Vereinigung Südostasiatischer Nationen (ASEAN): Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 14. November 2022, 06:01 Uhr

1. Organisation

Die ASEAN wurde 1967 von fünf Staaten in Südostasien gegründet – Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Singapur und Thailand – um die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zu fördern und die regionale Stabilität zu stärken, damals insb. auch vor dem Hintergrund des Vietnamkonflikts. Inzwischen gehören der Vereinigung zehn Länder an, nämlich zusätzlich Brunei (seit 1984), Vietnam (1995), Laos und Myanmar (1997) sowie Kambodscha (1999). Die ASEAN hat 649 Mio. Einwohner, bei einem Pro-Kopf-BIP von 4 601 US-Dollar (2018). Sie ist damit einer der größten Zusammenschlüsse unter Entwicklungs- und Schwellenländern. Die Region konnte maßgeblich am wirtschaftlichen Erfolg Pazifisch-Asiens partizipieren.

Die ASEAN- oder Bangkok-Erklärung von 1967 ist das Gründungsdokument der Vereinigung. Ein erstes Gipfeltreffen fand aber erst 1976 statt. Die ASEAN-Charter von 2008 vollzog den Übergang zum rechtlichen Status einer internationalen Organisation. Mit der Charter wurden die institutionellen Mechanismen gestärkt, Prinzipien weiter ausformuliert und drei Pfeiler kodifiziert, die schon beim Gipfeltreffen von Bali (2003) vereinbart worden waren: die politisch/sicherheitspolitische, die wirtschaftliche sowie die sozio-kulturelle Gemeinschaft.

Organisatorisch sind das höchste Entscheidungsgremium die Gipfeltreffen (zweimal jährlich). Den Vorsitz haben die Mitglieder im jährlichen Turnus inne. Im Umfeld finden weitere hochrangige Veranstaltungen statt, etwa mit den Ländern China, Japan und Südkorea (ASEAN+3). Daneben gibt es zahlreiche weitere Gremien. Die Amtsgeschäfte werden vom Generalsekretär und seinem Stab in Jakarta geführt. Seit er auf fünf Jahre (ohne Verlängerungsmöglichkeit) gewählt wird, hat sich das Gewicht des Sekretariats erhöht. Die Mitgliedsländer sind mit permanenten Repräsentanten vertreten. Noch immer ist die staatszentrierte (top-down operierende) ASEAN etwa gegenüber der EU im Kern ein soft institutionalism mit intergouvernamentalem Charakter.

Die ASEAN hat Regeln für das Miteinander formuliert. Dazu gehören die Nichteinmischung, das Konsultations- und Konsensprinzip sowie das Gebot zur Vermeidung von offener Konfrontation. Insgesamt bilden sie den oft beschworenen ASEAN Way, welcher von den formalen Prinzipien nach Art. 2 der Charter, allerdings unvollkommen, abgedeckt wird.

2. Entwicklung

Hinsichtlich des auch historisch ersten Pfeilers von ASEAN, der sicherheitspolitisch/politischen Zusammenarbeit, konnte in einer Region latenter, dabei niederschwelliger Konflikte weitgehend Stabilität bewahrt werden. Umstritten ist, wie groß der Beitrag von ASEAN selbst dabei war. Nach innen gerichtete Ziele wie die Stärkung von Demokratie und Menschenrechten (Art. 1 der Charter) blieben von einzelstaatlichen Zusammenhängen abhängig. Erfolgreich war ASEAN bei der Initiierung weiterer regionaler Mechanismen wie dem ARF. ASEAN hat sich damit als wichtige Stimme in internationalen Dialogen etabliert.

In Bezug auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit war die Vereinbarung einer Freihandelszone im Jahre 1992 (AFTA) mit gegenseitig eingeräumten Präferenzzöllen ein wichtiger Schritt. Angesichts unterschiedlicher Entwicklungsniveaus und zahlreicher Hürden konnte sich der intraregionale Handel (Anteil 2014 ca. 24 %) aber bisher nicht zum Treiber der wirtschaftlichen Expansion entwickeln. Die zum Ende 2015 in Kraft getretene Wirtschaftsgemeinschaft AEC dient einem gemeinsamen Markt mit entsprechender Produktionsbasis und vollständiger Zollfreiheit, wobei viele faktische Hürden weiterbestehen. Nach dem AEC Blueprint von 2015 soll bis 2025 ein hochintegrierter Wirtschaftsraum entstehen, wobei vielerorts noch Skepsis vorherrscht.

Auf dem Weg zu einer Finanzmarktintegration sind die Fortschritte noch bescheidener. Das im Rahmen von ASEAN+3 entstandene Währungsswap-Abkommen CMIM ist immer weiter ausgebaut worden, gilt aber noch nicht als krisenfest.

Die Fortschritte bezüglich der Umsetzung einer sozio-kulturellen Gemeinschaft sind am geringsten. Dies liegt an den schwierigen Aufgaben, z. B. dem Ziel, den massiven Entwicklungsunterschieden innerhalb der Region entgegenzuwirken, aber auch an den mangelnden Ressourcen und an den Eigeninteressen der beteiligten Staaten.

3. Bewertung und Perspektiven

Im Vergleich mit anderen Süd-Süd-Kooperationen hat die ASEAN eine eindrucksvolle Kontinuität und Verdichtung ihrer Bande in einer keineswegs konfliktfreien Weltregion erfahren. Dies ist aber zumindest auch positiven Rahmenbedingungen geschuldet, etwa dem Interesse der USA an regionaler Stabilität. Die wirtschaftlichen Erfolge beruhen stärker auf der weltwirtschaftlichen Öffnung der Mitglieder und dem Engagement von Investoren wie Japan als auf der institutionellen Integration.

Politische wie wirtschaftliche, geschweige denn sozio-kulturelle Integrationsbemühungen sind bisher relativ flach geblieben. Für die nachhaltige Produktion kollektiver Güter fehlt es an einem Hegemon, der weniger bevorteilte Mitglieder kompensieren könnte, und an wirksamen Durchsetzungsmechanismen bezüglich eingegangener Absprachen. Der konsensorientierte ASEAN Way steht hierbei im Weg. Seine Überhöhung lag zwar im Interesse nationaler Machteliten und konnte viele Beobachter blenden. Er wird aber schon seit der asiatischen Finanzkrise 1997/98 skeptischer gesehen.

Die ASEAN-Region könnte auch zukünftig von exogenen Faktoren profitieren, etwa vom Interesse externer Investoren, Alternativen zu China zu finden – insb. wenn es gelingt, destabilisierende Entwicklungen wie die um das Südchinesische Meer einzudämmen. Der ASEAN Way bleibt nützlich bei schwierigen Rahmenbedingungen, für eine vertiefte Integration wird es aber stärker bindender Mechanismen bedürfen.