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Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:08 Uhr
F. ist der Teil der Verwaltung, der sich insb. mit der Festsetzung und Erhebung von Steuern, Zöllen, Beiträgen, Gebühren und sonstigen Abgaben sowie der Vermögensverwaltung befasst.
1. Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern
Nach dem allgemeinen bundesstaatlichen Verteilungsprinzip besteht eine Bundes-F. nur, soweit das GG dies bestimmt oder zulässt. Gemäß Art. 108 Abs. 1 GG verwalten Bundesfinanzbehörden die Zölle und Finanzmonopole, die bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern, die Abgaben im Rahmen der EU, die KFZ-Steuer und sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Steuern. Die übrigen Steuern werden von Landesfinanzbehörden verwaltet (Art. 108 Abs. 2 GG). Mit ESt, KSt und USt sind die Länder für den wesentlichen Teil der staatlichen Einnahmen zuständig. Landesfinanzbehörden verwalten i. d. R. auch die Kirchensteuer. Die Verwaltung sonstiger Abgaben ist Aufgabe der für die jeweilige Sachaufgabe zuständigen Körperschaft. Entsprechendes gilt für die Vermögensverwaltung.
Wiederkehrender Gegenstand bundesstaatlicher Reformüberlegungen ist die Aufteilung der Steuerverwaltungshoheit. Zuständigkeitsfragen sind im Bundesstaat immer auch Machtfragen zwischen dem Zentralstaat und seinen Gliedern. Für eine Zentralisierung sprechen Gesichtspunkte wie Verwaltungseffizienz oder Einheitlichkeit des Gesetzesvollzugs. Bei der Beratung des GG hatte sich die deutsche Seite nachdrücklich für eine Bundes-F. ausgesprochen. Sie konnte sich damit aber gegen den Willen der Alliierten nicht durchsetzen, die eine klare Trennung der F. von Bund und Ländern gefordert hatten. Sie hielten es allenfalls für vertretbar, dem Bund die Verwaltungshoheit über Zölle und bes. Verbrauchssteuern einzuräumen. Weitergehende Kompetenzen des Bundes in der F. erschienen ihnen mit den Grundsätzen eines föderalen Staatsaufbaus (Föderalismus) unvereinbar. Die strikte Trennung der Zuständigkeiten wurde insb. durch die Finanzreform 1969 und die Föderalismusreform 2009 aufgelockert und um kooperative Elemente ergänzt. Dem Bund ist es aber nicht gelungen, eine weitgehend zentralisierte Bundessteuerverwaltung einzurichten. Dem steht der bundesstaatliche Grundsatz der Eigenstaatlichkeit der Länder entgegen, der sich bes. im Ausmaß ihrer finanziellen Selbstständigkeit niederschlägt. Mit der Zustimmung der Länder zu einer Bundessteuerverwaltung ist daher auch künftig nicht zu rechnen.
Die Länder verwalten die bundesgesetzlich geregelten Steuern grundsätzlich als eigene Angelegenheiten. Soweit der Ertrag einer Steuer ganz oder z. T. dem Bund zusteht, wie bei Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer, verwalten sie die Steuern im Auftrag des Bundes (Art. 108 Abs. 3 GG). Ein bundesweit einheitlicher Vollzug der Steuergesetze dient der Steuergerechtigkeit, der Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet sowie der Wettbewerbsneutralität und Ausgewogenheit der Besteuerung der Unternehmen. Auch die auf den Steuereinnahmen der Länder basierenden bundesstaatlichen Steuerverteilungs- und Finanzausgleichssysteme (Finanzausgleich) der Gebietskörperschaften können nur auf Basis einer einheitlichen Anwendung der Steuergesetze zu annehmbaren Ergebnissen führen. Zur Sicherung eines einheitlichen Steuervollzugs sowie der Einnahmen des Bundes hat der Bundesminister der Finanzen ein Weisungsrecht bei den Gemeinschaftssteuern. Bund und Länder sind seit jeher unterschiedlicher Auffassung, ob dieses Weisungsrecht auf Einzelfälle beschränkt ist oder auch allgemeine Vorgaben für die Anwendung der Steuergesetze zulässt. Die Praxis behilft sich pragmatisch, indem Bund und Länder auf der Grundlage einer Bund-Länder-Vereinbarung vom 15.1.1970 die Verwaltungsauffassung in Steuerfragen in sogenannten BMF-Schreiben gemeinsam festlegen (§ 21a FVG).
Soweit es den Vollzug der Steuergesetze erheblich verbessert oder erleichtert, dürfen Bundesbehörden und Landesbehörden bei der Verwaltung von Steuern zusammenwirken. Bund und Länder wirken auf dieser Grundlage v. a. im Bereich der steuerlichen Außenprüfung (Betriebsprüfung) sowie der automatischen Datenverarbeitung zusammen. Unter den gleichen Voraussetzungen kann die Verwaltung von Steuern vom Bund auf die Länder und umgekehrt übertragen werden (Art. 108 Abs. 4 GG). Derartige Abweichungen von der grundsätzlichen Zuständigkeitstrennung müssen jedoch Ausnahmen bleiben.
2. Behördenaufbau
Bundes-F. und Landes-F. sind mehrstufig aufgebaut. Einzelheiten regelt das FVG. Die Bundes-F. wird in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt. An der Spitze steht das Bundesministerium der Finanzen. Bundesoberbehörden sind das Bundeszentralamt für Steuern, das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, das Bundesausgleichsamt sowie die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein. Mittelbehörden sind die Bundesfinanzdirektionen und das Zollkriminalamt, untere (örtliche) Finanzbehörden die Hauptzollämter und Zollfahndungsämter. Die Leiter von Bundesmittelbehörden werden im Benehmen mit den Landesregierungen bestellt, die kein echtes Mitentscheidungsrecht haben. Daneben stehen Bundesanstalten wie die BaFin und die FMSA. Die Kreditaufnahme und das Schuldenmanagement des Bundes sind weitgehend privatisiert und der Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH als Nachfolgerin der zum 1.8.2006 aufgelösten Bundesschuldenverwaltung übertragen. Die Steuerverwaltung darf nicht privatisiert werden, sondern ist Aufgabe von Bundes- und Landesfinanzbehörden. Auch die F. der Länder sind regelmäßig dreistufig aufgebaut. An ihrer Spitze stehen die Landesminister der Finanzen. Die Leiter der Mittelbehörden können nur mit Zustimmung des Bundes ernannt werden. Auf örtlicher Ebene sind Finanzämter zuständig. Steht der Ertrag einer Steuer ausschließlich den Gemeinden oder Gemeindeverbänden zu, können die Länder den Kommunen die entsprechenden Verwaltungskompetenzen übertragen. Das ist in den Flächenstaaten hinsichtlich der Festsetzung von Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der Verwaltung der örtlichen Aufwand- und Verbrauchsteuern wie Vergnügungs-, Hunde- und Getränkesteuer geschehen.
3. Verfahrensregeln
Das Verwaltungsverfahren für Bundes-, Landes- und Gemeindesteuern ist seit 1977 in der Abgabenordnung geregelt, die für alle Steuern gilt, die durch Bundesrecht oder das Recht der EU geregelt sind und von Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden.
Die Finanzgerichtsbarkeit steht als Teil der rechtsprechenden Gewalt außerhalb des Behördenaufbaus und genießt richterliche Unabhängigkeit. Sie ist zweistufig aufgebaut und wird durch die Finanzgerichte der Länder und den Bundesfinanzhof ausgeübt. Das Verfahren ist in der FGO geregelt.
Literatur
P. Badura: Staatsrecht, 62015 • I. Kemmler: Kommentar zu Art. 108 GG, in: B. Schmidt-Bleibtreu/H. Hofmann/G. Henneke (Hg.): Kommentar zum Grundgesetz, 132014, 2255–2263 • H. Siekmann: Kommentar zu Art. 108 GG, in: Sachs (Hg.): Grundgesetz Kommentar, 72014, 2280–2296 • H. Kube: Kommentar zu Art. 108 GG, in: V. Epping/C. Hillgruber, Grundgesetz, 22013, 1711–1719 • A. Leisner-Egensperger: Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern im Bereich der Steuern, in: I. Härtel (Hg.): Hdb. Föderalismus, 2012, 365–387 • W. Heun: Kommentar zu Art. 108 GG, in: H. Dreier (Hg.): Grundgesetz Kommentar, Bd. 3, 22008, 996–1011 • R. Wendt: Finanzhoheit und Finanzausgleich, in: HStR, Bd. 6, 32008, 875–963 • R. Seer: Kooperativ-föderale Steuerverwaltung in Deutschland, in: M. Achats u. a. (Hg.): FS für H.-G. Ruppe, 2007, 533–550 • P. Kirchhof: Finanzverwaltung und Grundgesetz, in: H. Vogelsang (Hg.): Perspektiven der Finanzverwaltung, 1992, 1–25 • E. Schweigert: Die Finanzverwaltung Westdeutschlands in der Zeit vom 2. Weltkrieg bis zur Neuordnung durch das Grundgesetz, 1970 • H. Höpker-Aschoff: Das Finanz- und Steuersystem des Bonner GG, in: AöR 75 (1949), 306–331.
Empfohlene Zitierweise
S. Müller: Finanzverwaltung, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Finanzverwaltung (abgerufen: 22.11.2024)