Freisinnig-Demokratische Partei: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 14. November 2022, 05:55 Uhr
Die Freisinnig-demokratische Partei, heute unter dem offiziellen Namen FDP. Die Liberalen, gehört der liberalen Parteifamilie Europas an. Im Unterschied zu den westeuropäischen Schwesterparteien vermochten die Schweizer Liberalen ihre einflussreiche Stellung im Parteien- und Regierungssystem seit dem 19. Jh. bis heute zu behaupten, allerdings verloren sie nach der Einführung des Proporzwahlrechts 1919 ihre prädominante Position. Trotzdem können die FDP-Liberalen weiterhin Stimmanteile erreichen, die eine Regierungsbeteiligung erlauben: wie zu Beginn des 21. Jh. (Nationalratswahlen 2015: 16,4 %) mit zwei Sitzen in der siebenköpfigen Bundesregierung, die in der Schweiz den Namen Bundesrat trägt.
Die Vorläufer der FDP reichen wie die der Christdemokraten (CVP) in die 1830er und 1840er Jahre zurück. 1878 bildete sich in der Bundesversammlung die „radikal-demokratische“ Fraktion, 1894 wurde auf Bundesebene die „FdP der Schweiz“ konstituiert. Als einflussreiche Gründerpartei des Bundesstaates von 1848 stellte die FDP während des 19. Jh. ein Sammelbecken für verschiedene Richtungen des nationalen und demokratischen Liberalismus dar (radikaldemokratische Linke, wirtschaftsfreundliche Liberale, liberal-konservative Mitte).
Von 1848 bis zum Ersten Weltkrieg hatte die FDP auf Bundesebene in Parlament und Regierung die absolute Mehrheit inne, die sie schrittweise von 1919 bis 1960 abgeben musste. Im Zuge der Industrialisierung der Schweiz verloren die Freisinnigen zunächst einen Teil ihrer Anhänger an die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP), am Ende des Ersten Weltkrieges auch an die neu gegründete Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB). Aus den Reihen der um 1900 ausgedünnten liberalen Mitte-Partei formierte sich eine liberale Kleinpartei unter dem Namen Liberal-demokratische Partei der Schweiz (LPS), die nach 1945 rund 2–3 % des Wähleranteils besonders in der französischen Schweiz auf sich vereinen konnte. Erst 2009 fusionierte diese Kleinpartei mit der FDP unter dem neuen Namen FDP. Die Liberalen und brachte eine leichte Verstärkung.
In der Zeit von 1919 bis in die 80er Jahre des 20. Jh. wechselten sich die Sozialdemokraten und die Freisinnigen als wählerstärkste Partei mit rund 23–25 % ab. In den 1990er Jahren begann unter dem Banner der Migrations- und Europathemen der Aufstieg der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), womit die alte Traditionspartei FDP (wie die CVP) unter die 20 %-Marke sank.
In der siebenköpfigen Landesregierung sind die Radikal-Liberalen seit 1848 ohne Unterbrechung vertreten. 1891 räumte die radikal-liberale Parlamentsmehrheit den bisher oppositionellen Christdemokraten (damals: Katholisch-Konservative, später Konservative Volkspartei, heute Christlichdemokratische Volkspartei CVP) erstmals einen Regierungssitz ein. Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit im Parlament 1919 bildete sich 1929 unter der Führung der FDP eine „Bürgerblock“-Regierung mit vier Regierungsmitgliedern der FDP, zwei der CVP und einem Regierungsmitglied der Bauernpartei. 1943 traten die Sozialdemokraten in die Landesregierung ein, womit die FDP erstmals die absolute Regierungsmehrheit im Bundesrat verlor, der sie im Parlament schon 1919 verlustig gegangen war. Seit 1959 besteht eine Allparteien-Koalitions-Regierung, die auf Grund einer freiwilligen Proporzformel die vier größten Parteien zur sogenannten „Konkordanz“ vereinigt. 2015 setzte sich diese Bundesregierung aus zwei Vertretern der FDP, zwei der SPS, zwei der SVP und einem Vertreter der CVP zusammen.
In der Parteienlandschaft nimmt die FDP seit der Mitte des 20. Jh. eine bürgerliche wirtschaftsliberale Mitte-Rechts-Stellung ein. In wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen vertritt sie konsequent die Interessen der Wirtschaft und der Arbeitgeber, sie kämpft im Namen der liberalen Freiheit gegen zu viel Regulierung und vertritt bei gesellschaftspolitischen Themen progressive Positionen. Wie die anderen großen Parteien ist die FDP in allen vier Sprachgebieten verankert. Als der Wirtschaft nahe stehenden Volkspartei hat die FDP einen überproportionalen Anteil bei den mittleren und höheren Kadern der privaten Unternehmen und des öffentlichen Sektors. Konfessionell ist die FDP gemischt (protestantisch und katholisch) mit einem hohen Anteil von Konfessionslosen.
Als Grand Old Party der Schweiz zehrt die FDP im 21. Jh. weiterhin von den gesellschaftlich-politischen Macht- und Einflusspositionen, die sie bis in die 70er Jahre des 20. Jh. innegehabt hat. Stärker als die Christdemokraten ist sie mit den tonangebenden Kreisen der Wirtschaft, der Banken, der Bundesverwaltung und der Armee verbunden. Mit der NZZ steht ihr ein Blatt mit internationalem Ansehen nahe. Als Gründerpartei von 1848 identifiziert sie sich stark mit den bestehenden Institutionen in Staat und Gesellschaft, was ihr trotz der liberalen Grundhaltung eine staatskonservative Note verleiht. Ihre kontinuierliche Regierungsteilnahme seit 1848 stellt ein europäisches Unikum dar.
Literatur
A. Cassidy/P. Loser: Der Fall FDP. Eine Partei verliert ihr Land, 2015 • O. Meuwly/O. Mazzoleni: Die Parteien in Bewegung. Nachbarschaft und Konflikte, 2013 • H. Strebel: „Darum Freisinnige, vereinigt euch!“ Vom Volksverein zur FDP: Die Liberalen 1910–2010, 2010 • O. Meuwly: L’unité impossible. Le parti radical-démocratique suisse à la Belle Epoque 1891–1914, 2007 • P. Manent: Les libéraux, 22001 • E. Dietschi: 60 Jahre eidgenössische Politik, 1979 • E. Gruner: Die Parteien der Schweiz, 21977.
Empfohlene Zitierweise
U. Altermatt: Freisinnig-Demokratische Partei, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Freisinnig-Demokratische_Partei (abgerufen: 21.11.2024)