Humanitäre Intervention: Unterschied zwischen den Versionen

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Unter einer H.n I. versteht man im {{ #staatslexikon_articlemissing: Völkerrecht | Völkerrecht }} ein mit humanitären Motiven begründetes bewaffnetes Eingreifen eines Staates oder einer Staatengruppe auf dem Gebiet eines anderen Staates ohne dessen Zustimmung. Insb. handelt es sich um Interventionen zur Rettung oder zum Schutz eigener Staatsangehöriger einerseits sowie um Interventionen, mit denen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe oder {{ #staatslexikon_articlemissing: Minderheit | Minderheiten }} vor Unterdrückung, Verfolgung oder schweren Menschenrechtsverletzungen bewahrt werden soll, andererseits. Die völkerrechtliche Zulässigkeit der H.n I. ist umstritten. Sie kann sich nur aus Völkergewohnheitsrecht ([[Gewohnheitsrecht]]) ergeben, da weder die Charta der Vereinten Nationen ({{ #staatslexikon_articlemissing: UN-Charta | UN-Charta }}) noch ein anderer {{ #staatslexikon_articlemissing: völkerrechtlicher Vertrag | Völkerrechtliche Verträge }} die H. I. als eine gerechtfertigte Ausnahme von dem allg.en [[Gewaltverbot]] der Charta (Art.&nbsp;2 Ziff.&nbsp;4) anerkennen.
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Unter einer H.n I. versteht man im [[Völkerrecht]] ein mit humanitären Motiven begründetes bewaffnetes Eingreifen eines Staates oder einer Staatengruppe auf dem Gebiet eines anderen Staates ohne dessen Zustimmung. Insb. handelt es sich um Interventionen zur Rettung oder zum Schutz eigener Staatsangehöriger einerseits sowie um Interventionen, mit denen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe oder [[Minderheiten|Minderheit]] vor Unterdrückung, Verfolgung oder schweren Menschenrechtsverletzungen bewahrt werden soll, andererseits. Die völkerrechtliche Zulässigkeit der H.n I. ist umstritten. Sie kann sich nur aus Völkergewohnheitsrecht ([[Gewohnheitsrecht]]) ergeben, da weder die Charta der Vereinten Nationen ([[UN-Charta]]) noch ein anderer [[Völkerrechtliche Verträge|völkerrechtlicher Vertrag]] die H. I. als eine gerechtfertigte Ausnahme von dem allgemeinen [[Gewaltverbot]] der Charta (Art.&nbsp;2 Ziff.&nbsp;4) anerkennen.
 
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Im 19.&nbsp;Jh. beriefen sich auf die H. I. insb. Großbritannien, Frankreich, Österreich und die USA, wenn sie, häufig im Wege der Kollektivintervention, gegen Verstöße gegen die „Gesetze der Humanität“ diplomatisch und militärisch vorgingen. Hauptsächlich ging es um den Schutz der christlichen Minderheiten im Osmanischen Reich. Eine einhellig anerkannte Theorie des Interventionsrechtes hat sich im 19.&nbsp;Jh. jedoch nicht herausgebildet. Den naturrechtlich argumentierenden Anhängern der H.n I. stand eine andere Gruppe gegenüber, die sich zu dem Grundsatz der Nichtintervention im strengsten Sinne bekannte und jede Intervention ablehnte, die nicht auf bes.n Vertragsrechten oder völkerrechtlich erlaubter Selbsthilfe beruhte (Grewe 1984: 575–580).
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Im 19.&nbsp;Jh. beriefen sich auf die H. I. insb. Großbritannien, Frankreich, Österreich und die USA, wenn sie, häufig im Wege der Kollektivintervention, gegen Verstöße gegen die „Gesetze der Humanität“ diplomatisch und militärisch vorgingen. Hauptsächlich ging es um den Schutz der christlichen Minderheiten im Osmanischen Reich. Eine einhellig anerkannte Theorie des Interventionsrechtes hat sich im 19.&nbsp;Jh. jedoch nicht herausgebildet. Den naturrechtlich argumentierenden Anhängern der H.n I. stand eine andere Gruppe gegenüber, die sich zu dem Grundsatz der Nichtintervention im strengsten Sinne bekannte und jede Intervention ablehnte, die nicht auf besonderen Vertragsrechten oder völkerrechtlich erlaubter Selbsthilfe beruhte (Grewe 1984: 575–580).
 
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Im 20.&nbsp;Jh. wurden militärische Interventionen häufig als zum Schutz des Lebens eigener Staatsangehöriger im Ausland gegen staatliche oder private [[Gewalt]] erforderlich begründet. Solche Aktionen waren bis zum Inkrafttreten der Satzung des {{ #staatslexikon_articlemissing: Völkerbundes | Völkerbund }} (1919) gewohnheitsrechtlich zulässig. Dagegen hat jedenfalls die UN-Charta mit ihrer Einschränkung des staatlichen Selbstverteidigungsrechtes auf den Fall eines „bewaffneten Angriffs“ (Art.&nbsp;51 der UN-Charta) auch solche Interventionen völkerrechtswidrig werden lassen. Dass auch seit 1945 Staaten wiederholt militärische Aktionen auf fremdem Staatsgebiet mit dem Schutz ihrer dort anwesenden Angehörigen zu rechtfertigen versucht haben (z.&nbsp;B. Israel die Geiselbefreiung in Entebbe, Uganda, 1976 oder die USA ihre Intervention in Grenada 1983), änderte an dieser Rechtslage nichts. Denn selbst wenn man die Bildung von der UN-Charta widersprechendem Völkergewohnheitsrecht für möglich hält, fehlte es an der hierfür erforderlichen Rechtsüberzeugung einer breiten Mehrheit der Staatengemeinschaft. Allerdings kann man in der Staatenpraxis eine Tendenz feststellen, solche Aktionen im Einzelfall wegen der bes.n Notlage des Heimatstaates politisch zu tolerieren, wenn sie sich im Rahmen des unbedingt Erforderlichen halten und von anderer Seite keine rechtzeitige und wirksame Hilfe zu erwarten ist (Verdross/Simma 1984/906).
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Im 20.&nbsp;Jh. wurden militärische Interventionen häufig als zum Schutz des Lebens eigener Staatsangehöriger im Ausland gegen staatliche oder private [[Gewalt]] erforderlich begründet. Solche Aktionen waren bis zum Inkrafttreten der Satzung des [[Völkerbund|Völkerbundes]] (1919) gewohnheitsrechtlich zulässig. Dagegen hat jedenfalls die UN-Charta mit ihrer Einschränkung des staatlichen Selbstverteidigungsrechtes auf den Fall eines „bewaffneten Angriffs“ (Art.&nbsp;51 der UN-Charta) auch solche Interventionen völkerrechtswidrig werden lassen. Dass auch seit 1945 Staaten wiederholt militärische Aktionen auf fremdem Staatsgebiet mit dem Schutz ihrer dort anwesenden Angehörigen zu rechtfertigen versucht haben (z.&nbsp;B. Israel die Geiselbefreiung in Entebbe, Uganda, 1976 oder die USA ihre Intervention in Grenada 1983), änderte an dieser Rechtslage nichts. Denn selbst wenn man die Bildung von der UN-Charta widersprechendem Völkergewohnheitsrecht für möglich hält, fehlte es an der hierfür erforderlichen Rechtsüberzeugung einer breiten Mehrheit der Staatengemeinschaft. Allerdings kann man in der Staatenpraxis eine Tendenz feststellen, solche Aktionen im Einzelfall wegen der besonderen Notlage des Heimatstaates politisch zu tolerieren, wenn sie sich im Rahmen des unbedingt Erforderlichen halten und von anderer Seite keine rechtzeitige und wirksame Hilfe zu erwarten ist (Verdross/Simma 1984/906).
 
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Der wichtigste neuere Fall einer H.n I. zugunsten einer Gruppe fremder Staatsangehöriger ist die sog.e Kosovo-Intervention der NATO-Staaten ({{ #staatslexikon_articlemissing: NATO | NATO (North Atlantic Treaty Organization) }}), an der sich auch Deutschland beteiligte (Luftangriffe gegen Jugoslawien von März bis Juni 1999). Die Angriffe ließen sich nicht als Maßnahme der Selbstverteidigung oder als gewaltsame Repressalie begründen, und sie waren nicht vom UN-Sicherheitsrat gebilligt oder autorisiert worden. Die Regierungen der NATO-Staaten rechtfertigten die Angriffe als H. I. zugunsten der Kosovo-Albaner, die sie als von Serbien verfolgt ansahen, während die übrigen Staaten diese fast einhellig für völkerrechtswidrig, da gegen das Gewaltverbot der UN-Charta verstoßend, hielten (darunter Russland, China und Indien). Die XIII. Konferenz der Staats- und Regierungschefs der Nichtpaktgebundenen Staaten lehnte in einer Erklärung vom 25.2.2003 ein Recht auf H. I. ausdrücklich ab. Es ist danach „nicht möglich, von einer durch Rechtsüberzeugung getragenen Praxis der humanitären Intervention als Ausnahme zum völkerrechtlichen Gewaltverbot zu sprechen“ (Bothe 2013: 592). Bes. die Entwicklungsländer befürchten einseitige Militärinterventionen militärisch überlegener westlicher Staaten. Tatsächlich ist in der Geschichte H.r. I.en seit 1945 der Mißbrauch des humanitären Arguments eher die Regel als die Ausnahme gewesen: „Menschenrechtsverletzungen waren in kaum einem Fall der Hauptanlaß des Einschreitens; vielmehr sind regelmäßig strategische und machtpolitische sowie ideologische Motive ausschlaggebend gewesen“ (Pape 1997: 102&nbsp;f.).
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Der wichtigste neuere Fall einer H.n I. zugunsten einer Gruppe fremder Staatsangehöriger ist die sogenannte Kosovo-Intervention der NATO-Staaten ([[NATO (North Atlantic Treaty Organization)|NATO]]), an der sich auch Deutschland beteiligte (Luftangriffe gegen Jugoslawien von März bis Juni 1999). Die Angriffe ließen sich nicht als Maßnahme der Selbstverteidigung oder als gewaltsame Repressalie begründen, und sie waren nicht vom UN-Sicherheitsrat gebilligt oder autorisiert worden. Die Regierungen der NATO-Staaten rechtfertigten die Angriffe als H. I. zugunsten der Kosovo-Albaner, die sie als von Serbien verfolgt ansahen, während die übrigen Staaten diese fast einhellig für völkerrechtswidrig, da gegen das Gewaltverbot der UN-Charta verstoßend, hielten (darunter Russland, China und Indien). Die XIII. Konferenz der Staats- und Regierungschefs der Nichtpaktgebundenen Staaten lehnte in einer Erklärung vom 25.2.2003 ein Recht auf H. I. ausdrücklich ab. Es ist danach „nicht möglich, von einer durch Rechtsüberzeugung getragenen Praxis der humanitären Intervention als Ausnahme zum völkerrechtlichen Gewaltverbot zu sprechen“ (Bothe 2013: 592). Bes. die Entwicklungsländer befürchten einseitige Militärinterventionen militärisch überlegener westlicher Staaten. Tatsächlich ist in der Geschichte H.r. I.en seit 1945 der Mißbrauch des humanitären Arguments eher die Regel als die Ausnahme gewesen: „Menschenrechtsverletzungen waren in kaum einem Fall der Hauptanlaß des Einschreitens; vielmehr sind regelmäßig strategische und machtpolitische sowie ideologische Motive ausschlaggebend gewesen“ (Pape 1997: 102&nbsp;f.).
 
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Nach dem System der UN-Charta ist es Aufgabe des Sicherheitsrates, schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in einem Staat als Friedensbedrohung zu qualifizieren und entspr.e Maßnahmen zu beschließen. Eine „Blockade“ des Sicherheitsrates aufgrund eines Vetos eines der ständigen Mitglieder kann ein einseitiges Handeln nicht rechtfertigen, da das Nichtzustandekommen eines Ratsbeschlusses auf den Verfahrensvorschriften der Charta beruht, von den Mitgliedstaaten also so gewollt ist. Mit der Hürde des Erfordernisses einer Zustimmung aller fünf ständigen Mitglieder hat sich die Charta im Zweifel gegen die Anwendung von Gewalt im Namen der {{ #staatslexikon_articlemissing: Vereinten Nationen | Vereinte Nationen (UNO, United Nations Organization) }} entschieden.
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Nach dem System der UN-Charta ist es Aufgabe des Sicherheitsrates, schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in einem Staat als Friedensbedrohung zu qualifizieren und entsprechende Maßnahmen zu beschließen. Eine „Blockade“ des Sicherheitsrates aufgrund eines Vetos eines der ständigen Mitglieder kann ein einseitiges Handeln nicht rechtfertigen, da das Nichtzustandekommen eines Ratsbeschlusses auf den Verfahrensvorschriften der Charta beruht, von den Mitgliedstaaten also so gewollt ist. Mit der Hürde des Erfordernisses einer Zustimmung aller fünf ständigen Mitglieder hat sich die Charta im Zweifel gegen die Anwendung von Gewalt im Namen der [[Vereinte Nationen (UNO, United Nations Organization)|Vereinten Nationen]] entschieden.
 
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Auch der Grundsatz einer „Schutzverantwortung“ der Staaten (Responsibility to Protect, R2P; grundlegend International Commission 2001, vgl. Res. 60/1 der UN-Generalversammlung vom 16.9.2005: World Summit Outcome, Abs.&nbsp;138&nbsp;f.) hat an der Unzulässigkeit einer H.n I. nichts geändert. Soweit der Grundsatz die Verpflichtung jedes Staates bekräftigt, seine eigene Bevölkerung vor schweren Menschenrechtsverletzungen (insb. {{ #staatslexikon_articlemissing: Völkermord | Völkermord }}, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit) zu schützen, hat er dem geltenden Völkerrecht nichts Wesentliches hinzugefügt. Soweit aus dem Grundsatz aber für den Fall einer Verletzung dieser Verpflichtung sowie eines Untätigbleibens des UN-Sicherheitsrates ein subsidiäres Recht (oder Notrecht) fremder Staaten auf eine H. I. abgeleitet wird, hat er bisher keine völkerrechtliche [[Anerkennung]] gefunden. Vor dem Hintergrund einer unzureichend effektiven Institutionalisierung der internationalen Gemeinschaft ist das Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz elementarer [[Menschenrechte]] und der Unverletzlichkeit der {{ #staatslexikon_articlemissing: Souveränität | Souveränität }} und des Territoriums eines Staates noch ungelöst.
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Auch der Grundsatz einer „Schutzverantwortung“ der Staaten (Responsibility to Protect, R2P; grundlegend International Commission 2001, vgl. Res. 60/1 der UN-Generalversammlung vom 16.9.2005: World Summit Outcome, Abs.&nbsp;138&nbsp;f.) hat an der Unzulässigkeit einer H.n I. nichts geändert. Soweit der Grundsatz die Verpflichtung jedes Staates bekräftigt, seine eigene Bevölkerung vor schweren Menschenrechtsverletzungen (insb. [[Völkermord]], Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit) zu schützen, hat er dem geltenden Völkerrecht nichts Wesentliches hinzugefügt. Soweit aus dem Grundsatz aber für den Fall einer Verletzung dieser Verpflichtung sowie eines Untätigbleibens des UN-Sicherheitsrates ein subsidiäres Recht (oder Notrecht) fremder Staaten auf eine H. I. abgeleitet wird, hat er bisher keine völkerrechtliche [[Anerkennung]] gefunden. Vor dem Hintergrund einer unzureichend effektiven Institutionalisierung der internationalen Gemeinschaft ist das Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz elementarer [[Menschenrechte]] und der Unverletzlichkeit der [[Souveränität]] und des Territoriums eines Staates noch ungelöst.
 
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B. Fassbender: Humanitäre Intervention, Version 11.11.2020, 09:00 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Humanitäre Intervention}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
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B. Fassbender: Humanitäre Intervention, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Humanitäre Intervention}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
 
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Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:08 Uhr

Unter einer H.n I. versteht man im Völkerrecht ein mit humanitären Motiven begründetes bewaffnetes Eingreifen eines Staates oder einer Staatengruppe auf dem Gebiet eines anderen Staates ohne dessen Zustimmung. Insb. handelt es sich um Interventionen zur Rettung oder zum Schutz eigener Staatsangehöriger einerseits sowie um Interventionen, mit denen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe oder Minderheit vor Unterdrückung, Verfolgung oder schweren Menschenrechtsverletzungen bewahrt werden soll, andererseits. Die völkerrechtliche Zulässigkeit der H.n I. ist umstritten. Sie kann sich nur aus Völkergewohnheitsrecht (Gewohnheitsrecht) ergeben, da weder die Charta der Vereinten Nationen (UN-Charta) noch ein anderer völkerrechtlicher Vertrag die H. I. als eine gerechtfertigte Ausnahme von dem allgemeinen Gewaltverbot der Charta (Art. 2 Ziff. 4) anerkennen.

Im 19. Jh. beriefen sich auf die H. I. insb. Großbritannien, Frankreich, Österreich und die USA, wenn sie, häufig im Wege der Kollektivintervention, gegen Verstöße gegen die „Gesetze der Humanität“ diplomatisch und militärisch vorgingen. Hauptsächlich ging es um den Schutz der christlichen Minderheiten im Osmanischen Reich. Eine einhellig anerkannte Theorie des Interventionsrechtes hat sich im 19. Jh. jedoch nicht herausgebildet. Den naturrechtlich argumentierenden Anhängern der H.n I. stand eine andere Gruppe gegenüber, die sich zu dem Grundsatz der Nichtintervention im strengsten Sinne bekannte und jede Intervention ablehnte, die nicht auf besonderen Vertragsrechten oder völkerrechtlich erlaubter Selbsthilfe beruhte (Grewe 1984: 575–580).

Im 20. Jh. wurden militärische Interventionen häufig als zum Schutz des Lebens eigener Staatsangehöriger im Ausland gegen staatliche oder private Gewalt erforderlich begründet. Solche Aktionen waren bis zum Inkrafttreten der Satzung des Völkerbundes (1919) gewohnheitsrechtlich zulässig. Dagegen hat jedenfalls die UN-Charta mit ihrer Einschränkung des staatlichen Selbstverteidigungsrechtes auf den Fall eines „bewaffneten Angriffs“ (Art. 51 der UN-Charta) auch solche Interventionen völkerrechtswidrig werden lassen. Dass auch seit 1945 Staaten wiederholt militärische Aktionen auf fremdem Staatsgebiet mit dem Schutz ihrer dort anwesenden Angehörigen zu rechtfertigen versucht haben (z. B. Israel die Geiselbefreiung in Entebbe, Uganda, 1976 oder die USA ihre Intervention in Grenada 1983), änderte an dieser Rechtslage nichts. Denn selbst wenn man die Bildung von der UN-Charta widersprechendem Völkergewohnheitsrecht für möglich hält, fehlte es an der hierfür erforderlichen Rechtsüberzeugung einer breiten Mehrheit der Staatengemeinschaft. Allerdings kann man in der Staatenpraxis eine Tendenz feststellen, solche Aktionen im Einzelfall wegen der besonderen Notlage des Heimatstaates politisch zu tolerieren, wenn sie sich im Rahmen des unbedingt Erforderlichen halten und von anderer Seite keine rechtzeitige und wirksame Hilfe zu erwarten ist (Verdross/Simma 1984/906).

Der wichtigste neuere Fall einer H.n I. zugunsten einer Gruppe fremder Staatsangehöriger ist die sogenannte Kosovo-Intervention der NATO-Staaten (NATO), an der sich auch Deutschland beteiligte (Luftangriffe gegen Jugoslawien von März bis Juni 1999). Die Angriffe ließen sich nicht als Maßnahme der Selbstverteidigung oder als gewaltsame Repressalie begründen, und sie waren nicht vom UN-Sicherheitsrat gebilligt oder autorisiert worden. Die Regierungen der NATO-Staaten rechtfertigten die Angriffe als H. I. zugunsten der Kosovo-Albaner, die sie als von Serbien verfolgt ansahen, während die übrigen Staaten diese fast einhellig für völkerrechtswidrig, da gegen das Gewaltverbot der UN-Charta verstoßend, hielten (darunter Russland, China und Indien). Die XIII. Konferenz der Staats- und Regierungschefs der Nichtpaktgebundenen Staaten lehnte in einer Erklärung vom 25.2.2003 ein Recht auf H. I. ausdrücklich ab. Es ist danach „nicht möglich, von einer durch Rechtsüberzeugung getragenen Praxis der humanitären Intervention als Ausnahme zum völkerrechtlichen Gewaltverbot zu sprechen“ (Bothe 2013: 592). Bes. die Entwicklungsländer befürchten einseitige Militärinterventionen militärisch überlegener westlicher Staaten. Tatsächlich ist in der Geschichte H.r. I.en seit 1945 der Mißbrauch des humanitären Arguments eher die Regel als die Ausnahme gewesen: „Menschenrechtsverletzungen waren in kaum einem Fall der Hauptanlaß des Einschreitens; vielmehr sind regelmäßig strategische und machtpolitische sowie ideologische Motive ausschlaggebend gewesen“ (Pape 1997: 102 f.).

Nach dem System der UN-Charta ist es Aufgabe des Sicherheitsrates, schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in einem Staat als Friedensbedrohung zu qualifizieren und entsprechende Maßnahmen zu beschließen. Eine „Blockade“ des Sicherheitsrates aufgrund eines Vetos eines der ständigen Mitglieder kann ein einseitiges Handeln nicht rechtfertigen, da das Nichtzustandekommen eines Ratsbeschlusses auf den Verfahrensvorschriften der Charta beruht, von den Mitgliedstaaten also so gewollt ist. Mit der Hürde des Erfordernisses einer Zustimmung aller fünf ständigen Mitglieder hat sich die Charta im Zweifel gegen die Anwendung von Gewalt im Namen der Vereinten Nationen entschieden.

Auch der Grundsatz einer „Schutzverantwortung“ der Staaten (Responsibility to Protect, R2P; grundlegend International Commission 2001, vgl. Res. 60/1 der UN-Generalversammlung vom 16.9.2005: World Summit Outcome, Abs. 138 f.) hat an der Unzulässigkeit einer H.n I. nichts geändert. Soweit der Grundsatz die Verpflichtung jedes Staates bekräftigt, seine eigene Bevölkerung vor schweren Menschenrechtsverletzungen (insb. Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit) zu schützen, hat er dem geltenden Völkerrecht nichts Wesentliches hinzugefügt. Soweit aus dem Grundsatz aber für den Fall einer Verletzung dieser Verpflichtung sowie eines Untätigbleibens des UN-Sicherheitsrates ein subsidiäres Recht (oder Notrecht) fremder Staaten auf eine H. I. abgeleitet wird, hat er bisher keine völkerrechtliche Anerkennung gefunden. Vor dem Hintergrund einer unzureichend effektiven Institutionalisierung der internationalen Gemeinschaft ist das Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz elementarer Menschenrechte und der Unverletzlichkeit der Souveränität und des Territoriums eines Staates noch ungelöst.