberschreitende Flüsse wie den Rhein, die Mosel, die Elbe, die Oder und die Donau. So bildet etwa das „Übereinkommen zum Schutz des Rheins“ aus dem Jahr 1999 die völkerrechtliche Grundlage für die gemeinsame Zusammenarbeit der Anliegerstaaten des Rheins und der EU mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung dieses Flusses. Flussgebietsbezogen sind auch die Vorgaben des Völkerrechts zur Navigation, die sich etwa für den Rhein aus der revidierten Rheinschiffahrtsakte aus dem Jahr 1868 ergeben.

Eine jüngere völkerrechtliche Entwicklung ist demgegenüber die Proklamation eines „Menschenrechts auf Wasser“, das im Jahr 2010 in einer – völkerrechtlich nicht verbindlichen – Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen anerkannt wurde. Der Inhalt und die Konsequenzen dieses neuen Rechts sind wie auch seine Völkerrechtsqualität weiterhin umstritten. Anders als die als Eingriffsabwehrrechte konzipierten klassischen Menschenrechte könnte das neu postulierte Recht wohl nur als Leistungsrecht zu sinnvollen Ergebnissen führen. Unabhängig von der Frage seiner Verbindlichkeit unterstreicht das „Recht auf Wasser“ damit die Dimension der Schicksalsaufgabe, einer wachsenden Weltbevölkerung das global zunehmend knappe Gut W. dauerhaft in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung zu stellen.

II. Politikwissenschaftlich

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1. Herausforderungen

Als natürliche Ressource wurde W. lange vorrangig naturwissenschaftlich sowie aufgrund infrastruktureller Anforderungen unter technischen Aspekten betrachtet. Globaler Kapitalismus, veränderte Konsumgewohnheiten und der menschengemachte Klimawandel stellen heute zentrale Gefahren für die globalen W.-Ressourcen dar und verschieben die Herausforderungen deutlich in eine politische und rechtliche Dimension. Notwendig ist es, gesellschaftliche, technische und ökologische Determinanten politisch und rechtlich so zu adressieren, dass quantitativ und qualitativ ausreichende W.-Ressourcen dauerhaft für alle Menschen und die ökologische Umwelt zur Verfügung stehen. Konträr zu diesem unstrittigen Ziel einer globalen W.-Politik verhalten sich die realen Trends: 30 % der Weltbevölkerung haben keinen verlässlichen Zugang zu sicherem Trink-W., knapp eine Mrd. Menschen verfügt nicht einmal über eine Grundversorgung. Der globale W.-Verbrauch hat sich seit 1950 verfünffacht, die Entnahme übersteigt vielerorts die Wiederauffüllungsrate der W.-Reservoire. Weltweit versiegen Flüsse, Grund-W.-Reservoire und Seen, trocknen Feuchtgebiete aus. Auch die Qualität der W.-Ressourcen sinkt, nicht nur in küstennahen Gebieten, in denen der steigende Meeresspiegel die Süßwasserressourcen und landwirtschaftlichen Nutzflächen zerstört. 80 % aller Abwässer weltweit werden ungeklärt in die Umwelt entsorgt; Chemikalien, Arzneimittel, Metalle, Plastikpartikel, bakterielle Verseuchungen, Mikroorganismen, karzinogene und toxische Stoffe aller Art verseuchen das Trink-W. und gelangen in die Nahrungskette auch über den Teil der Bewässerungslandwirtschaft, der gar nicht oder unzureichend aufbereitetes Abwasser verwendet. Fast die Hälfte aller Naturkatastrophen zwischen 1995 und 2015 waren Überschwemmungen; sie betrafen 2,3 Mrd. Menschen. Trotz langjährig bekannter Warnungen bzgl. der menschlichen und ökologischen Opfer wassertechnischer Großprojekte schreiten die Bauten von W.-Kraftwerken und Dämmen voran; insgesamt existieren heute etwa 850 000 Dämme, davon 50 000 sogenannte Mega-Dämme. Dämme setzen die Vertreibung der ansässigen Bevölkerung voraus, bedrohen Fließgewässer und Ökosysteme, behindern die Wanderung von Fischen, tragen zum Artensterben bei und emittieren über den abgelagerten Schlamm Treibhausgase in die Atmosphäre, darunter auch Methan, das 25-fach wirksamer als CO2 ist. Wassertechnische Großprojekte wie Stauseen und Dämme gelten dabei als prinzipiell nicht rückbaubar – einmal gebaut, verändern sie die Landschaft für immer. All diese Einblicke in die Welt des W.s beziehen sich dabei nur auf die Süßwasserreserven, deren Anteil lediglich 2,5 % des irdischen W.-Vorkommens beträgt, lassen hiervon jedoch Pole und Gletscher ebenso außen vor wie darüber hinaus die ebenfalls vielfach gefährdeten Ozeane und Meere.

2. Konzepte

Mit etwa 70 % ist die Bewässerungslandwirtschaft der größte W.-Verbraucher; ihm folgt die Industrie mit etwa 20 %. Lediglich ein Zehntel des W.s wird im direkten menschlichen Konsum verbraucht. Konzepte wie „virtuelles W.“ oder der „W.-Fußabdruck“ versuchen zu verdeutlichen, dass der menschliche Verbrauch von W. auch den indirekten Anteil berücksichtigen muss: „Virtuelles W.“ weist auf die W.-Menge hin, die zur Herstellung eines beliebigen Produktes benötigt wird. Durch dessen globalen Export wird auch das im Produktionsprozess verbrauchte W. faktisch mitexportiert; dies betrifft z. B. den Transfer von W. aus dem trockenen Süden Spaniens oder Portugals, das – gebunden in die von dort bezogenen Erdbeeren oder Tomaten, die im Übrigen auch unter ökologisch unzumutbaren Umständen hergestellt werden – zu den Verbrauchern im Norden wandert. Der „W.-Fußabdruck“ zählt neben dem direkt verbrauchten Anteil an W. auch den indirekten Verbrauch an Boden- und Regen-W. (grünes W.), an Oberflächen-W. (blaues W.) und an im Produktionsprozess verschmutzen „grauem“ W. Deutschlands W.-Fußabdruck beträgt etwa 117 Mrd. Kubikmeter W. pro Jahr; lediglich 5 Mrd. hiervon entfallen auf die öffentliche W.-Versorgung. Während ein ausgeprägtes Sparbewusstsein in Bezug auf Haushalts-W. in Deutschland dazu führte, dass durchschnittlich vergleichsweise moderate 123 Liter pro Kopf an Trink-W. verbraucht werden, liegt der hiesige Pro-Kopf-W.-Fußabdruck bei 3 900 Litern und somit über dem Weltdurchschnitt, wie im Übrigen auch der Flaschen-W.-Konsum, wo Deutschland mit 150 Litern pro Kopf pro Jahr die Weltspitze darstellt. Ein wichtiger diagnostischer Indikator ist zudem W.-Stress. Dieser wird als Anteil der genutzten W.-Ressourcen an den jährlich verfügbaren W.-Ressourcen gemessen; von W.-Stress wird gesprochen, sobald ein Viertel der verfügbaren Menge genutzt wird. Jenseits dieser Grenze wird der W.-Stress hoch oder gar extrem. Eine andere Definition bezieht sich auf die jährlich verfügbare Pro-Kopf-Menge an W.; hierbei gelten weniger als 1 700 Kubikmeter pro Person und Jahr als Indikator für W.-Stress. Von W.-Knappheit wird gesprochen, wenn dieser Anteil weniger als 1 000 Kubikmeter pro Person und Jahr beträgt, von absoluter W.-Knappheit, wenn dieser Wert unter 500 fällt. Diese wichtigen Konzepte haben v. a. eine gefahrenanzeigende, bewusstseinsschaffende, skandalisierende Funktion, beinhalten aber selbst noch keine Lösungsvorschläge.

3. Governance

Obwohl eine effektive W.-Politik eine auf lokale Gegebenheiten zugeschnittene, fallangepasste Governance erfordert, dominieren faktisch immer noch globale Blaupausen und die Vorstellung, dass Governance ein quasi naturwüchsiges Nebenprodukt technischer Lösungen sei. Während ab der Mitte der 1990er Jahre das Paradigma einer Privatisierung der W.-Versorgung die globale Suche nach Lösungen prägte (und ebenso erwartungsgemäß wie spektakulär damit scheiterte, Lösungen bereitzustellen), sind es heute einerseits marktbasierte Modelle, die mit finanziellen Anreizen eine weitergehende Kapitalisierung von Natur durchzusetzen suchen, wie andererseits datenbasierte Großprojekte, die es – wie im Fall der SDG (Nachhaltigkeitsziele) – versäumen, den konkreten Wirkmechanismus einer globalen Datenerhebung als Ausgangsbasis für eine Politikverbesserung zu ergründen, sondern einen solchen Mechanismus nur behaupten. Eine kompetente Grundlage – wie anwendungsorientierte Forschung zu effektiven Steuerungsmechanismen des W.-Sektors – bleibt somit weiterhin ein Desiderat. Insgesamt sind die wasserbezogenen Gefahrenlagen in ihren Grundzügen seit Jahrzehnten bekannt. Diesem Wissen, dem inzwischen verankerten „Menschenrecht auf W.“, zahlreichen politischen Willensbekundungen weltweit und der Unersetzlichkeit dieser Ressource für alle ökologischen, menschlichen, industriellen und landwirtschaftlichen Belange zum Trotz bleibt der Befund des Weltentwicklungsberichtes von 2006, der Weltgemeinschaft mangele es am politischen Willen, diese Lage zu ändern, weiterhin zutreffend.

4. Klimawandel

Die bekannten, persistenten W.-Probleme werden sich durch den anthropogen verursachten Klimawandel weiter verschärfen. Bes. spürbar wird dieser sich im W.-Haushalt niederschlagen. Der Stand des Wissens lässt die Zunahme von extremen Wettereignissen, die Verödung ganzer Landstriche und eine Zunahme klimabedingter Migration als gewiss erscheinen. Derzeit leben rund zwei Mrd. Menschen in Ländern mit ganzjährig hohem W.-Stress, außerdem doppelt so viele in Ländern mit saisonal hohem W.-Stress. Setzen sich heutige Trends der Naturzerstörung und der W.-Nutzung unverändert fort, wird geschätzt, dass 2050 mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, 40 % der landwirtschaftlichen Produktion und 45 % der globalen Produktion insgesamt von wasserbedingten Risiken bedroht sein werden. Die Zukunft der W.-Ressourcen wird zudem von heute noch unwägbaren Entwicklungen im Zuge des Klimawandels bestimmt werden: Hierzu zählen nicht ausreichend erforschte und bislang nur unzureichend wissenschaftlich fassbare, systemische Interdependenzen zwischen verschiedenen Elementen der gesellschaftlichen Naturverhältnisse. Während es bspw. gesichert ist, dass Rodungen von Wäldern auch hydrologische Effekte zeitigen, wenn auch zeitlich versetzt und überdies womöglich an geographisch entfernten Orten, fällt es noch schwer, die Komplexität solcher Zusammenhänge wissenschaftlich adäquat zu erfassen. Also ist es oft unmöglich, politisch oder rechtlich zielsicher in diese Zusammenhänge einzugreifen. Nicht-lineare und exponentielle Entwicklungen, Kipppunkte, Kaskadeneffekte, potentielle Ereignisse wie eine Veränderung des Verlaufs des Golfstroms sowie heute noch gänzlich unvorhersehbare Entwicklungen durch den Klimawandel werden wohl Effekte ungeahnten Ausmaßes auf den W.-Sektor haben.

5. Ausblick

W. ist die wichtigste Ressource auf Erden; alles planetarische Leben und Produzieren ist hierauf angewiesen und ein Substitut in aller Regel weder vorhanden noch denkbar. Die mannigfachen Herausforderungen für die Sicherung dieser Ressource sind spätestens seit der ersten globalen Weltumweltkonferenz der Vereinten Nationen in Stockholm 1972 bekannt. Weder mangelt es somit an Wissen um die grundsätzliche Bedrohung noch an technischen Fähigkeiten, diese zu verringern. Auch Notwendigkeit und Absicht, zumindest die Haushaltsgrundversorgung flächendeckend sicherzustellen, werden seit Jahrzehnten allenthalben bekundet. Doch vom Beginn der globalen Berichtspflicht im Rahmen der MDG im Jahr 2000 bis zum letzten Fortschrittsbericht des Nachfolgeprojekts der SDG blieb die Anzahl der unversorgten Menschen mit knapp einer Mrd. unverändert, ebenso die Zahl von etwa 2,5 Mrd. Menschen, die über keinen Zugang zu sanitären Anlagen verfügen. Nicht zuletzt waren in den 90er Jahren Kriege um W. lediglich ein Schreckensbild, während sich in den letzten Jahren Vorfälle häufen, in denen W. auf verschiedene Weise zur Waffe oder zum Ziel gewaltsamer Auseinandersetzungen wird. An der absoluten Priorität einer effektiven W.-Politik besteht kein Zweifel; wohl aber an ihrer Realisierung.