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Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:12 Uhr
S. ist ein Staat, der seinen Finanzbedarf im Wesentlichen durch Steuern deckt. Der moderne Staat ist notwendig Finanzstaat. Die Entwicklung zur Finanzstaatlichkeit war mit der Herausbildung moderner Staatlichkeit eng verbunden. Der moderne Staat ist jedoch nicht notwendig auch S., denn sein Finanzbedarf kann (theoretisch) auch anders gedeckt werden, etwa durch Teilnahme am Wirtschaftsleben. Wissenschaftlich beschrieben und in seiner Eigenart dargestellt ist der S. zuerst von Lorenz von Stein, ohne dass der Begriff selbst schon verwendet wurde. Der Begriff selbst kam um den Ersten Weltkrieg im soziologischen und nationalökonomischen Kontext auf (Rudolf Goldscheid; Max Weber; Joseph Alois Schumpeter). Bei S. und Steuerstaatlichkeit sollten drei Dimensionen auseinandergehalten werden:
a) Die Umschreibung der historischen Entwicklung hin zum modernen Finanz- und S.; dies wird von der Geschichtswissenschaft behandelt.
b) Die beschreibende Analyse der tatsächlichen Finanzierungsstruktur eines Staates hinsichtlich von Steuern, sonstigen Abgaben und weiteren Einnahmeformen; es handelt sich um eine statistische, ggf. finanzwissenschaftliche Fragestellung (Finanzwissenschaft).
c) S. als normativer Begriff, d. h. als verfassungsrechtliche Kategorie.
Juristisch ist nur die letzte Bedeutungsebene von Interesse. Das BVerfG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das GG einen S. errichtet hat, obwohl Begriff und Kategorie – anders als beim Rechtsstaat, Bundesstaat oder Sozialstaat – nicht ausdrücklich im Verfassungstext aufscheinen. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass die Finanzverfassung als einzige Abgabenart die Steuer behandele; zudem sei allein eine Staatsfinanzierung aus Steuern gleichheitsgerecht, da sie den Einzelnen in seiner individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfasse; schließlich drohe bei nichtsteuerlichen Abgaben verfassungsrechtlich problematische Haushaltsflüchtigkeit (BVerfGE 55,274 [298 ff.]; 78,249 [266 f.]; 93,319 [342 f.]). Das Gericht zieht daraus die verfassungsrechtliche Schlussfolgerung, dass nichtsteuerliche Abgaben zwar prinzipiell möglich, stets jedoch in besonderer Weise rechtfertigungsbedürftig seien.
Literatur
S. Huhnholz (Hg.): Fiskus – Verfassung – Freiheit. Politisches Denken der öffentlichen Finanzen von Hobbes bis heute, 2018 • K. Vogel: Der Finanz- und Steuerstaat, in: HStR, Bd. 2, 32004, § 30 • U. Sacksofsky/J. Wieland (Hg.): Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, 2000 • J. Isensee: Steuerstaat als Staatsform, in: R. Stödter/W. Thieme (Hg.): Hamburg, Deutschland, Europa, 1977, 409–436.
Empfohlene Zitierweise
C. Waldhoff: Steuerstaat, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Steuerstaat (abgerufen: 25.11.2024)